36 Jahre nach dem theaterhistorischen Tumult: Frank Castorf inszeniert an der „Burg“ Thomas Bernhards „Heldenplatz“ mit einem fantastischen Ensemble charismatischer Sprachvirtuosen
Schon anlässlich der Uraufführung vor 36 Jahren lag die eigentliche Erkenntnis darin, dass sich „Heldenplatz“ nicht zum Skandal eignet. Die maßlos übersteigerten Wutausbrüche gegen Österreich, die zusammenhanglos vorveröffentlicht wurden, spricht ja ein halbverrückter Menschenfeind. So gesehen müsste zu jedem Nestroy der Staatsschutz ausrücken.
Heute gelesen, ist „Heldenplatz“ eine Konversationskomödie mit elendslangem ersten, genialem zweiten und stark abfallendem dritten Akt. Eine Aufführung der „Josefstadt“ vor 14 Jahren gestaltete sich jedenfalls mühsam. Obwohl den Professor, dessen aus der Emigration heimgekehrter Bruder Selbstmord begangen hat, Michael Degen spielte.
Zur Rettung des Stücks, das 1988 den größten Theaterskandal seit Schnitzlers „Reigen“ verursachte, wurde nun aufregend der Zertrümmerungsweltmeister Frank Castof bemüht: Er wirft es in die Luft und collagiert die scharfkantigen Scherben mit viel Fremdmaterial zum Monumentalbild. Dass ihn die Texte des früh verglühten Amerikaners Thomas Wolfe mehr interessieren als Bernhards Stück, geht schon aus der Tatsache hervor, dass die Ereignisse in die New-Yorker U-Bahn verlegt sind (Bild: Aleksandar Denic).
Aber von der Substanz her, der Atmosphäre der Heimatlosigkeit, des Wahns, der rechten Bedrohung, da stimmt alles. Alle spielen alle Rollen, und erwartbar arbeitet Castorf viel mit der Livekamera. Aber noch intensiver mit dem Wort: Birgit Minichmayr, Franz Pätzold, Marcel Heuperman, die kostbare Inge Maux, Branko Samarovski und Marie-Luise Stockinger sind auch wahre Sprachvirtuosen.
In den angekündigten vier Stunden wäre das eine makellose Aufführung. Sie dauert aber fünfeinviertel Stunden und verliert am Ende jede Richtung. So fing das maßlose Genie Castorf zuletzt Jubel und Missfallen ab.
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