Stephan Reiter

„Wir haben die Zeichen der Zeit erkannt“

Salzburg
23.05.2024 07:00

Red Bull Salzburgs Geschäftsführer Stephan Reiter im großen „Krone“-Interview: Ob eine titellose Saison am Selbstverständnis des Vereins und seiner Mitarbeiter kratzt, welche Fehler er gemacht hat und ob sich die Bundesliga-Konkurrenz jetzt warm anziehen muss.

„Krone“: Salzburg hat erstmals seit 2013 keinen Titel geholt. Inwieweit kratzt das am Selbstverständnis des Klubs und seiner Mitarbeiter?
Stephan Reiter: Ich glaube nicht, dass es am Selbstverständnis kratzt, da die letzten Jahre sehr erfolgreich und nachhaltig waren. Es ist aber so, dass es uns im Klub schon wachgerüttelt hat. Die Erfolge der Vergangenheit waren keine Selbstverständlichkeit. Es bedarf täglich harter, disziplinierter und fokussierter Arbeit. Der Glaube an ein gemeinsames Ziel und das man diesem alles unterordnet, ist enorm wichtig. Das wurde vielen verdeutlicht, auch mir.

Braucht es Misserfolg, um den Erfolg mehr zu schätzen?
Ich glaube, es braucht eine gewisse Art von Unzufriedenheit, um Fortschritte zu ermöglichen. Die herrscht bei uns, keiner ist mit dem Ergebnis zufrieden. Das gilt es bei uns in positive Energie umzuwandeln.

Ist Sturm ein verdienter Meister?
Jeder, der Meister wird, hat es verdient. Wir haben den Verantwortlichen unmittelbar nach dem Spiel gratuliert. Ich bin der Meinung, dass wir den Titel letztlich nicht gegen Sturm, sondern gegen andere Klubs verspielt haben. Ich zolle Sturm für das, was dort in den letzten Jahren aufgebaut und geleistet wurde, großen Respekt.

Als Gerhard Struber beurlaubt wurde, war Salzburg Tabellenführer. Am Ende stand Platz zwei zu Buche. War der Trainerwechsel hin zu Onur Cinel in der Retrospektive ein Fehler oder alternativlos?
Zu diesem Zeitpunkt war das für uns alternativlos. Ich habe es ja schon gesagt, Onur ist ein super Charakter, er hat uns extrem unterstützt und einen super Job gemacht. Er kann aber nicht zaubern. Zugleich hat man gesehen, dass er schon Zeichen gesetzt hat, da haben wir auch eine Entwicklung gesehen. Die Verabschiedung gegen den LASK, gegen den Dritten so aufzutreten, war ein klares Signal für die Zukunft. Da hat man gemerkt, was wir für eine individuelle Qualität haben. Man sieht ja, was in den Jungs steckt. Jetzt müssen wir die richtigen Schlüsse ziehen.

Stephan Reiter (li., mit Sportdirektor Bernhard Seonbuchner) will den Titel zurück nach Salzburg holen. (Bild: Tröster Andreas)
Stephan Reiter (li., mit Sportdirektor Bernhard Seonbuchner) will den Titel zurück nach Salzburg holen.

Wie ärgerlich ist es, mit dem besten Kader Österreichs die nötigen PS nicht auf den Rasen zu kriegen?
Ich würde das nicht nur auf die Mannschaft beziehen. Jeder Einzelne, bei mir angefangen, muss verstehen, dass der Titel Serienmeister der Vergangenheit angehört. Das Wesentliche ist es, jeden Tag gemeinsam als Klub daran zu arbeiten, dass wir den Titel holen wollen. Wir brauchen jetzt nicht von einer Champions League, Europa League oder Klub-WM träumen. Wir müssen jeden Tag daran arbeiten, Meister zu werden. Die Bundesliga ist das, was wir bestmöglich bewältigen müssen, alles andere entsteht daraus.

Welche Fehler haben Sie in der abgelaufenen Saison gemacht?
Ich bin seit Ende 2016 hier und kenne uns nur als Meister. Der Erfolg verwöhnt ein Stück weit. Da nehme ich mich nicht aus, wir müssen bei der Zielsetzung vielleicht noch klarer arbeiten und gemeinsam im Team immer wieder die wesentlichen Ziele hervorheben. Und nicht den nächsten Schritt nehmen, bevor der vorherige gemacht wurde.

