Derzeit tobt in ganz Österreich eine Debatte über die Sozialhilfe beziehungsweise Mindestsicherung. Anton Schäfer, Präsident der Volkshilfe Vorarlberg, kritisiert deren Substanz
Der Fall einer neunköpfigen syrischen Familie in Wien, die monatlich Sozialhilfe in Höhe von 4600 Euro (inklusive Mietbeihilfe) erhält, sorgt seit Tagen für Aufregung. Im Vorfeld der Nationalratswahl melden sich auch etliche entrüstete Politiker zu Wort, die derartigen „Exzessen“ den Garaus machen wollen. Der Rechtsanwalt Anton Schäfer, seines Zeichens Präsident der Vorarlberger Volkshilfe, kann angesichts dieses Schauspiels nur mit dem Kopf schütteln. Für ihn stellt sich die Realität ganz anders dar: Die Volkshilfe, deren Budget sich ausschließlich aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen speist, unterstützt Menschen im Ländle, die trotz staatlicher Unterstützungsleistungen nicht über die Runden kommen. „Dies ist erforderlich, weil das derzeitige System der Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung und die Lohnpolitik vieler Unternehmen die Armut eben nicht reduzieren“, stellt Schäfer klar.
Er beklagt, dass auf Kosten der Ärmsten billige Stimmungsmache betrieben werde. So sei es etwa unredlich, die Debatte am Ausnahmefall einer Großfamilie aufzuhängen: „In Österreich gibt es 1,4 Millionen Familien mit Kindern. Nur drei Prozent dieser Familien haben vier oder mehr Kinder. Zudem gibt es in Wien nur 120 Familien mit sieben Kindern in der Mindestsicherung – davon sind 107 erwerbstätig, gerade einmal 13 Familien beziehen die volle Mindestsicherung.“
Eine Kürzung der Sozialhilfe wäre fatal und würde die Armut nur noch weiter verfestigen, sagt Schäfer: „Wir müssen uns grundsätzlich fragen, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Sollen es Banlieues sein? Wollen wir Obdachlosigkeit?“
Wir müssen uns grundsätzlich fragen, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Sollen es Banlieues sein? Wollen wir Obdachlosigkeit?
Anton Schäfer, Präsident der Volkshilfe Vorarlberg
Bild: Philipp Vondrak
Eines ist dem Volkshilfe-Präsidenten ebenfalls wichtig zu betonen: „Wir sind nicht blind. Auch wir kennen Menschen, die das System ausnutzen. Die gibt es, die gab es, die wird es immer geben.“ Die richtig Gierigen seien allerdings andere, etwa jene Unternehmer, die sich schamlos an den rund 20 Milliarden Euro bedient hätten, die im Zuge der Pandemie mit der Gießkanne ausgeschüttet worden sind.
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