„Krone“-Interview

Suzi Quatro: „Habe einen guten Bullshit-Detektor“

Wien
09.05.2023 07:00

Sie war Wegbereiterin für alle Frauen im Rock‘n‘Roll, steht für energetische Live-Performances, Ehrlichkeit und Bodenständigkeit - am 16. Mai kommt Kultmusikern Suzi Quatro mit allen Hits in die Wiener Stadthalle F. Im „Krone“-Interview gab sie uns Einblicke in ihr aufregendes Leben und erinnert sich an besondere Wien-Erlebnisse zurück.

„Krone“: Suzi, du bist nach Corona endlich wieder auf Tour und hast schon in Linz eine tolle Show geliefert. Am 16. Mai konzertierst du dann in der Wiener Stadthalle.
Suzi Quatro: Nach den Corona-Jahren ist es schön, wieder beschäftigt zu sein und im Sattel zu sitzen. Mit Juni führe ich diesen Job auf der Bühne nun seit 60 Jahren aus. Es war wirklich schwierig, zwei Jahre lang die Füße stillzuhalten. Ich hatte nach Ausbruch von Corona 2020 und 2021 je ein Konzert, mehr war nicht drin. Dafür hatte ich Zeit, das Studioalbum „The Devil In Me“ aufzunehmen, das 2021 erschien. Kein Album in meiner Karriere hat jemals so gute Kritiken eingeheimst wie dieses, also hat sich die Arbeit auf jeden Fall ausgezahlt. Ich habe versucht, so kreativ wie möglich zu sein.

Sprichst du da den Teufel in dir an? Musst du ihn manchmal frei lassen, um dich gut zu fühlen?
Eigentlich reicht der Albumtitel sehr weit zurück, weil es ein Spruch meiner Mutter war. Als ich ganz klein war, sagte sie immer: „Susan, du bist ein Engel. Aber nur solange, bis dir dein imaginärer Heiligenschein verrutscht und zur Schlinge um deinen Hals wird - dann wirst du zum Teufel.“ (lacht)

60 Jahre auf der Bühne und 50 Jahre Alben. 1973 erschien dein Debütwerk „Suzi Quatro“ und veränderte die Rockwelt. Woran erinnerst du dich noch, wenn du an diese Zeit zurückdenkst?
1964 begann ich mit meinen Schwestern in Detroit in Bands zu spielen. 1971 holte mich Produzent Mickie Most nach England, im Mai 1973 hatte ich dann mit „Can The Can“ meine erste Nummer eins. Mickie hat an mich geglaubt und nicht lockergelassen, aber ich habe schnell gemerkt, dass ich mich nur dann richtig wohlfühle, wenn ich in einer Band spiele. Als wir die dann zusammengesucht hatten, kam alles ins Rollen. Wir hatten einen Booking-Agenten, meine eigenen Songs wurden geschrieben und wir waren der Opening-Act von Slade. Zu dieser Zeit kreierten wir unseren eigenen Stil und Mike Chapman wurde auf mich aufmerksam. Er verfeinerte Suzi Quatro endgültig. Ich hatte dann über die Jahre immer wieder Veränderungen im Sound, aber „The Devil In Me“ war wie eine Rückkehr. Damit habe ich den Kreis zu früher geschlossen. Das sind die Einflüsse meines Sohnes, mit dem ich gearbeitet habe.

Mit dem eigenen Sohn zu arbeiten ist natürlich noch einmal etwas ganz anderes und sicher viel Emotionaleres. Vor allem dann, wenn er sich vielleicht für etwas entscheidet, wo du zurückstecken musst. Normal läuft das zwischen Mutter und Sohn ja umgekehrt …
Ich habe immer mit der Familie gearbeitet, deshalb war es für mich nicht schwer. Ich war mit meinen Schwestern anfangs in einer Band, mein Bruder und mein Vater waren auch Musiker. Mein Ex-Mann war mein Gitarrist. Für meinen Sohn war die Anpassung wahrscheinlich schwieriger als für mich. Ich kann das auch gut unterteilen. Wenn ich arbeite, dann arbeite ich. Komme was wolle. Wir sind beide sehr getrieben von unseren Ansichten und Meinungen. Er hat meine letzten zwei Alben, die neue Cover-EP „Uncovered“ und auch das kommende Duett-Album mit KT Tunstall produziert. Wenn er für etwas kämpft, dann hat er meist recht und lässt nicht nach. Woher er das wohl hat? (lacht) Wir respektieren uns gegenseitig aber sehr.

