Allzu viele Information gibt "Defiance" dem geneigten Spieler beim Start des Abenteuers nicht mit auf dem Weg. Auf einem großen Raumschiff der "Republik Erde" kreuzt er dicht über dem Gebiet des heutigen San Francisco, das allerdings mehr einer nuklearen Einöde als einem dicht besiedelten Ballungsraum gleicht. Dort soll er einen Einsatz absolvieren. Ein glatzköpfiger Kerl mit seltsamer rosa Sonnenbrille und ein hochrangiger Offizier gehen sich gerade verbal ans Leder, als eine Explosion das Schiff zum Beben bringt und alle Insassen zu den Rettungskapseln eilen.
Außerirdische Neuankömmlinge veränderten die Erde
Es folgt ein Absturz, das Erwachen inmitten brennender Trümmer und die Erkenntnis, dass man sich in von bösen Mutanten und grausigen Krabbeltieren bewohntem Gebiet wiederfindet - und dass der Mensch nicht allein im Universum ist. Der Grund für die seltsamen Riesenschwammerl, die allerorts aus dem Boden sprießen, die Mutanten und die erstaunlich großen Krabbeltierchen, die zwischen Trümmerteilen nach Nahrung suchen, ist nämlich nicht Radioaktivität, sondern die Tatsache, dass die Erde in der Vergangenheit Ziel mehrerer Einwanderungswellen aus dem All wurde, die Neuankömmlinge extraterrestrische Flora und Fauna mitgebracht haben und die friedliche Integration der Zuwanderer nicht so recht klappen wollte.
Es folgte ein Krieg, die sagenumwobene "Schlacht von Defiance" - und nun liegt die Erde in Trümmern und es ist Aufgabe von "Archenjägern" wie dem Spieler, die verwüstete Welt nach Alien-Artefakten zu durchsuchen und der Menschheit durch das Bereitstellen der Technologie dabei zu helfen, das zurückzuerobern, was einst ihr gehört hat. Dabei hilft dem Spieler ein sogenanntes "EGO"-Implantat, das ihm nicht nur eine von vier Spezialfertigkeiten verleiht, sondern ihm auch immer wieder mal ein Hologramm vor die Nase stellt, das ihm Aufträge erteilt.
Eintönige Missionskost und wenig dynamische Kämpfe
Was stark nach B-Movie klingt, spielt sich in der Praxis auch so. Die Aufträge, die wir im Zuge des Tests absolvierten, waren fast alle nach dem Muster gestrickt: Gebiet A erreichen, alle Gegner auslöschen, bestimmte Objekte zerstören oder bergen und zum Auftraggeber zurückkehren, um sich die Belohnung abzuholen. Im Laufe des Spiels gelangen wir dabei zwar zu der Erkenntnis, dass der glatzköpfige Sonnenbrillenträger Karl von Bach heißt, früher Massenvernichtungswaffen hergestellt hat und jetzt der Einzige ist, der aus der Alien-Technologie noch etwas Nützliches bauen kann – wirklich mitreißend sind diese Storyfetzen aber nicht. Zu platt sind die schlecht vertonten Dialoge, zu austauschbar die Charaktere.
Dass im Laufe des Spiels nur gelegentlich Spielspaß aufkommt, liegt auch am Kampfsystem. Zwar gibt es eine wirklich beachtliche Auswahl an verschiedenen Wummen, die es im Laufe des Abenteuers zu erbeuten gibt, und die Möglichkeit, selbige mit eigenen Modifikationen zu versehen. Aber was nutzt das, wenn die Kämpfe selbst nicht so recht fesseln wollen? Wer von "Defiance" einen Shooter erwartet, wird sich an der Tatsache stören, dass das Spiel aus der Third-Person-Perspektive gespielt wird, die Gegner quasi ohne künstliche Intelligenz auskommen und sich in Kämpfen meist ohne jede Deckung vor dem Spieler aufstellen und auf ihren Abschuss warten.
Wenig Abwechslung für Rollenspieler, nette Zufallsereignisse
Wer aus Online-Rollenspielen solche dummen Gegner und eintönigen Kämpfe gewöhnt ist, dürfte sich wiederum daran stören, dass der Fundus der nutzbaren Fähigkeiten sowie die Auswahl der spielbaren Rassen und Klassen recht klein sind. Gerade mal vier Klassen – Soldat, Techniker, Überlebenskünstler und Outlaw – und zwei Rassen, die sich kaum voneinander unterscheiden, sind spielbar. Die Palette der Fähigkeiten umfasst gerade mal vier aktiv nutzbare EGO-Kräfte, von denen zwei – namentlich die Tarnfähigkeit und jene, den ausgeteilten Schaden kurzzeitig massiv zu steigern – den anderen beiden besonders im Kampf gegen andere Spieler haushoch überlegen sind. Hinzu kommen zahlreiche passive Fähigkeiten, die den Charakter verbessern. Die Individualisierungsmöglichkeiten des Charakters dürften hartgesottenen MMO-Fans allerdings nicht weit genug gehen. Abseits der Waffe – es kann immer eine Primär- und eine Sekundärknarre getragen werden – gibt es wenig Spielraum für eigene Anpassungen.
