Wie motiviert man sich nach 20 Jahren, in denen es ständig nur bergauf geht? Man holt sich das Gefühl des Ursprungs wieder zurück. Mit ihrem neuen Album „God Of Angels Trust“ vermischen Volbeat die Härte von früher mit den poppigeren Songs der jüngeren Vergangenheit. Frontmann Michael Poulsen erklärt uns seine Reise und blickt schon auf die zwei Wien-Shows vor.
„Krone“: Michael, wir haben uns 2024 beim Nova Rock das letzte Mal getroffen, als du mit deinem Death-Metal-Nebenprojekt Asinhell als Gitarrist auf der Bühne warst. Hat die Zeit mit dieser Band eigentlich auf das neue Volbeat-Album abgefärbt?
Michael Poulsen: Vielleicht nicht stilistisch, aber eher im Sinne der Zusammenstellung der Songs. Mit Asinhell zu arbeiten, hat mich zurück in die 90er-Jahre gebracht. Damals habe ich als junger Bursche Death Metal gespielt und hatte überhaupt keine Ahnung von Songstrukturen, Refrains oder Strophen. Mir ging es um schnittige Riffs, gute Vocals und das war es. Zu meinen allerliebsten Death-Metal-Alben gehören jene, die nicht so klar strukturiert sind, was eigentlich diametral gegen übliche Rockmusik läuft, die ja bekanntlich sehr klar strukturiert und nachvollziehbar ist. Je mehr Songs du schreibst und je mehr du übst, umso eher weißt du, wie du Lieder aufbaust und schichtest. Bei Volbeat wissen wir sehr gut, wie man richtig Musik richtig ordnet, umso wichtiger war es mir dieses Mal, das Regelbuch wegzuwerfen und es so zu versuchen, wie ich es vor 30 Jahren gemacht habe. Also hieß der erste Song gleich einmal „In The Barn Of The Goat Giving Birth To Satan’s Spawn In A Dying World Of Doom”.
Man kann dir nicht vorwerfen, dass du die Menschen damit nicht herausforderst …
(lacht) Als ich damit in den Proberaum kam, haben mich die Jungs natürlich gefragt, ob ich jetzt völlig verrückt sein würde. Was soll so ein dämlicher Titel? Natürlich meinte ich das ernst, es geht aber auch nur um den Spaß. Hört euch die Nummer doch einfach mal an und dann diskutieren wir darüber. Als Nächstes fragte mich mein Bassist Kasper, wo der Refrain sei. Und ich sagte nur: „Genau. Darum geht’s. Es gibt keinen Refrain“. Wir alle sind darauf konditioniert, bei jedem Song auf den Refrain zu warten. Auf den Moment, der sich die ganze Zeit aufbaut. Aber was, wenn wir etwas Unerwartetes machen und nicht nach diesen Regen spielen? Mit dem Songtitel ist mir aber auch klar, dass die Leute etwas anderes erwarten als einen eingängigen Track. Sie warten dann auf den Moment, wo der gesamte Songtitel vorkommt, und lassen sich davon mitreißen. Als die Nummer fertig war, hatte ich Lust darauf, die ungeschriebenen Gesetze noch öfter zu brechen.
Du hast dann weiterhin versucht, Anti-Volbeat-Songs zu schreiben?
Weiter ging es mit „By A Monster’s Hand“. Im zweiten Teil des Songs hörst du mich singen und erwartest, dass die Bridge endlich in den Refrain mündet - aber das passiert nicht. Stattdessen gibt es ein sehr schnelles Thrash-Metal-Riff mit ein paar freien Soloeinlagen. Die Essenz des Songs ist also wiederum ganz woanders gelagert, als es üblicherweise der Fall ist. Ungefähr die Hälfte des Albums geht von den klassischen Songstrukturen weg, danach habe ich mir gedacht, ein paar herkömmliche Songs würden nicht schaden und so ist die zweite Songwriting-Hälfte dann doch klassischer ausgefallen. Da begann alles mit „Acid Rain“, „Time Will Heal“ und „Lonely Fields“. Insgesamt hat sich das Songwriting so angefühlt, als würden wir unserem eigenen Schwanz nachjagen und einen Sprung in die Vergangenheit machen. Ich wollte, dass sich das Album so anfühlt, als wäre es das allererste.