Was nehmen Sie Positives aus der letzten Saison mit?
Positiv bleibt, dass wir einen tollen Kader und viele tolle Spiele und Erlebnisse hatten. So waren die Champions League-Duelle mit Benfica, Inter Mailand oder Real Sociedad herausragend. Auch in der Bundesliga bleiben die Begegnungen mit Sturm Graz oder der Saisonabschluss gegen den LASK in Erinnerung, wenngleich das letztlich bitter war. Für die Highlights muss man aber länger nachdenken als in den Vorjahren.

Salzburg hatte einen Zuschauerschnitt von 12.000, der minimal unter jenem der Vorsaison liegt. Wie sehen Sie die Entwicklung?
Ich würde den Schnitt als stabil betrachten. Man darf nicht vergessen, dass wir gegen Wolfsberg ein Nachtragsspiel bei winterlichen Temperaturen fast ohne Fans hatten, was den Schnitt deutlich beeinflusst hat.

Viele Fans machten ihrem Unmut Luft – mit Pfiffen, aber auch mit der Ankündigung, das Saisonabo zu kündigen. Wie sehr spürt man das im Verein?
Wir haben viele leidenschaftliche Fans, da gehören Emotionen dazu. Wir verfügen aber über ein großartiges Stadion mit einem tollen Service, unter anderem mit einem sensationellen Catering. Wenn wir dann verlieren, ist das Essen aber gefühlt deutlich schlechter als nach Siegen (lacht). Dass da auch ein Stück weit Frustration mitspielt, ist mir klar. Wenn man aber nach Fakten geht, muss man sagen, dass wir im Vergleich zu anderen Klubs ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis haben. Gerade mit der Bekanntgabe von Pep Lijnders als Trainer haben wir gemerkt, dass der eine oder andere seine Stornierung wieder zurückgenommen hat. Das hat etwas bewirkt. Wir sind einfach sehr erfolgsverwöhnt, das betrifft sicher auch einen Teil unserer Fans. Genau jetzt gilt es aber zusammenzuhalten, denn Unterstützung ist wichtig, gerade wenn es einmal nicht so gut läuft. Generell wird sich die Zahl der Dauerkarten, auch wenn ich noch keine finalen Daten habe, aber letztlich stabil entwickeln.

Wie lief die Saison für Salzburg aus wirtschaftlicher Sicht?
Die Vizemeisterschaft hatte für die wirtschaftliche Saison 2023/24 ja keine direkte Auswirkung. Die Entwicklung der letzten Jahre ist generell gut. Wir haben uns eine hervorragende Eigenkapitalquote aufgebaut, sodass ein gewisser Polster vorhanden ist. Davon werden wir im nächsten Jahr auch weiter profitieren. Unsere Ziele werden sich aber nicht ändern: Wir wollen Meister und Cupsieger werden und auch international vertreten sein. Bei der Klub-WM ist es so, dass niemand momentan weiß, was das finanziell genau heißt. Da werden Zahlen kolportiert, die noch nicht finalisiert sind.

Sie kennen als Verein keine Details?
Nein. Es gibt jetzt erste Meetings, aber keine finanziellen Details. Man muss fairerweise sagen, dass es die UEFA-Bewerbe schon länger gibt, da weiß man, was auf einen zukommt. Die FIFA-Klub-WM wird erstmals gespielt und bis 2025 ist es noch lange hin, es stehen noch nicht einmal alle Teilnehmer fest.

Für Salzburger Verhältnisse gab es in der vergangenen Saison sehr viel Unruhe. Wie wichtig wird es sein, wieder in ruhigeres Fahrwasser zu kommen?
Für all das, was passiert ist, haben wir das als Klub professionell moderiert. Uns ist es wichtig, Kontinuität und wieder eine klare Linie reinzubringen. Der Trainer ist dabei eine Schlüsselposition.

Die vielen Verletzungen waren eine ständige Begleiterscheinung. Inwieweit wurde das bereits aufgearbeitet?
Das wird nie restlos aufgearbeitet sein, ist aber ein Thema, an dem wir weiter arbeiten müssen. Und es ist auch kein Phänomen, mit dem nur wir zu kämpfen haben. Viele Klubs haben damit zu tun, weil es sehr viele Einflussfaktoren gibt, wie etwa die große Anzahl an Spielen, die unsere Jungs absolvieren. Wir sind aber auf einem sehr guten Weg, um eine bessere Spielerverfügbarkeit zu gewährleisten.

