Die EU-Kommission hat am Mittwoch in Brüssel ein weiteres Omnibus-Paket, diesmal für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU), präsentiert. Um Europa wettbewerbsfähiger zu machen, will Brüssel zahllose Gesetze und Vorschriften aufweichen und abbauen.
Unternehmen sollen sich laut den neuen Vorschlägen jährlich Verwaltungskosten von 400 Millionen Euro sparen, etwa durch die Schaffung einer neuen Kategorie für kleine und mittlere Unternehmen.
Auch sogenannte small mid-caps (SMC), das sind Unternehmen mit weniger als 750 Beschäftigten und einem Umsatz von bis zu 150 Millionen Euro bzw. einer Bilanzsumme von 129 Millionen Euro pro Jahr, sollen in Zukunft von Vorteilen für KMU profitieren. Das sind laut Kommission rund 38.000 europäische Unternehmen.
Entbürokratisierung als Wirtschafts-Booster
Die neuen Regeln sollen diesen die Einhaltung von Vorschriften erleichtern und Ressourcen für Wachstum und Investitionen im Binnenmarkt freisetzen. Die Kommission schlägt Ausnahmeregelungen im Rahmen der Datenschutz-Grundverordnung (GDPR) oder bei den Prospektvorschriften, die einen Börsengang einfacher machen sollen, vor.
Die Kommission unter Ursula von der Leyen hat sich das Ziel gesetzt, dass die Bürokratie für Unternehmen insgesamt um rund ein Viertel sinken soll. Meldepflichten für kleine und mittlere Unternehmen sollen um 35 Prozent zurückgehen. Bisherige Omnibus-Pakete betrafen eine Verschiebung des Lieferkettengesetzes um ein Jahr und die Ausnahme von 80 Prozent der EU-Unternehmen aus der Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie vereinfachte Umweltanforderungen und -kontrollen sowie leichter verfügbare Förderungen für Landwirte.
Hier will die EU künftig helfen
Die Europäische Kommission hat am Mittwoch ihre neue Binnenmarktstrategie vorgestellt. Die Strategie sieht Maßnahmen vor, um bestehende Handels- und Investitionshemmnisse innerhalb der EU abzubauen, KMU bei der Ausweitung ihrer Aktivitäten zu unterstützen und Unternehmen durch die Förderung der Digitalisierung zu entlasten.
Laut Kommission machen Dienstleistungen den größten Teil der europäischen Wirtschaft aus, doch grenzüberschreitend würden diese stagnieren. Darum sollen ein Gesetz für Baudienstleistungen und ein neues EU-Zustellgesetz die Vorschriften sowohl im Baugewerbe als auch im Post- und Paketsektor modernisieren und grenzüberschreitende Leistungen vereinfachen. Die EU-Länder sollen die Möglichkeit erhalten, regulierte Unternehmensdienstleistungen von unnötiger Regulierung zu befreien. Die Vorschläge der EU-Kommission müssen vom EU-Parlament und den EU-Staaten verhandelt und gebilligt werden.
Hattmannsdorfer will Tempo sehen
Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) begrüßt das Vorhaben, mahnt aber Umsetzungstempo ein. Wenn der Binnenmarkt weiterentwickelt werde, „stärken wir den Standort Österreich, schaffen Arbeitsplätze und sichern langfristig unseren Sozialstaat. Ich begrüße daher ausdrücklich, dass die EU-Kommission konkrete Schritte zur Entbürokratisierung und Weiterentwicklung vorschlägt“, schreibt er in einer Aussendung.
„Mit ihrer Binnenmarktstrategie setzt die Europäische Kommission die richtigen Prioritäten. Jetzt kommt es darauf an, den von der EU angekündigten Kurswechsel hin zu mehr Wettbewerbsfähigkeit und Standortattraktivität rasch umzusetzen. (...) Weniger ist mehr. Wir brauchen weniger Belastung, weniger Bürokratie und weniger grenzüberschreitende Geschäftsbarrieren, um den nötigen Wachstumsturbo zünden und wieder zu unseren internationalen Mitbewerbern aufschließen zu können“, erklärte die stellvertretende Generalsekretärin der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Mariana Kühnel.
„Die EU-Kommission hat heute einen Prozess in Gang gesetzt, der nun konsequent weiterverfolgt werden muss. Nicht-tarifäre Handelshemmnisse wirken im Binnenmarkt teilweise wie Zölle – im Warenbereich mit rund 44 Prozent, im Dienstleistungsbereich sogar mit über 100 Prozent. Es muss jetzt entschlossen an deren Abbau gearbeitet und der Binnenmarkt sukzessive vollendet werden“, erklärt Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung.
SPÖ und Grüne sind skeptisch
„Was die Kommission hier plant, ist brandgefährlich. Dass kleine Betriebe nicht in Bürokratie ersticken dürfen, bleib unbestritten. Wer mit wenigen Mitarbeiter:innen arbeitet und keine eigene Rechtsabteilung im Rücken hat, braucht verständliche und umsetzbare Regeln statt komplexe Regulierungen. Deshalb wurden Kleinst- und Mittelbetriebe in vielen Bereichen bereits gezielt entlastet. Doch ein Unternehmen mit 750 Beschäftigten lässt sich beim besten Willen nicht mehr mit einem kleinen Familienbetrieb vergleichen“, kritisiert hingegen SPÖ-EU-Abgeordnete Evelyn Regner in einer Aussendung.
„Der Ansatz, Bürokratie abzubauen, ist grundsätzlich gut – dabei dürfen wir aber nicht die Schutzmechanismen vergessen, die wir in mühsamen Verhandlungen für Mensch und Umwelt erkämpft haben“, so die grüne EU-Abgeordnete Lena Schilling. „Die Datenschutz-Grundverordnung war ein Meilenstein für Europa – an diesem Schutzschild für unsere Privatsphäre zu rütteln, setzt die Grundrechte der Menschen aufs Spiel.“ Dass die „Kommission auch noch die Verantwortung der Unternehmen beim Umgang mit kritischen Rohstoffen in Batterien verwässern“ wolle, sei „wirklich alarmierend“.
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