"Krone"-Interview

“Ich pokere nicht, ich bin kein Spieler”

Österreich
07.12.2013 15:46
"Es kann auch schiefgehen", sagt ÖVP-Chef Michael Spindelegger zu den Regierungsverhandlungen, die sich seit 55 Tagen dahinschleppen. Im Interview mit Conny Bischofberger spricht er über Stolpersteine in einem holprigen Finale.

Freitagabend, 17.30 Uhr: Michael Spindelegger steigt aus dem Dienst-BMW, der im Innenhof des Außenministeriums am Minoritenplatz 8 vorfährt. Er kommt direkt vom ÖVP-Bundesvorstand, der viereinhalb Stunden getagt hat.

Während unseres Interviews in seinem Büro läuft ein paar Hundert Meter weiter ein Geheimtreffen ab. Der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll sagt Bundeskanzler Werner Faymann, dass es "Spitz auf Knopf" stehe und diktiert – spät, aber doch - die konkreten Bedingungen für eine große Koalition. Es sei ernst.

Ernst wirkt auch der ÖVP-Chef im hellbraunen Lederfauteuil. Hinter ihm ein farbenfrohes Schüttbild, vor ihm ein schlichter Adventkranz der Jungarbeiterbewegung – die erste Kerze brennt. "Der Kranz sorgt bei meinen ausländischen Gästen immer für Staunen", erzählt Spindelegger. "Zuletzt hat mich die kolumbianische Außenministerin gefragt, was es mit dem Tannengesteck auf sich habe. So kommt man gleich ins Gespräch."

Beim Thema Regierungsverhandlungen läuft das ein wenig hölzerner ab. Da kommen auch viele Floskeln über "Reformbedarf", "Bewegung" und "Perspektiven". Dazwischen stellt der Vizekanzler auch ein Scheitern in den Raum.

"Krone": Herr Spindelegger, Sie sind diese Woche zum Bundespräsidenten gepilgert, um dort darzulegen, wie schwierig alles sei. Warum haben Sie das gemacht?
Michael Spindelegger: Weil er mich zu einem Gespräch eingeladen hat. Dem bin ich gerne gefolgt, auch um zu sagen, wo die Probleme liegen.

"Krone": Bürgermeister Häupl hat Sie dann auch zu einem Gespräch geladen?
Spindelegger: Nein, den habe ich angerufen.

"Krone": Was haben Fischer und Häupl Ihnen für einen Rat gegeben?
Spindelegger: Heinz Fischer hat gesagt, dass er sich bemühen wird – er hat ja auch ein großes Interesse daran, dass was vorangeht. Und Michael Häupl hat mir versichert, dass er sich einbringen wird und nicht mehr behauptet, das Ganze sei ein Spiel.

"Krone": Aber ist es nicht genau das, was Sie im Moment machen? Die Verhandlungen dauern nun schon 55 Tage, und die ÖVP ist nie zufrieden. Pokern Sie zu hoch?
Spindelegger: Ich pokere nicht, weder im Casino noch sonstwo. Ich hab auch keine Karten im Talon, um das Spiel noch anzuheizen. Das ist nicht meins. Ich bin kein Spieler, ich bin der, der knallhart sagt: Da liegen die offenen Fragen und Probleme, die müssen wir lösen.

"Krone": Aber das will doch auch die SPÖ.
Spindelegger: Ja eben. Und darum muss man sich wohl einigen können. Das geht aber nicht, indem man sagt: Es gibt ja eigentlich eh kein Problem. Dann verschiebt man wie bei einer Druckwelle die Probleme in die Zukunft und wir wissen, wie das ist bei Wellen: Sie bauen sich dann umso stärker auf.

"Krone": Doris Bures hat sogar von "Erpressung" gesprochen.
Spindelegger: Ich weiß nicht, wer wen erpresst. Mir geht es um die Sache. Denn alles, was jetzt nicht außer Streit gestellt wird, heißt Streit in der Zukunft. Ich möchte, dass die Streitfragen im Vorfeld geklärt sind, bevor wir eine neue Regierung aufsetzen, um nachher miteinander das umsetzen zu können, was man vereinbart hat. Deshalb verstehe ich auch nicht, warum jetzt so ein Druck aufgebaut wird.

