Forscherin des Jahres

„Sterbebegleiterin“ der Gletscher ausgezeichnet

Wissenschaft
08.01.2024 11:14

Die Gletscherforscherin Andrea Fischer wurde vom Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten zur „Wissenschaftlerin des Jahres 2023“ gewählt. Sie erhielt die Auszeichnung am Montag in Wien für die Vermittlung ihrer wissenschaftlichen Arbeit, in der sie die massive Gletscherschmelze in den Alpen aufzeigt.

Die Innsbrucker Glaziologin könnte man auch als „Sterbebegleiterin“ der österreichischen Gletscher bezeichnen, der Rückgang sie seit Jahren dokumentiert.

Der Leiterin der ÖAW-Forschungsgruppe „Mensch-Umwelt-Beziehung, Hochgebirge“ und ihrem Team ist es „ein Anliegen, unsere Forschungsergebnisse verständlich zu kommunizieren, weil wir das Gefühl haben, dass hier etwas sehr Ungewöhnliches passiert: Den Klimawandel sieht man an den Gletschern am drastischsten“, sagt Fischer. Wenn man Bilder des Gletscherrückgangs sehe und Berichte darüber höre, „versteht man sofort, dass hier Dinge im Gang sind, denen wir Aufmerksamkeit schenken sollten“.

„Botschaften der Gletscher“
Diese „Botschaften der Gletscher“ seien wichtig, weil „wir in den sehr entwickelten Ländern natürlich zu den Hauptverursachern des Klimawandels zählen und auch die nötigen Ressourcen haben, um Methoden zu entwickeln und eine Vorreiterrolle einzunehmen, um den Klimawandel zu begrenzen“, so die 50-jährige Glaziologin. Die Auszeichnung zeige ihr, dass die Dinge, die sie und ihr Team zu erzählen versuchen, von den Menschen gehört werden.

Vor zehn Jahren verneinte Fischer noch die Frage, ob sie eine Gefahr sehe, dass die Gletscher ganz verschwinden. Mittlerweile geht sie davon aus, dass dies in den Ostalpen bereits 2050 der Fall sein wird. Der Grund dafür sei die „stark geänderte Dynamik der Klimaerwärmung“. Dadurch „passiert die Schmelze nicht nur an der Oberfläche, sondern im gleichen Ausmaß auch am Untergrund. Die Gletscher sind großflächig unterhöhlt, das Schmelzwasser und die durchströmende warme Luft verdoppeln die Schmelzraten.“

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Wir stehen im November am Gletscher und es tropft.

Glaziologin Fischer zur rasanten Schmelze

Die Veränderung geht dabei rasant: „Als ich begonnen habe, Gletscher zu vermessen, haben wir selbst im September zu Mittag kein Schmelzwasser vorgefunden. Jetzt stehen wir im November am Gletscher und es tropft.“ Die hohen Temperaturen würden so weit in das Gestein eindringen, dass dort tiefere Schichten auftauen und es zu großräumigen Steinschlag- und Felssturz-Aktivitäten komme. „Das sind völlig neue Prozesse, deren Auswirkungen wir jetzt noch nicht zu 100 Prozent voraussagen können, auf die wir wirklich genau hinschauen müssen“, so die ehemalige Staatsmeisterin im Eisklettern und begeisterte Bergsportlerin.

„Sollten vorsichtig sein“
So wie man sich eine Gletscherschmelze im aktuellen Ausmaß lange nicht vorstellen konnte, könnte es auch „im gesamten Klimasystem Effekte geben, die wir noch nicht kennen. Und das sollte uns besonders vorsichtig werden lassen“, betonte die Wissenschafterin des Jahres. Es gehe dabei nicht nur um die Begrenzung der Treibhausgasemissionen zur Eindämmung des Temperaturanstiegs, „sondern auch darum, welche Anpassungsmaßnahmen wir jetzt treffen müssen, um in den Alpen, die ein sehr sensibler Bereich sind, was Naturgefahren betrifft, weiter gut leben zu können“.

Mit der Gletscherschmelze geht auch ein einzigartiges, 6000 Jahre zurückreichendes Klimaarchiv verloren, denn im Eis eingeschlossen finden sich verschiedene Hinweise auf das frühere Klima. Fischer und ihre Kollegen versuchen daher in intensiven Arbeitseinsätzen mit Bohrungen Eiskerne aus den schwindenden Gletschern zu bergen und so diese gefrorenen Daten zur Klimageschichte zu retten.

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