Alarmierende Studie

Überwachung per KI: „Kann Arbeit zur Hölle machen“

Wirtschaft
11.09.2025 11:42

Ob in der mobilen Pflege, als Liftmonteur oder Reinigungskraft: Wer im Außendienst arbeitet, ist zunehmend der Kontrolle durch Smartphone-Apps ausgesetzt. Eine Studie zeigt, wie tiefgreifend die Überwachung ist, welche Rolle KI spielt und dass manche App-Funktionen in Österreich illegal sind.

„Aktuelle Außendienst-Apps bieten Funktionen, die jeden Arbeitsschritt vorgeben und Beschäftigte Schritt und Tritt überwachen. Die App wird damit zu einer Art ,digitalem Chef‘ mit einer Neigung zum Kontrollwahn“, fasst Studienautor Wolfie Christl gegenüber krone.at die wichtigste Erkenntnis zusammen. Er konzentrierte sich bei der Untersuchung für die AK Wien auf Systeme wie Microsofts „Dynamics 365 Field Service“ und ähnliche Tools der Firmen SAP, Salesforce und Oracle.

Umfassende Überwachung
Solche Apps geben Anweisungen über Fahrziele und Routen und gliedern die Tätigkeit in Teilaufgaben, die minutengenau getaktet sind. Sie fordern zudem ständig Bestätigungen von Arbeitsschritten und überwachen, ob Zeitvorgaben eingehalten werden, so die Studie. Vorgesetzte haben demnach die Möglichkeit, ihre Mitarbeiter umfassend zu überwachen: mit GPS-Tracking können sie den Standort, mit den Aufzeichnungen die Leistung kontrollieren.

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Diese Technologien ermöglichen mehr Überwachung und mehr Kontrolle der Beschäftigten, was erhebliche Risiken für ihre Rechte und die Qualität der Arbeitswelt in Österreich mit sich bringt.

Studienautor Wolfie Christl

Algorithmen machen der Untersuchung zufolge nicht nur eine rigide Kontrolle möglich, sondern „optimieren“ teilweise mehrmals täglich Einsatzpläne, wo sie „wirklichkeitsfremde Vorgaben“ machen würden, ohne die tatsächlichen Bedingungen zu kennen, so Christl. „Für die Beschäftigten wirken diese Entscheidungen oft willkürlich, weil unklar bleibt, auf welcher Grundlage sie getroffen werden.“ Das beeinträchtigt die Vorhersehbarkeit der Arbeitsplanung massiv und kann dazu führen, dass sich Arbeit in die unbezahlte Freizeit verlagert.

Fehleranfällige KI
Auch Künstliche Intelligenz (KI) kann viel verschlimmbessern: So werde das KI-gestützte Assistenzsystem „Copilot“ als Effizienzsteigerung beworben, bringe aber zusätzliche Unsicherheiten, weil es so fehleranfällig sei. „Fehlerhafte KI kann nerven oder gar den Arbeitsalltag zur Hölle machen“, bringt es Studienautor Christl auf den Punkt. Durch die digitale Kontrolle von Apps, die Beschäftigte auf ihren Smartphones mit sich führen, würden zudem Risiko und Entscheidungsfreiheit vom Management auf Beschäftigte abgeschoben.

Zur Studie

  • Die von der Arbeiterkammer Wien in Auftrag gegebene Studie ist Teil des Projekts „AK Technologie-Monitoring“ und basiert auf mehreren Jahren Forschung.
  • Zur Untersuchung der Funktionen aktueller Software aus Beschäftigtensicht wurden öffentlich verfügbare Quellen herangezogen.
  • Zusätzlich wurden leitfadengestützte Interviews mit Betriebsräten und gewerkschaftlichen Experten durchgeführt.

Überwachungsapps setzen so Beschäftigte nicht nur unter Druck und erzeugen Stress, „manche der untersuchten Funktionen sind nach österreichischer Rechtslage illegal“, betont der Forscher. Prinzipiell gilt laut Arbeitsverfassungsgesetz: Für Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde berühren, braucht es eine Betriebsvereinbarung. App-Funktionen, die Mitarbeiter auf Schritt und Tritt verfolgen, verletzen aber die Menschenwürde und sind somit unzulässig – bis auf ganz spezielle Fälle, etwa beim Fahrer eines Geldtransporters aus Sicherheitsgründen.

Gesetz hinkt oft hinterher
Vieles ist aber gesetzlich nicht klar geregelt, sondern ergibt sich erst aus Präzedenzfällen. Dazu kommt, dass die Gesetzeslage dem rasanten technischen Fortschritt oft hinterherhinkt. Angesichts der Ergebnisse der Studie fordert die AK daher umfassende Mitbestimmungsrechte von Arbeitnehmern und Betriebsräten, wenn ein Unternehmen KI- und algorithmische Systeme zur Kontrolle am Arbeitsplatz verwenden will.

Weil Einzelpersonen oft wenig Chance haben, gegen illegale Überwachung vorzugehen, drängt die AK auch auf ein explizites Verbandsklagerecht für betriebliche Interessensvertretungen, um sich bei Verstößen wirksam wehren zu können. Aufgrund des KI-Booms ist es laut Arbeiterkammer außerdem notwendig, bei der Verwendung von riskanten KI-Anwendungen Transparenz, Diskriminierungsfreiheit und Beschwerderecht durch entsprechende Vorschriften abzusichern. Die zuständigen Aufsichtsbehörden müssten durch mehr Ressourcen und Expertise gestärkt werden.

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