"Krone": Den Druck gibt es doch auch von Ihrer eigenen Partei. So fordert zum Beispiel der Tiroler Landeshauptmann, noch vor Weihnachten zu einem Abschluss der Regierungsverhandlungen zu kommen. Wird sich das ausgehen?
Spindelegger: Wichtig ist nicht das Tempo, sondern die Qualität. Wir müssen in Pensions- Verwaltungs- und Finanzfragen eine gute Grundlage schaffen, wir müssen im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher was Solides auf den Tisch legen.

"Krone": Könnte es in Ihren Augen auch noch schiefgehen?
Spindelegger: Es kann schiefgehen. Dazu habe ich meine Leute im Bundesvorstand versammelt, um zu fragen: Wie gehen wir weiter vor? Und da wurde ganz klar gesagt: Wir brauchen noch Bewegung, sonst können wir uns einen solchen gemeinsamen Weg nicht vorstellen.

"Krone": Bewegen soll sich also nur die SPÖ?
Spindelegger: Es wird schon auch uns da und dort treffen. Ich möchte den Verhandlungspartner jetzt auch nicht desavouieren, aber notwendig ist es schon, dass man Dinge nicht einfach ignoriert. Es kann ja unterschiedliche Lösungsansätze geben, aber das Problem muss man schon erkennen.

"Krone": Zu wie viel Prozent wird es in den nächsten Tagen doch eine Regierung zwischen Rot und Schwarz geben?
Spindelegger: Fünfzig-fünfzig. Da kann man jetzt sagen, das Glas ist halb voll oder es ist halb leer. Beide Interpretationen sind möglich.

"Krone": Fünfzig Prozent nach 55 Tagen: Das klingt nicht sehr optimistisch… Oder ist alles nur Taktik?
Spindelegger: Ich sage es Ihnen noch einmal auf den Punkt genau: Wenn ich nicht für fünf Jahre darstellen kann, dass die Herausforderungen lösbar sind, kann ich mich nicht ernsthaft in eine Regierung begeben. Dann geht es nicht. Das hat nichts mit Taktik zu tun.

"Krone": Sogar der ehemalige ÖVP-Obmann Busek meint, er halte diese Taktik für unklug…
Spindelegger: Ich kann mich an keine Zeit erinnern, in der Erhard Busek etwas für klug gehalten hätte, was ich gemacht habe. Um ehrlich zu sein: Ich habe, als er Obmann war, auch wenig für klug gehalten, was er gemacht hat. Da steckt durchaus eine persönliche Dimension dahinter.

"Krone": Wie würden Sie in einem Satz Ihre Taktik beschreiben?
Spindelegger:
Dass ich keine Taktik habe sondern ein Ziel, und das Ziel heißt ein solides Paket für die nächsten fünf Jahre. Zehn Jahre nach Beginn der Krise das Budgetdefizit in den Griff bekommen, Österreich wieder fit gemacht zu haben: Ich glaube, das wäre ein gutes Motto für eine neue Regierung.

"Krone": Herr Spindelegger, selbst wenn Sie sich noch einmal zusammenraufen: Wie können Sie von den Wählern nach all den Streitereien je wieder Vertrauen erwarten?
Spindelegger: Sie haben Recht, ich glaube, dass das Vertrauen durchaus auf dem Prüfstand steht. Vertrauen können wir nur aufbauen, wenn wir für die nächsten fünf Jahre eine gemeinsame Perspektive entwickeln.

"Krone": Eine "Krone"-Market-Umfrage stellt Rot-Schwarz ein desaströses Zeugnis aus. Bei Neuwahlen würde die ÖVP demnach nur noch auf 22, die SPÖ auf 25, die FPÖ jedoch auf Platz eins kommen (siehe dazu Story in der Infobox, Anm.). Wie klingt das für Sie?
Spindelegger: Wie halt Umfragen klingen. Es sind jetzt keine Neuwahlen… Darum beschäftigt mich das auch nicht.

"Krone": Aber was außer Neuwahlen kommt infrage, wenn Sie sich nicht einig werden sollten?
Spindelegger: Das habe ich mir ehrlich gesagt nicht überlegt. Den Auftrag zur Regierungsbildung hat Werner Faymann, und wenn das scheitert, dann ist der Bundespräsident an der Reihe, das ist nicht in meiner Macht. Aber es könnten sowohl Neuwahlen als auch eine Minderheitsregierung kommen.