"Defiance" ist tatsächlich Online-Rollenspiel und Shooter gleichzeitig, nur ist das Game leider in beiden Disziplinen nur mittelprächtig. Dass trotzdem hin und wieder Laune aufkommt, verdankt es der riesigen, dabei aber etwas statischen Spielwelt und den coolen Zufallsereignissen, die es zu meistern gilt. "Archenfälle" nennen die Entwickler diese Ereignisse, bei denen irgendwo in der Spielwelt eine "Arche" niedergeht. Dabei handelt es sich um große Kristalle, in deren Inneren üblicherweise hochwertige Beute und ein zu erlegendes Ungetüm schlummern. Fällt solch eine Arche vom Himmel, dauert es meist nicht lang, bis sich eine Menge Spieler einfinden und gemeinsam auf den Himmelskörper und die rundherum auftauchenden Gegner ballern. Ist der "Archenfall" gemeistert, bleibt für jeden Spieler Beute liegen, die vom Spiel automatisch fair verteilt wird.
Große Multiplayer-Schlachten, altbackene Optik
Multiplayer-Fans werden übrigens nicht nur die kooperativ zu erledigenden "Archenfälle", sondern auch die beiden Multiplayermodi von "Defiance" erfreuen. Zur Auswahl steht langweiliges Team-Deathmatch, wie man es auch aus jedem anderen Online-Shooter kennt, und ein spaßiger Domination-Modus, der Massenschlachten in der offenen Spielwelt verspricht. Über 120 Spieler können in diesem Modus gegeneinander antreten und in teils riesigen Gebieten zu Fuß oder mit dem Auto – "Defiance" spendiert dem Spieler schon nach recht kurzer Zeit einen fahrbaren Untersatz, um von A nach B zu kommen – um die Kontrolle über wichtige Punkte kämpfen. Diese riesigen Multiplayer-Schlachten haben die Entwickler besser als den Rest des Spiels hinbekommen, hier entsteht tatsächlich das Gefühl, sich inmitten einer Schlacht zu befinden.
Das mag auch daran liegen, dass man zumindest in den großen Multiplayer-Schlachten hin und wieder vergisst, auf die Optik von "Defiance" zu achten. Die ist nämlich nicht unbedingt die größte Stärke des Titels: Die wenigen EGO-Spezialfähigkeiten sind recht unspektakulär animiert, Gesichts- und Charakteranimationen sind ebenfalls nicht auf der Höhe der Zeit, und auch die Landschaft strotzt nicht unbedingt vor Detailreichtum oder Abwechslung. Bei den Gegnern zeigt sich ein zwiespältiges Bild: Während 0815-Kanonenfutter meist nach nicht viel aussieht, zeugen die gelegentlich eingestreuten Bossmonster dann doch wieder vom Einfallsreichtum der Entwickler. Trotzdem: Optisch gewinnt "Defiance" keinen Oscar, gerade auf dem PC wäre sicher deutlich mehr drin gewesen.
Schwache Sprachausgabe, bewährte Steuerung
Immerhin ist die Optik im Vergleich zum Sound noch gut gelungen. Dabei geht es weniger um den Soundtrack - der ist durchaus solide und passt sich sogar der aktuellen Situation an. In Gefechten wird die Musik schneller, beim Erkunden der Landstriche gemächlicher. Eine Katastrophe ist allerdings die deutsche Lokalisierung und Vertonung. Nicht nur, dass die Sprecher bestenfalls semiprofessionell wirken, es wurde auch recht eindeutig bei der Lokalisierung von Dialogen gepatzt – beispielsweise dann, wenn hochrangige Vertreter aus Militär und Wirtschaft einander zum ersten Mal sehen, aber trotzdem per Du miteinander sprechen, als würden sie sich schon Jahre kennen. Der Atmosphäre ist das nicht unbedingt zuträglich.
Wenig zu meckern gibt's dafür an der Steuerung. Die erfüllt ihren Zweck und stellt den Spieler nicht vor unnötige Herausforderung. Am PC kommt eine klassische Shooter-Konfiguration zum Einsatz, wie man sie seit Jahr und Tag kennt und schätzt. Auf den Konsolen – Konsoleros spielen übrigens nicht auf den gleichen Servder Konsolenversion übernommen worden zu sein und wirken nicht wirklich auf die Bedienung mit Maus und Tastatur ausgelegt.
Fazit: Mittelprächtiger Genremix für Pay-TV-Abonnenten
Wie gut die Verschmelzung von Online-Game und Serie tatsächlich klappt, muss sich erst im Laufe der nächsten Monate zeigen. Da die Serie nur via Pay-TV empfangbar ist und im Regelfall staffelweise gedreht wird, wodurch künftige Ereignisse im Spiel nur schwer darin zu berücksichtigen sein werden, versprechen wir uns von der Verbindung beider Produkte aber nicht allzu viel. Für das Spiel als solches gilt: Es ist weder ein großartiger Shooter noch ein großartiges Online-Rollenspiel.
Tatsächlich ist es in beiden Disziplinen Mittelmaß, hinzu kommen die mäßige Grafik und die schwache Vertonung und Lokalisierung. Für Rollenspieler bietet es zu wenig Abwechslung, für Shooter-Fans nicht den Nervenkitzel, den andere, teils kostenlose Online-Shooter wie "Tribes: Ascend" oder "Planetside 2" bieten. Die witzigen Massenschlachten im Multiplayermodus, die große Spielwelt und die Zufallsereignisse sorgen dafür, dass das Spiel nicht völlig versagt und für Fans der Serie vielleicht doch einen Blick wert sein könnte.
Plattform: PC (getestet), PS3, Xbox 360
Publisher: Trion Worlds
krone.at- Wertung: 6/10
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