Bis vor wenigen Jahrzehnten war es an Europas Höfen üblich, dass bis zu 20 Zeugen bei königlichen Geburten anwesend waren. Aus Angst vor royalen „Kuckuckskindern“ wurden selbst Erzbischöfe und Innenminister als Geburtszeugen geladen.
In vergangenen Zeiten mussten royale Frauen die Anwesenheit zahlreicher fremder Personen während der Geburt ertragen. Warum? Weil es in Zeiten, bevor DNA-Tests die Vaterschaft eines Kindes einwandfrei nachweisen konnten, die größte Angst jeder Dynastie war, dass behauptet wurde, ein „Kuckuckskind“ hätte den Platz eines rechtmäßigen Thronfolgers eingenommen.
Ein Königshaus musste streng darauf achten, dass die Blutlinie nicht unterbrochen – oder zumindest öffentlich nicht infrage gestellt wurde. Denn die direkte Abstammung war ja schließlich die primäre Legitimation jeder Dynastie. Selbst die leisesten Gerüchte, dass ein Thronfolger vielleicht das Kind eines anderen sein könnte, konnten gefährlich werden.
Kein fremdes Kind durfte als rechtmäßiger Erbe untergejubelt werden
Durch nichts konnte man eine Dynastie mehr in Bedrängnis bringen als durch laute Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Thronanspruchs. Man musste nur behaupten, dass ein „Bastard“, wie das hässliche Wort lautete, an die Stelle eines echten Thronfolgers gesetzt worden sei, und schon konnten Widersacher – gute Allianzen und die Unterstützung einiger mächtiger Cliquen vorausgesetzt – eine ganze Dynastie stürzen. Denn das wichtigste Kapitel eines Königshauses war seine Glaubwürdigkeit.
Dagegen versuchten sich Europas Höfe natürlich zu schützen. Welchen Beweis konnte man für die rechtmäßige Abstammung erbringen, zu Zeiten, in denen DNA-Tests noch in weiter Ferne lagen? Nur den Nachweis, dass ein Thronfolger auch zweifelsfrei von der Frau des Königs geboren und nicht ein fremdes Kind als rechtmäßiger Erbe untergejubelt bzw. ein Kind ausgetauscht wurde, wie Feinde leicht behaupten konnten.
Um jeglichen Gerüchten den Nährboden zu entziehen, wurden bei königlichen Geburten zahlreiche Zeugen zugelassen, in der Regel die höchsten Würdenträger des Reiches: Erzbischöfe, Innenminister, oberste Hofwürdenträger etc. Sie bezeugten die einwandfreie Abstammung des nächsten Monarchen.
Deshalb durften sich Monarchinnen keine Liebhaber nehmen
Ein Restzweifel blieb freilich immer: War es auch wirklich der König, der die Königin geschwängert hatte? Zwar gab es vereinzelt auch immer wieder „Beischlafzeugen“ in königlichen Hochzeitsnächten. Um aber langfristig diesbezüglich jeden Zweifel auszuschließen, musste man tief in die persönliche Freiheit von royalen Frauen eingreifen. Sie wurden derart streng unter Beobachtung gehalten, dass sich ihnen wirklich kein potenzieller Liebhaber nähern konnte.
Hier ging es nämlich um die Glaubwürdigkeit eines Königshauses. Denn, salopp formuliert: Man musste in der Vergangenheit keine besonderen Fähigkeiten mitbringen, um König oder Kaiser zu sein. Sobald eine Dynastie einmal fest etabliert war, ging es nicht mehr darum, ob der regierende Monarch der klügste, stärkste, fähigste, weiseste und deshalb am besten geeignete aller Zeitgenossen für den königlichen Job war. Jetzt ging es nur mehr um die rechtmäßige Abstammung: Der Sohn eines Königs wurde der nächste König – der Herrschaftsanspruch war ein Geburtsrecht.
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