"Krone": Das schließen Sie nicht aus?
Spindelegger: Ich kann gar nichts ausschließen. Aber ich arbeite an einer Einigung, auch wenn sie Hürden hat. Die muss man überspringen, es hat keinen Sinn, unter diesen Hürden durchzuschlüpfen.

"Krone": Wäre es nicht klüger gewesen, sich in "neuem Stil" mit einer dritten Partei zusammenzutun, zum Beispiel mit den Neos?
Spindelegger: Ja, schon. Aber wenn dann der Herr Strolz sagt: Ich möchte Bildungsminister sein, aber unter der Voraussetzung, dass ich meine Entwürfe nicht in den Ministerrat, sondern gleich direkt ins Parlament schicke, dann kommt mir schon der Verdachtja auch gemutmaßt, dass Sie Finanzminister werden wollen.
Spindelegger: Sie sagen es: Es wurde gemutmaßt. Aber Sie haben es von mir nie gehört.

"Krone": Wollen Sie oder wollen Sie nicht? Maria Fekter ist ja von der ÖVP so beschädigt worden, dass sie es wohl nicht mehr werden kann.
Spindelegger: Ich habe über Maria Fekter kein böses Wort gesprochen. Alles andere sind Gerüchte. Für mich gibt es die Diskussion über Personalien erst dann, wenn die Inhalte abgeklärt sind.

"Krone": Die Koalition wird oft mit der Ehe verglichen. Wenn Ehepaare eine Mediation machen, werden sie am Anfang gefragt, ob sie sich überhaupt noch lieben. Wie ist das mit Ihrem Partner?
Spindelegger: Ich bin 22 Jahre verheiratet, sehr glücklich verheiratet, und weiß, dass Ehe etwas mit Liebe zu tun hat. Deshalb hinkt dieser Vergleich gewaltig. Eine Koalition hat nichts mit Liebe zu tun.

"Krone": Aber mit Vertrauen. Ist das Vertrauen zwischen Ihnen und Werner Faymann angeknackst?
Spindelegger: Aus meiner Sicht nicht. Wir haben ein korrektes, gutes Arbeitsverhältnis. Aber er ist ja nicht der Einzige, der in der SPÖ bestimmt. Da gibt es viele Erwartungshaltungen und Personen, die mit vielem, was er tut, nicht einverstanden sind.

"Krone": Herr Spindelegger, das Wort des Jahres ist "frankschämen". Wie finden Sie es?
Spindelegger: Es hat wohl jeder seine Erfahrungen mit Stronach gemacht. Mir erklärte er im ORF verkürzt gesagt: "Achtung, die Chinesen kommen!" Ich benutze das Wort nicht, weil ein anständiger Umgang und eine gewisse Wertschätzung für mich wichtig sind.

"Krone": Wäre das Team Stronach - Stichwort Minderheitsregierung - überhaupt noch ein möglicher Regierungspartner?
Spindelegger: Das lässt sich so pauschal nicht beurteilen, es kommt immer auf die handelnden Personen an. Ich habe mit Frau Nachbaur zwei intensive Gespräche geführt und da und dort Übereinstimmung gesehen. Sie ist eine konstruktive Gesprächspartnerin, man merkt, dass sie Spaß an der Politik hat.

"Krone": Sie würden eine Zusammenarbeit nicht ausschließen?
Spindelegger: Würde ich nicht, denn was weiß man, was die Zukunft bringt.

"Krone": In drei Wochen ist Weihnachten: Haben Sie schon Geschenke für Ihre Söhne gekauft?
Spindelegger: Noch kein einziges (lacht). Ich fürchte, ich werde das wieder am letzten Tag tun müssen.

Seine Karriere
Geboren am 21. Dezember 1959 in Mödling. Nach dem Jus-Studium arbeitet er beim Land Niederösterreich und wechselt dann ins Kabinett des damaligen Verteidigungsministers Robert Lichal. 1992 wird er Bundesrat, 1996 Nationalrat, 1998 ÖAAB-Obmann in NÖ, 2009 bis 2011 Bundesobmann. 2006 zweiter Präsident des Nationalrates, seit 2008 Außenminister, seit 2011 Vizekanzler. Verheiratet mit Margit, die Beamtin beim Rechnungshof ist. Zwei Söhne (Matthias ist 12, Patrick 10).

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