Einen guten Einblick in dein Leben gibt uns die 2019 erschienene Doku „Suzi Q“. Wie stark warst du selbst in der Entstehung involviert?
Sehr stark. Ich habe dem Regisseur gesagt, dass er freie Hand hat und ich nichts daran ändern werde, weil man Leben eben so verlief, wie es verlief. Selbst wenn sich für mich in der Rückschau etwas ungemütlich angefühlte, blieb es drinnen. Das ist aber auch der Grund, warum so viele Menschen die Doku lieben - sie ist grundehrlich.

Bereust du manche der ungemütlichen Situationen von früher?
Ich bereue nichts, was ich getan habe. Ich glaube daran, dass auch die schlimmen Dinge aus einem bestimmten Grund passieren und dass die Dinge nach einem gewissen Plan verlaufen. Wenn man Fehler macht, dann kann man aus ihnen lernen. Dazu sind sie da.

Du warst die wichtigste Wegbereiterin für Frauen in der Welt des Rock’n’Roll, aber du siehst dich selbst gar nicht so in dieser Rolle …
Ich habe nicht gewusst, dass ich diese Rolle einnahm. Ich habe das gemacht, was mich interessierte und habe mich für niemanden geändert oder verbogen. Ich hatte keine Ahnung, wie das ganze Geschäft funktioniert und habe einfach gemacht. Die Doku „Suzi Q“ hatte 2019 im Regent’s Theatre in London vor Publikum Premiere und ich wollte mich so gut wie möglich verstecken. Aber all die großen Frauen im Rock wie Debbie Harry, KT Tunstall, Chrissie Hynde, Kathy Valentine, Lita Ford, Joan Jett, Donita Sparks haben alle dasselbe zu mir gesagt: Sie hätten nicht einmal daran gedacht in dieses Business zu kommen, hätte es mich nicht gegeben. Dann habe ich den Film mit anderen Augen gesehen und das erste Mal geweint. Es hat mich wirklich berührt. Am nächsten Tag rief ich meine gute Freundin Cherie Currie an, die früher bei den Runaways sang. Ich erzählte ihr, dass ich durch mein bloßes Sein in diesem Business Frauen ermöglichte, in die Rockwelt einzutreten. Es folgte ein langes Schweigen und dann sagte sie: „Und das hast du jetzt erst verstanden?“ (lacht) Meine Theorie heute ist, dass das alles nur geklappt hat, weil nichts künstlich war und ich immer ich sein konnte.

So sehr für Authentizität wie du steht maximal noch der 2015 verstorbene Motörhead-Frontmann Lemmy Kilmister.
Lass es mich so ausdrücken - ich habe nie die Kunst des Bullshits erlernt. (lacht) Als ich klein war, habe ich mal etwas Blödes gemacht und meine Mutter sagte mir, ich wäre schuld. Ich stritt das ab, aber dann sah sie mich scharf an und meinte: „Susan, lüge nie wieder“. Sie meinte, man würde mir das Lügen sofort anmerken und könne es einfach nicht. (lacht) Mein Gesicht ist offenbar leicht zu lesen, aber durch diese wichtige Lektion habe ich nie mehr gelogen.

