"Ein Team von Ingenieuren hat während des vergangenen Monats versucht, die Kontrolle über "Envisat" zurückzuerlangen", so die ESA. Trotz kontinuierlicher Befehle eines weit verzweigten Netzes von Bodenstationen habe es aber keine Reaktion des Satelliten gegeben.
Der 8,2 Tonnen schwere "Envisat", dessen Konzept schon vor seinem Start als nicht mehr zeitgemäß galt, war am 1. März 2002 von einer Ariane-5-Rakete auf eine polare Umlaufbahn in 800 Kilometern Höhe gebracht worden. Seitdem umrundete er mehr als 52.000 Mal die Erde. Weil er wichtige Daten zu Klimawandel und Umweltverschmutzung lieferte, wurde er auch als "Öko-Polizist im Weltraum" bezeichnet.
Arbeitete doppelt so lange wie geplant
Für Wissenschaft und Forschung ist das Ende von "Envisat" ein bitterer Verlust - auch wenn er doppelt so lange arbeitete wie beim Bau geplant. Mit seinen zehn Instrumenten, darunter dem Mikrowellenradar ASAR (die Abkürzung steht für: Advanced Synthetic Aperture Radar), beobachtete der Satellit in den vergangenen zehn Jahren die Landmassen der Erde, die Atmosphäre, die Ozeane und die Polkappen. Nahezu in Echtzeit war es möglich, die Temperatur der Meeresoberfläche, weltweite Feuer-Landkarten sowie Ozon-Vorhersagen im Internet bereitzustellen.
Zuletzt zeigten Forscher mithilfe von "Envisat"-Bildern, dass die internationale Schifffahrt insgesamt mehr Luftschadstoffe als der weltweite Flugverkehr produziert. Andere Aufnahmen bewiesen, dass der verheerende Tsunami vor Japans Küste in der Antarktis neue Eisberge entstehen ließ. 2006 belegten Bilder nach Angaben von ESA-Forschern eine "unnormale und dramatische Situation der Eisschmelze" auf der Nordhalbkugel.
Sonde nur mehr Weltraumschrott
Nun ist "Envisat" voraussichtlich Weltraumschrott. Noch zwei Monate lang werden Experten versuchen, den Kontakt zum Satelliten wiederherzustellen und dabei weitere mögliche Ausfallszenarien prüfen. Der Abbruch der Mission deutet allerdings darauf hin, dass dem Vorhaben kaum noch Erfolgsaussichten eingeräumt werden.
Bisher ist nicht einmal klar, warum die Kommunikationssysteme versagten. Eines der Szenarien ist der Ausfall eines Leistungsreglers, durch den die Telemetrie und Fernsteuerung blockiert worden wäre. Als andere Möglichkeit gilt ein Kurzschluss und eine anschließende Panne beim automatischen Einleiten des "abgesicherten Modus", der eigentlich das Überleben des Satelliten sichern sollte.
Ein Teil des aktuellen Datenausfalls wird über Kooperationen mit anderen Raumfahrtorganisationen aufgefangen werden, aber bei Weitem nicht der gesamte. Das ist vor allem deswegen bitter, weil der erste europäische Nachfolgesatellit "Sentinel-1" frühstens in der zweiten Jahreshälfte 2013 starten wird. Bis zuletzt wurde in Brüssel über die Finanzierung des laufenden Betriebs gestritten.
Absturz in frühestens 100 Jahren
Das künftige Schicksal von "Envisat" scheint nun klar. Sollte es wie erwartet nicht mehr gelingen, ihn flottzukriegen, wird er als Weltraumschrott die nächsten Jahrzehnte weiter die Erde umkreisen. Frühstens in 100 Jahren wird mit einem Absturz gerechnet. "Als der Satellit gebaut wurde, war das Thema Weltraumschrott noch nicht aktuell", hieß es bereits vor vier Wochen von seiten der ESA.
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