Das erste Volbeat-Album „The Strength/The Sound/The Songs” liegt exakt 20 Jahre zurück. War dieses Jubiläum dafür verantwortlich, dass du einen Kreis schließen wolltest?
Das könnte wirklich so sein, aber ich habe zumindest nicht offensiv darüber nachgedacht. Ich wollte das Songwriting einfach geschehen lassen und dann schauen, was dabei rauskommt. Ohne es gleich zu überdenken oder zu stark zu analysieren. Zuerst machen, dann schauen.
Vor allem die erste Albumhälfte auf „God Of Angels Trust“ ist auch textlich sehr amüsant und augenzwinkernd ausgefallen. Hast du dich bei diesen lockeren Texten über Satanismus, Monster, Fantasy und Horror von deinem Idol King Diamond beeinflussen lassen?
Ich bin generell von anderen Texten beeinflusst und King Diamond oder seine alte Band Mercyful Fate kommen da immer vor. In der Heavy-Metal-Szene ist es üblich, Horrorthemen einen gewissen Raum zu geben, auch wenn es manche damit wesentlich ernster meinen als andere. Es ist im Endeffekt ein Klischee, das funktioniert. Schau dir nur die Cover-Artworks und genaueren Texte von Metal-Bands an. Da übertrifft man sich mit Grausamkeiten oder Absurditäten, weil es einfach so viel Spaß macht, damit herumzuspielen. Zwischen den Zeilen bleibt aber auch Platz für die ernsten Zwischentöne des Lebens. Wenn du unseren Albumtitel abkürzt, kommt dabei „GOAT“ heraus und am Cover siehst du, wie eine Ziege in das Schlafzimmer eines Kindes blickt.
Kinder sollten ohne Angst ins Bett gehen können. Wir sind dafür verantwortlich und müssen uns gut um sie sorgen. In der realen Welt lauert immer etwas vor unseren Türen, das uns Angst macht. Regeln, Regulative, Kriege, Religionen, Grausamkeiten. Unsere Aufgabe ist es, unsere Kinder davon abzuschirmen und ihnen ein komfortables Leben in dieser verrückten Welt zu ermöglichen. Davon hörst du sehr viel aus den neuen Texten heraus. Der größte Teufel ist der Mensch selbst und wenn du dir die Nachrichten anschaust, bist du mit einer realen Welt konfrontiert, die viel grausamer ist als jede fiktive. Wir müssen aber darauf vertrauen, dass alles gut wird und dass die richtigen Leute sich durchsetzen.
In euren Songs habt ihr noch viele andere Dinge versteckt. Der Track „Better Be Fueled Than Tamed” klingt für mich so, als hättest du dir den Traum eines selbstgeschriebenen Slayer-Songs erfüllt. Welche Slayer-Nummer stand denn dafür Pate?
Du hörst gut hin, das muss ich schon sagen. Ich kann nicht verleugnen, dass Slayer für diesen Song Pate standen, so viel steht fest. Der Arbeitstitel war auch „Slayer-Song“. Manche unserer Nummern sind ganz eindeutig zuzuordnen, andere wieder weniger, aber ein Album gibt uns immer die Möglichkeit, unseren eigenen Helden zu huldigen. Da sind wir immer ganz offen und ehrlich damit umgegangen. „Acid Rain“ ist übrigens unser „Bruce-Springsteen-Song“, weil er für uns irgendwie dieses Feeling versprühte.
