Nach Kim-Jong-Il-Tod

Wie geht es jetzt mit Nordkorea weiter?

Ausland
19.12.2011 16:01
Nach dem Tod des "Geliebten Führers" Kim Jong Il steht die Weltpolitik vor einem Rätsel: Wie geht es mit der ebenso armen wie aggressiven stalinistischen Volksrepublik Nordkorea weiter? Kommt eine neue Eiszeit oder setzt Tauwetter ein? Größtes Problem bei der Einschätzung der Lage: Niemand weiß, wie der neue Machthaber Kim Jong Un (Bild rechts) tickt. Denn der Junior war bislang fast völlig von der Öffentlichkeit abgeschottet.

Sicher ist bislang nur, dass die Machtübergabe an den neuen Diktator perfekt organisiert war. Dieser Auffassung sind zumindest südkoreanische Experten. Die jüngsten Aufrufe der Staatsmedien an die Bevölkerung, dem vermutlich noch nicht einmal 30 Jahre alten Sohn des Verstorbenen die Treue zu halten, zeigten außerdem, dass die seit Jahren vorbereitete Erbfolge ohne Hindernisse ablaufe, sagte Baek Seung Joo vom Seouler Institut für militärische Analysen.

Kim Jong Un werde in absehbarer Zeit sicher keine drastische Kursänderung vornehmen und eine strategische Allianz mit der Armee suchen. Das schließe aber langfristig nicht aus, dass es zu Machtkämpfen kommen könne. "Alle Verantwortlichen, die unter Kim Jong Il mitzureden hatten, haben sich offenkundig in den vergangenen 48 Stunden darauf verständigt, Kim Jong Un als neuen Führer zu unterstützen", meint Paik Hak Soon vom Sejong-Institut, einem renommierten "Think Tank" in Seoul. "Die Ära Kim Jong Un hat bereits begonnen", die Stabilität des Regimes sei gesichert. Angekündigte Gespräche mit den USA würden möglicherweise zu einer Entspannung führen, weil Nordkorea dringend ausländische Hilfe benötige, sagt Kim Tae Hyun, Professor an der Seouler Chung-Ang-Universität.

Auch die "Choreographie" der Trauer läuft offenbar wie geschmiert. Die Staatsmedien berichteten von Menschen, "die nicht einmal versuchen, die Tränen wegzuwischen, und angesichts des Verlusts mit Schmerz und Verzweiflung ringen", berichtete die amtliche Nachrichtenagentur KCNA am Montag. Das Staatsfernsehen zeigte in Tränen aufgelöste Passanten auf den Straßen der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang.

Südkorea fürchtet Wiedervereinigungs-Szenario
Südkoreanische Geheimdienstexperten befürchten derweil, dass Seoul im Fall einer Implosion des nordkoreanischen Regimes außerstande wäre, die Probleme einer Wiedervereinigung zu bewältigen. Diese wären wesentlich schwerwiegender als in Deutschland 1990. Derzeit steht der Geheimdienst des Südens heftig in der Kritik. Denn zwei Tage lang hatte die Behörde offenbar keine Informationen über den Tod des nordkoreanischen Machthabers.

Präsident Lee Myung Bak und die Armeeführung seien von Kim Jong Ils Tod völlig überrascht worden, berichtete die Nachrichtenagentur Yonhap am Montag unter Berufung auf Regierungsvertreter in Seoul. Demnach erfuhren sie genauso wie der Rest der Welt die Nachricht erst aus dem nordkoreanischen Staatsfernsehen. Ein Abgeordneter der regierenden Großen Nationalpartei sagte, es gebe trotz der strengen Geheimhaltung in Nordkorea "keine Entschuldigung" für das Versagen des Geheimdienstes.

Waffentest sorgt für Besorgnis
Für Besorgnis sorgte am Montag ein Waffentest der nordkoreanischen Streitkräfte. Laut Medienberichten wurde eine Rakete mit kurzer Reichweite zu Testzwecken an der Ostküste des Landes abgefeuert. Laut der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap gehen Regierungsbeamte offiziell nicht davon aus, dass der Start in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Tod des Herrschers stehe und Südkorea provoziert werden sollte. Nordkorea ist nach eigenen Angaben im Besitz von Atomwaffen.

Selbst China, der einzige Verbündete Nordkoreas, beobachtet den Machtwechsel in Pjöngjang mit Sorge. China teilt eine mehr als 1.000 Kilometer lange Grenze mit Nordkorea und wünscht daher keine Unruhen in seinem Nachbarland. Auch die militärischen Drohgebärden und nuklearen Ambitionen Pjöngjangs verfolgt Peking mit Unbehagen. Er hoffe, dass Nordkorea weiterhin einen "positiven Beitrag zum Erhalt des Friedens und der Stabilität auf der koreanischen Halbinsel und der Region" leisten werde, sagte ein Sprecher der chinesischen Regierung am Montag in einer ersten Kondolenzbotschaft.

Paris erschüttert über "das Leiden eines Volkes"
Die westeuropäischen Regierungen haben in ersten Reaktionen auf den Tod Hoffnung auf einen beginnenden Wandel in dem ostasiatischen Land anklingen lassen. Er hoffe sehr, dass das Volk in Nordkorea "eines Tages seine Freiheit finden" möge, erklärte der französische Außenminister Alain Juppé am Montag in Bordeaux. "Der Tod eines Menschen ist nie erfreulich, aber was mich erschüttert, ist das Leiden eines Volkes", so Juppé.

Schwedens Außenminister Carl Bildt erwartet eine erhebliche politische Unsicherheit auf der koreanischen Halbinsel. Bildt sagte im Stockholmer Rundfunksender SR: "Allein die Tatsache, dass man die Todesmeldung erst nach zwei Tagen zu veröffentlichen wagte, zeigt, wie unsicher die Lage in Nordkorea ist." Es gebe "große Fragezeichen" zur weiteren Entwicklung. "Ich meine, man sollte jetzt betont vorsichtig reagieren und die Lage genau beobachten." Die Europäische Union verfolge die Ereignisse in Nordkorea mit großer Aufmerksamkeit, ließ die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton mitteilen.

Tauwetter dank Internatserziehung in der Schweiz?
Möglicherweise könnte es aber gerade der europäische Einfluss sein, der in Nordkorea zumindest ein wenig Tauwetter bringt. Kim Jong Un soll einen Teil seiner Schulzeit in der Schweiz verbracht haben. Dort habe er das westliche Leben kennengelernt und die Freiheiten durchaus genossen (siehe Infobox). Doch selbst wenn Kim Jong Un Reformen anstreben sollte, so ist immer noch unklar, ob er sich gegen den gewaltigen Militärapparat durchsetzen kann.

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