Nach Jet-Abschuss

Türkische Panzer an der Grenze – Gewalt in Syrien eskaliert

Ausland
27.06.2012 13:34
Nach dem Abschuss eines türkischen Jets durch Syrien hat die türkische Armee damit begonnen, ihre Präsenz an der Grenze zum Nachbarn deutlich zu verstärken. Am Mittwoch wurden zusätzliche Panzereinheiten sowie Artillerie nach Südostanatolien verlegt. Premier Recep Tayyip Erdogan hatte zuvor erklärt, jede syrische Truppeneinheit, die sich der Grenze nähere, werde ab sofort als militärisches Ziel gewertet und bekämpft. In Syrien selbst gerät die Lage zunehmends außer Kontrolle, die UNO spricht von einer "dramatischen Eskalation".

Unterdessen ging im östlichen Mittelmeer die Suche nach den Piloten des am Freitag von der syrischen Armee abgeschossenen Jets weiter. Verkehrsminister Binali Yildirim sagte am Mittwoch, die Helme der vermissten Piloten sowie einige Wrackteile der Maschine seien inzwischen gefunden worden. Erdogan hatte Syrien vorgeworfen, den unbewaffneten Aufklärungsjet absichtlich und im internationalen Luftraum abgeschossen zu haben. Damit sei Syrien zu einer Bedrohung der nationalen Sicherheit geworden.

"Handlung von geplanter Feindseligkeit"
Die schwierigen Beziehungen zwischen der Türkei und Syrien sind auf einem Tiefpunkt angelangt. Erdogan sprach von einem feigen Akt des Assad-Regimes. Syrien habe vor dem Abschuss keine Warnung abgegeben und auch nicht versucht, mit der Türkei Kontakt aufzunehmen. "Das war eine absichtliche Handlung von geplanter Feindseligkeit." Bei weiteren Zwischenfällen werde sein Land mit Gewalt zurückschlagen. "Wir haben die Einsatzregeln der türkischen Streitkräfte geändert. Jeder syrische Soldat, der sich der Grenze nähert, wird jetzt als eine Bedrohung betrachtet." Der "Zorn" der Türkei könne "heftig" sein. Die neuen Einsatzregeln könnten somit schon beim nächsten Zwischenfall eine bewaffnete Konfrontation zwischen den beiden Nachbarstaaten auslösen.

USA sichern Türkei militärische Hilfe zu
Die USA stellten sich daraufhin demonstrativ an die Seite des NATO-Partners: Die Regierung in Washington sei darauf vorbereitet, jede Anfrage aus Ankara nach militärischer Unterstützung entgegenzunehmen, sagte Außenamtssprecherin Victoria Nuland am Mittwoch. "Die Türkei ist unser Verbündeter." Erdogan sagte zudem dem syrischen Volk Unterstützung bis zur Befreiung von Machthaber Bashar al-Assad zu: "Die Syrer sind unsere Brüder. Bis sich das syrische Volk von diesem Diktator mit blutbefleckten Händen befreit hat, wird die Türkei ihm dem Volk jede Art von Unterstützung zuteilwerden lassen."

Tote bei Angriff auf regimenahen Sender
Indes wurden bei einem Überfall auf einen regimenahen privaten Fernsehsender in Syrien am Mittwoch nach Angaben des syrischen Informationsministeriums mindestens sieben TV-Mitarbeiter getötet. Eine nicht näher genannte Zahl von weiteren Angestellten sei verletzt oder von den Angreifern verschleppt worden. Nach Angaben von Mitarbeitern des Senders Al-Ichbarija hatten schwer bewaffnete Aufständische zwei Gebäude des Senders rund 20 Kilometer südlich der Hauptstadt Damaskus gestürmt und dort Studios verwüstet. Anschließend hätten die Eindringlinge Sprengsätze im Hauptgebäude platziert und zur Explosion gebracht. Von unabhängiger Seite ließen sich die Informationen zunächst nicht überprüfen.

Assad: "Wir befinden uns im Krieg"
Der international weitgehende isolierte Staatschef Assad hatte am Dienstag in einer Rede vor dem Kabinett seine Rhetorik verschärft und erklärt, Syrien befinde sich "im Krieg" - bisher hatte Assad den Volksaufstand als eine Rebellion verstreuter und durch das Ausland finanzierter Kämpfer dargestellt. Sein zuvor ernanntes neues Kabinett wies er an, sich mit aller Kraft zur Niederschlagung des Aufstandes gegen ihn einzusetzen. Im Krieg müsse jedes politische Handeln darauf abzielen, den Konflikt zu gewinnen, sagte Assad in der im Staatsfernsehen übertragenen Ansprache.

UNO ortet "dramatische Eskalation"
Nach Einschätzung unabhängiger Ermittler gleitet Syrien hingegen immer mehr in einen blutigen Bürgerkrieg ab. Die Gefechte zwischen Regierungstruppen und der bewaffneten Opposition seien "dramatisch eskaliert", erklärte der Vorsitzende der von der UNO berufenen Untersuchungskommission, Paulo Pinheiro, am Mittwoch. Die Kämpfe würden auf immer mehr Landesteile übergreifen, heißt es im neuen Lagebericht der Kommission. Vor allem Regierungstruppen und mit ihnen verbündete Milizen, aber auch verschiedenste Oppositionsgruppen würden im Zusammenhang mit Kämpfen Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen, beklagte Pinheiro.

Blutigste Woche seit Beginn des Konflikts
Nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten wurden in den vergangenen sieben Tagen in Syrien so viele Menschen getötet wie noch nie seit dem Beginn des Aufstands. Zwischen dem 20. und dem 26. Juni seien 916 Menschen getötet worden, sagte Rami Abdel Rahman von der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Mittwoch. Es habe sich um die bisher "blutigste Woche der syrischen Revolution" gehandelt. Laut Rahman verschärfte sich zudem das "Tempo des Tötens". Insgesamt seien seit Mitte März vergangenen Jahres mehr als 15.800 Menschen getötet worden.

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