Weil du vorher davon gesprochen hast, dass ihr beim Songwriting das Regelbuch bewusst weggeschmissen habt – fiel euch das leicht? Volbeat ist eine Maschinerie, die seit 20 Jahren sehr erfolgreich auf Hochtouren läuft. Es wäre gewiss leichter, wenn man sich so wenig Mühe wie möglich macht und sich darauf verlässt, was eh immer funktioniert …
Da hast du natürlich recht. Mir ist es als Musiker immer besonders wichtig gewesen, nicht zu sehr auf die Erwartungen und Hoffnungen der Menschen zu achten, sondern einfach frei von der Leber weg zu komponieren. Mir geht es um die internen Erwartungshaltungen. Was erwarte ich mir von der jeweils aktuellen Version der Band? Was meine Kollegen und das Team dahinter? Das zusammengenommen ergibt die ehrliche Wahrheit, die Volbeat leitet. Es ist schön zu sehen, dass manche Songs aus Tausenden Kehlen mitgesungen werden und in der breiten Masse funktionieren, aber am Ende müssen wir zu allem stehen, was wir veröffentlichen. Nur wenn wir in erster Linie zufrieden sind, können wir den nächsten Schritt gehen und hoffen, dass es anderen genauso geht. Mit jedem Album gewinnt man und verliert man Fans - das ist ein Teil des Kreislaufs. Es wird auch immer Leute geben, die uns immer supporten und solche, die uns niemals eine Chance geben. Wenn einem das bewusst ist und man damit leben kann, dann lebt es sich wesentlich leichter. Ich freue mich schon jetzt wieder auf die Reaktionen zu „God Of Angels Trust“.
Würdest du rückblickend sagen, dass es für dich wichtig war, einmal eine Pause von Volbeat zu kriegen und dich knapp zwei Jahre lang auf das zwanglose Hobby-Projekt Asinhell zu konzentrieren? Vielleicht auch, um eine Distanz zum Material zu kriegen und wieder Spannung aufzubauen?
Das Lustige daran ist, dass ich das so erst realisiert habe, als ich von den Auftritten mit Asinhell zurückgekommen bin. Es war jedenfalls keine Agenda dahinter, Volbeat bewusst für eine gewisse Zeit zurückzustellen. Ich habe die Songs für „God Of Angels Trust“ übrigens schon alle vor dem Ausflug mit Asinhell geschrieben. Ich wollte danach direkt mit den neuen Tracks in den Proberaum und sofort wieder ein Gefühl für die Band kriegen. Außerdem war ich mir nicht sicher, ob es lange dauern würde, bis ich wieder den klassischen Volbeat-Vibe finden würde. Aber ja, es war definitiv erfrischend, abseits des Geschäftlichen einmal länger weiter weg von der Band zu sein. Ich habe auf der Asinhell-Tour viele alte Freunde aus meinem früheren Death-Metal-Zirkel getroffen, wir haben insgesamt knapp 30 Shows auf Festivals und in kleinen Clubs gespielt, in denen ich sehr viele Jahre nicht mehr unterwegs war. Es war fast so wie zu den ganz frühen Tagen von Volbeat. Asinhell hat mir so viel Freude gemacht, dass ich total motiviert war, um gleich wieder mit Volbeat loszulegen. Ich dachte anfangs, ich müsste mich davon ausruhen, aber ich war energiegeladen wie selten zuvor.
Bei Asinhell hast du auch nicht gesungen, sondern warst nur der Gitarrist. Wie hat es sich angefühlt, auch einmal für ein paar Monate weiter vom großen Rampenlicht entfernt zu sein?
Ich muss dir ehrlich sagen, dass ich diese Absenz vom Rampenlicht richtig genossen habe. Ich stand an der Seite, spielte Gitarre und alles war auf Marc Grewe, unseren Sänger, fokussiert. Natürlich habe ich trotzdem viele Interviews gegeben, aber meist zu zweit und fernab von den üblichen Volbeat-Fragen. Am schönsten war es aber, in diesen alten Metalschuppen zu spielen, die ich von früher kenne und die es teilweise noch immer gibt. Danach haben wir uns oft noch an der Bar mit ein paar Fans verplaudert, diese Old-School-Death-Metal-Typen, die auch schon immer da waren. Es war herrlich, einen großen Schritt zurück zu machen und die guten alten Tage wieder aufleben zu lassen.
Dass du mit „God Of Angels Trust” jetzt einen Kreis bei Volbeat schließt, bedeutet aber nicht, dass du den Gedanken in dir trägst, mit Volbeat aufzuhören?
