Niemand hätte damit gerechnet, dass alle europäischen Europas Kaiser innerhalb eines Jahres ihre Macht verlieren würden – nach Jahrhunderten, in denen ihre Dynastien auf dem Thron waren. Österreichs Kaiser verzichtete auf die Regierung, der deutsche Kaiser bat um Asyl, Russlands Zar wurde ermordet.
Es waren drei große Kaiserreiche, die das Schicksal Europas für lange Zeiten bestimmten, und keines von ihnen sollte den Ersten Weltkrieg überleben: Die Habsburgermonarchie, das deutsche Kaiserreich und das riesige russische Zarenreich. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges war Europa für 1000 Jahre ein Kontinent der Monarchien gewesen. Nur vier europäische Staaten waren 1914 bereits Republiken: Frankreich (wieder seit 1870), Portugal (seit 1910), sowie bereits seit langer Zeit, die Schweiz und San Marino.
Zu diesem Zeitpunkt war trotz zunehmender Demokratisierung in den meisten Ländern überhaupt nicht abzusehen, dass sich daran etwas ändern könnte. Denn das royale Europa erlebte gerade seine letzte Hochblüte; in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg gab es in Europa mehr Monarchien als je zuvor.
Die Kaiser waren immer die mächtigsten Royals in Europa
Der Grund: Viele der jungen europäischen Staaten, jene, die im 19. Jahrhundert ihre Unabhängigkeit (wieder) erlangten – Rumänien, Bulgarien, Griechenland, Norwegen – wünschten sich einen Monarchen als Staatsoberhaupt. Vor allem deshalb, um in diesem royalen Europa ein Staatsoberhaupt vorweisen zu können, das den anderen Staatsoberhäuptern auf Augenhöhe begegnen konnte. So wählte etwa Norwegens Bevölkerung 1905 in einer Volksabstimmung einen dänischen Prinzen zum König, Griechenland griff ebenfalls auf einen Dänen zurück und Rumänien und Bulgarien ernannten deutsche Fürsten zu ihren Souveränen.
Doch die prestigeträchtigsten Titel waren bis ins frühe 20. Jahrhundert die Kaiser-Titel geblieben, standen sie doch für die jahrhundertealten Großmächte des kontinentalen Europas. Dass es ausgerechnet diese Reiche werden würden, die – im Gegensatz zu den kleineren, jüngeren Monarchien – den großen Krieg nicht überdauerten, hätte niemand vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs für möglich gehalten.
In neun Tagen von der Monarchie zur Republik
Auch die Geschwindigkeit, mit der diese imperialen Dynastien hintereinander vom Thron gestoßen wurden, sorgte selbst bei jenen, die einen Systemwechsel ersehnt hatten, für Erstaunen. In der österreichischen Vielvölkermonarchie wirkte der Krieg als Turbobeschleuniger für bereits bestehende Zentrifugalkräfte. Am 30. Oktober 1918 hatten sich die Reichsratsabgeordneten der deutschen Wahlkreise als provisorische Nationalversammlung des selbständigen deutschösterreichischen Staates konstituiert. Am 9. November 1918, wenige Tage später, erfolgte in Berlin die Ausrufung der Republik. Zar Nikolaus hatte bereits im Zuge der Februarrevolution, im März 1917, auf seine Herrschaftsrechte verzichten müssen.
Das völlig unterschiedliche Ende der drei europäischen Kaiser
Völlig unterschiedlich vollzog sich der finale Abgang der drei Kaiser: Russlands letzter Zar, Nikolaus II., wurde am 17. Juli 1918 in Jekaterinburg von den Bolschewiki ermordet. Österreichs letzter Kaiser, Karl, verzichtete am 11. November 1918 auf „jeden Anteil an den Staatsgeschäften“ und zog sich auf das Jagdschloss Eckartsau zurück, weigerte sich jedoch, formal abzudanken – weshalb ihn die erste gewählte Regierung der Republik Deutschösterreich des Landes verwies und sein Privatvermögen einzog. Er verstarb am 1. April 1922 im Exil auf der Atlantikinsel Madeira an den Folgen einer Lungenentzündung.
Der deutsche Kaiser Wilhelm II. dankte zwar offiziell am 28. November 1918 ab, aber erst, nachdem er aus Angst vor einer Revolution – und mit einer Zugladung voller Preziosen – in die Niederlande geflüchtet war und dort um Asyl angesucht hatte – was ihm in konservativen Kreisen als „Kaiserflucht“ vorgehalten wurde. Er starb 1941 in seinem niederländischen Exil.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.