Einen Shooter mit Anspruch zu schaffen, das haben bislang schon viele Studios versucht – meist vergeblich. 2007 bewies der US-Entwickler Irrational Games mit dem ersten "BioShock" eindrucksvoll, dass es durchaus möglich ist, eine tiefergehende Handlung und Action miteinander zu verknüpfen. Sechs Jahre nach dem gefeierten Shooter – die Entwicklung von Teil zwei überließ man dem Schwesterstudio 2K Marin – melden sich die Schöpfer der gefeierten Serie nun mit "BioShock Infinite" zurück – und machen dabei so ziemlich alles anders als im ersten Teil, wie Animationsdirektor Shawn Robertson im Interview mit krone.at (siehe oben) verriet.
Bedingt wird dies zunächst vor allem durch die neue Umgebung: "BioShock Infinite" verabschiedet sich von den düsteren und oftmals klaustrophobischen Räumlichkeiten der Unterwasserstadt Rapture und schwingt sich stattdessen in die Lüfte nach Columbia, einer dank physikalischer Errungenschaften schwebenden und auf den ersten Blick sehr einladenden Stadt – gepflegt, hell, offen und freundlich. Doch der Schein trügt: Unter ihrer strahlenden Oberfläche entpuppt sich die Stadt in den Wolken als zweigeteilt. Von der herrschenden Elite unterjocht, angeführt von dem religiösen Eiferer und Propheten Zachary Comstock, gedeiht Widerstand in Form der "Vox Populi", einer Freiheitsbewegung der ausgebeuteten Arbeiterklasse.
Booker DeWitt, seines Zeichens ehemaliger Pinkerton-Detektiv mit einer unrühmlichen Vergangenheit, merkt davon bei seiner Ankunft in Columbia zunächst nichts. Sein Auftrag lautet, eine junge Frau namens Elizabeth, die in der Wolkenstadt festgehalten wird, zu befreien, zurück nach New York zu bringen und damit "seine Schuld zu tilgen". Doch das Vorhaben scheitert und DeWitt gerät schnell zwischen die Fronten. Denn Elizabeth verfügt über eine besondere Gabe: Sie kann durch sogenannte Risse Verbindungen zu alternativen Realitäten und Zeiten herstellen, womit sie zu einer gleichermaßen mächtigen wie gefährlichen Waffe im Bürgerkrieg wird.
Für Booker ist sie hingegen eine wichtige Stütze, was sich auf das Gameplay in mehrfacher Hinsicht auswirkt: Einerseits versorgt Elizabeth ihren Retter im Kampf mit Waffen, Munition oder den sogenannten Salzen (eine Art Mana), andererseits hilft sie ihm bei der Suche nach Geld, Ausrüstungsgegenständen oder dem Öffnen von Schlössern. Wohl am nützlichsten ist jedoch ihre Fähigkeit, über die Risse in andere Realitäten Einfluss auf die unmittelbare Umgebung zu nehmen, etwa indem sie automatische Geschütze oder Wände zur Deckung ins Hier und Jetzt holt, um nur ein paar Möglichkeiten zu nennen.
Dies bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass sich Booker selbst nicht zu helfen wüsste. In typischer "BioShock"-Manier verfügt er zwar neben allerlei klein- und großkalibrigen Waffen wieder über außernatürliche Fähigkeiten, die sich – wie die Pistolen und Gewehre im Übrigen auch – an dafür vorgesehenen Verkaufsautomaten ausbauen und aufrüsten lassen. Darüber hinaus erlauben ihm besondere Ausrüstungs-Extras, von denen er maximal vier gleichzeitig tragen kann, bestimmte Attribute zu verbessern, etwa indem sie seinem Nahkampfschaden eine feurige Komponente hinzufügen. Doch erst durch das Zusammenspiel mit Elizabeth bekommen die Kämpfe ihre gewisse Dynamik und heben sich von anderen Titeln wohlwollend ab.
Fast interessanter ist jedoch, was Elizabeth auf der narrativen Ebene bewirkt. Anstatt sich, wie in der Vergangenheit oftmals üblich, von einer künstlichen Intelligenz ausgebremst oder gar genervt zu fühlen, beginnt man sich als Spieler schon bald um die zierliche Person zu sorgen, nimmt Anteil an ihrem Schicksal und ist darum bemüht, ihretwillen die richtigen Entscheidungen im Spiel zu treffen. Oder anders ausgedrückt: "BioShock Infinite" menschelt dank der weiblichen Note deutlich stärker als die üblicherweise testosterongeschwängerte Shooter-Konkurrenz.
Bemerkenswert ist aber auch, wie es dem Spiel einmal mehr gelingt, den Spieler mit seiner Atmosphäre zu packen, zu fesseln und in das Geschehen hineinzuziehen. So fantastisch Columbia mit seinen fliegenden Häusern, mechanischen Konstruktionen und Genmanipulationen auch sein mag, so glaubwürdig wirkt die Kulisse mit ihren Bewohnern und deren Konflikten. Handlung, Optik und nicht zu vergessen die großartige Musik sind bis ins kleinste Detail aufeinander abgestimmt, um ein authentisches Gesamtbild zu erzeugen, das stimmungsvoller kaum sein könnte.
Fazit: Viel ließe sich über "BioShock Infinite" noch sagen, insbesondere dessen Ende. Doch um dieses zu erleben, sollte man den Shooter am besten selbst spielen und in die Welt von Columbia abtauchen bzw. aufsteigen. Nicht nur, weil "BioShock Infinite" großartig aussieht, klingt und sich auch so spielt, sondern weil es auf der Handlungsebene mehr zu bieten hat, nämlich große Gefühle und Themen (wie etwa fehlgeleitete Ideologien), an denen sich künftige Shooter messen lassen müssen. Wer darauf verzichten kann, ist bei "BioShock Infinite" trotzdem gut aufgehoben, denn abseits der Erzählung mit ihren vielen Informationshäppchen, die man sich als Spieler zusammenklauben kann, um des Rätsels Lösung ein Stück näher zu kommen, ist "BioShock Infinte" ein fordernder Action-Titel geblieben.
Plattform: Xbox 360 (getestet), PS3, PC
Publisher: 2K Games
krone.at-Wertung: 9/10
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