Keinesfalls. Wir schauen zwar meist nur von Tag zu Tag, haben aber überhaupt keinen Gedanken an eine mögliche Pension verschwendet. Auch wenn die Welt ein verrückter Ort ist und man nicht mehr weiß, was morgen passiert. Die Musikszene ist definitiv härter und herausfordernder geworden und geht noch weiter in diese Richtung. Wir lieben die Band und die Musik aber und fühlen uns noch immer inspiriert. Das beweisen wir auf diesem Album sehr gut, weil es wieder eine andere Richtung einschlägt. Es sind noch immer genug Energie und Spaß vorhanden, um neue Alben zu schreiben und damit auf Tour zu gehen. Ich nehme aber nichts für selbstverständlich und weiß, dass man längst nicht mehr langfristig planen kann. Das Album war wichtig und tat gut, jetzt exekutieren wir es live und dann schauen wir weiter. Ich habe gelernt, mich auf das zu konzentrieren, was direkt vor mir liegt.
Und Österreich nimmt dabei für euch eine Vorreiterrolle ein. 2010 in Graz habt ihr eine eurer damals größten Shows überhaupt gespielt, beim Nova Rock gehört ihr längst zum Inventar und brecht alle Teilnehmerrekorde. Was hat es denn auf sich, mit dieser speziellen Liebesbeziehung zwischen Volbeat und Österreich?
Den Lauf, den wir seit Anbeginn unserer Karriere bei euch haben, den kann man schwer mit etwas anderem vergleichen. Wir sind Dänen, die die ganze Welt bereisen, aber Österreich und auch Deutschland fühlen sich definitiv wie unser zweites Daheim an. Wir hatten bei euch so früh wie nirgends sonst sehr viel Publikum und sind unendlich dankbar dafür. Wir freuen uns jedes Mal auf eine Rückkehr, weil wir genau wissen, was wir den österreichischen Fans zu verdanken haben.
Hast du es eigentlich auch einmal abseits einer Volbeat-Tour zu uns geschafft? Man kann hier auch wunderbar urlauben …
Auf Tour haben wir nur sehr wenige freie Tage, weil die enorm teuer sind. Wir haben es aber tatsächlich schon ein paar Mal bewusst so eingerichtet, dass wir freie Tage hier verbracht haben. Das Land ist atemberaubend schön. Nicht nur die Städte, sondern auch die Autobahnstrecken, die vielen historischen Gebäude und die Naturplätze, an denen man vorbeifährt. Österreich ist immer eine Reise wert.
Im Herbst spielt ihr zweimal in der Wiener Stadthalle. Es ist zwar noch ein bisschen Zeit bis dahin, aber was schwebt dir in puncto Live-Umsetzung dieses neuen Albums vor? Letztes Jahr wart ihr mit Ghost auf Doppelheadliner-Tour durch Amerika – habt ihr euch da vom visuellen Schauspiel der Schweden inspirieren lassen?
Nicht wirklich, denn wir sind eine klassische Rock’n’Roll-Band, die nicht so sehr aufs Theatralische und Dramatische setzt. Wir konzentrieren uns auf die Musik und arbeiten noch immer hart an der kommenden Produktion. Wir wollen sichergehen, dass wir ein Bühnenbild haben, das sich optimal zum Album verhält und möglichst cool aussieht. Die Produktion ist jetzt kein Stiefkind, aber die Musik ist und bleibt das A und O bei uns. Wenn du keine guten Songs hast, dann hilft dir das schönste Bühnenbild der Welt nichts. Ich liebe Bands, die nur ein Backdrop hinter das Schlagzeug hängen und dann einfach loslegen. In der heutigen Zeit erwarten sich die Menschen viel mehr und dem müssen wir natürlich Rechnung tragen, aber wir achten sehr darauf, dass wir das Wesentliche dabei nicht untergraben. Es wird aber ein feines Bühnenbild sein, dass die Seele von Volbeat ideal einfängt. Wir tun nicht so, als wären wir etwas, was wir einfach nicht sind.
Bei dem Thema könnte man ja fast mit Ziegenschädeln aufwarten, wie man es aus dem norwegischen Black Metal kennt …
Wer weiß, ich will nichts ausschließen. Aber die Chance darauf ist eher gering. (lacht)
Zweimal live in Wien
Mit ihrem neuen Album „God Of Angels Trust“ und allen großen Hits aus 20 Jahren Bandgeschichte kommen Volbeat diesen Herbst gleich zweimal nach Wien. Am 30. September und am 1. Oktober bespielt man die bereits zum Wohnzimmer gewordene Wiener Stadthalle. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten für das fulminante Rock-Spektakel.
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