Diesbezüglich gab es im Vorjahr bereits Umstrukturierungen. Muss man nachschärfen?
Ich denke, dass wir in medizinischer Hinsicht sehr gut aufgestellt sind und uns dort auch stetig weiterentwickeln. Dieses Setup wird es uns zukünftig ermöglichen, unsere Athleten noch besser und individueller zu belasten und zu steuern.

Wird der Umbruch in diesem Sommer noch einen Tick größer ausfallen als in den Vorjahren?
Wir werden uns darum bemühen, Spieler bei uns zu haben, die restlos davon überzeugt sind, dass Salzburg der richtige Platz für sie ist, eine hundertprozentige Leistungsbereitschaft mitbringen und mit uns Titel gewinnen wollen. Wenn sich jemand nicht dazu bekennt, werden wir agieren müssen. Jedem sollte bewusst sein, dass es das Transfergeschäft nicht ankurbelt, wenn man nicht Meister wird. Der eine oder andere Spieler muss sich darauf besinnen, zu hundert Prozent Leistung abzurufen, um den nächsten Schritt machen zu können. Dafür gilt es dem Hier und Jetzt alles unterzuordnen und professionell zu arbeiten.

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Wir werden uns darum bemühen, Spieler bei uns zu haben, die restlos davon überzeugt sind, dass Salzburg der richtige Platz für sie ist, eine hundertprozentige Leistungsbereitschaft mitbringen und mit uns Titel gewinnen wollen. Wenn sich jemand nicht dazu bekennt, werden wir agieren müssen.

Salzburg-Geschäftsführer Stephan REITER

Die Verpflichtung von Pep Lijnders sorgte für Aufbruchstimmung im Umfeld. Wie wichtig waren Ihre Kontakte nach Liverpool?
Wir haben da gemeinsam viel Arbeit investiert und Gespräche geführt. Details gibt es dann bei der Pressekonferenz zum Trainingsauftakt, wenn wir Pep vorstellen. Ich bin überzeugt, dass er das richtige Signal ist für unsere Spieler, für den Klub und die Fans ist. Wir revolutionieren nicht, es ist aber eine Evolution. Mit Pep und seinem Team haben wir eine hervorragende Lösung gefunden.

Er bekam einen Dreijahresvertrag. Das Vertrauen in seine Fähigkeiten scheint groß zu sein. Wie groß ist Ihr Wunsch, dass er seinen Vertrag auch erfüllt?
Ich bin bei Pep überzeugt, dass er mit einer riesigen Leidenschaft und Energie zu uns kommt. Wichtig ist, dass er vom ersten Moment an von unserem Weg überzeugt war. Es würde unsere Arbeit um einiges erleichtern, wenn er länger bliebe (lacht).

Lijnders hat mit Vitor Matos einen Co-Trainer mitgebracht. Was passiert mit Alexander Hauser und Florens Koch, die diese Aufgabe bislang innehatten?
Wir sind gerade mitten im Planungsprozess. Noch ist es zu früh für Vollzugsmeldungen. Klar ist aber auch, dass es die eine oder andere Veränderung im Klub geben wird.

Salzburg steht eine historische Saison bevor. Als Vizemeister muss man in die Quali, im Winter fällt die Pause aufgrund von acht Gruppenspielen in der Champions League bzw. Europa League deutlich kürzer aus, nach Ende der Spielzeit geht es zur Klub-WM in die Vereinigten Staaten. Inwieweit ist die Planung der kommenden Saison die größte Aufgabe seit Jahren?
Man kann wirklich sagen, dass wir seit Wochen im Hintergrund arbeiten und die Saison, die vor uns liegt, eine der intensivsten wird, die wir jemals erlebt haben. Auf der anderen Seite haben wir uns alle dem Fußball verschrieben. Das Schönste sind Spiele im Stadion, idealerweise sind sie verbunden mit positiven Erlebnissen. Daher freut sich jeder auf diese wahnsinnig große Herausforderung. Wir müssen sie bestmöglich auf mehrere Schultern verteilen, damit wir alle gut durch die Saison kommen. Ich persönlich freue mich wahnsinnig darauf, brenne schon und bin in Aufbruchstimmung.

Muss sich die Liga anhalten, dass Salzburg nach einer titellosen Saison gnadenlos zurückschlagen wird?
Es braucht sicher keine großen Sprüche in Richtung anderer Klubs. Es können sich aber alle sicher sein, dass wir die Zeichen der Zeit erkannt haben und uns auf die kommenden Herausforderungen bestmöglich vorbereiten.

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