Man bekommt sehr gut mit, wie dein Leben und deine Karriere verlaufen sind. Wie überlebt man denn als ehrlicher und aufrichtiger Mensch im Musik- und Unterhaltungsbusiness, das nur so vor Oberflächlichkeiten strotzt?
Eine sehr gute Frage. Ich glaube daran, dass man immer mit den Leuten zusammentrifft, die so sind wie man selbst. Bist du sehr oberflächlich, dann werden sich auch solche Menschen um dich scharen. Bist du offen und ehrlich, dann hast du Umgang mit solchen. Die Idioten riechst du schon aus einer Meile Entfernung. Ich habe einen exzellenten Bullshit-Detektor. Die Musikindustrie ist ein Geschäft für große Egos und Blender, es tummeln sich wirklich viele Trottel darin. Wichtig ist aber, sie früh genug zu erkennen. Ich habe am Dachboden meines Hauses einen Ego-Raum. Dort befindet sich alles, was zu meiner Karriere gehört. Gitarren, Songtexte, Auszeichnungen, Pokale und noch viel mehr. Sobald ich diesen Raum verlasse und die Tür verschließe, sperre ich dort auch mein Ego weg. Damit bin ich bislang immer gut gefahren und so bin ich normal geblieben, wenn man das so sagen will.

Wie kommst du mit der heutigen Musikindustrie klar, wo du für Alben und neue Songs eigentlich kaum noch Geld kriegst und deine Einkünfte sich aus dem Touren zusammensetzen?
Es zerstört nicht meine Motivation, denn „The Devil In Me“ wurde von den Leuten und den Kritikern wirklich geliebt. Es wäre nur schön, würde für all das Lob auch ein bisschen Geld abfallen. Natürlich verdienen wir noch mit Alben und Streaming, aber viel zu wenig. Das wird dir jeder Musiker sagen, denn der Künstler ist am untersten Ende der Nahrungskette. Selbst die großen Künstler kommen da teilweise ins Straucheln und es ist klar, dass wir an diesem System langfristig etwas verändern müssen. So schafft sich das Musikbusiness früher oder später selbst ab.

Gab es einmal eine Phase in deiner Karriere, wo es mit der Motivation schwierig war?
Aus dem Tritt gekommen bin ich nur, als meine Ehe in die Brüche ging und ich damit zu kämpfen hatte, weil wir ja auch gemeinsam in einer Band waren. Ich brauchte ein bisschen Zeit, um mich zu finden, aber ich bin dann wieder auf den Zug aufgesprungen. Zum Leben gehören auch Rückschläge und Enttäuschungen dazu. Das trifft jeden - früher oder später.

Du lebst aktuell teilweise in Hamburg und teilweise im britischen Essex.
Korrekt. Das haben mein Mann Rainer Haas und ich 1993 so gemacht, als wir heirateten und nie mehr geändert. Ich hatte zwei Kinder von meiner vorigen Ehe und die Mutter meines Mannes, die unlängst leider verstarb, wollte ihren Sohn auch sehen. Es hat Sinn gemacht, zwischen zwei Stationen zu pendeln und wir haben das immer beibehalten.

Geboren bist du in Detroit, was sehr viele übersehen, weil du schon fast 50 Jahre lang in Europa bist. Kannst du ein richtiges Zuhause insofern überhaupt genau definieren?
Detroit ist mein spirituelles Zuhause. Ich bin das Mädchen aus Detroit Rock City und bin ich dort, dann befinde ich mich in meinem Herzen. In England lebe ich seit 1980 und es ist mein physisches Zuhause, Hamburg kam ein paar Jahre später dazu. Ich bin sehr glücklich dort, aber es ist in erster Linie das Zuhause meines Mannes.

Am 16. Mai kommst du für eine Show in die Wiener Stadthalle F, wo du kurz vor Ausbruch von Corona im Februar 2020 auch auf der Bühne warst. Erinnerst du dich sonst noch an besondere Erlebnisse hier?
In erster Linie freue ich mich natürlich auf ein Wiener Schnitzel. Ich liebe es wirklich sehr. Aber eine besondere Story vergesse ich nie. 1974 oder 1975 spielte ich in der Staatsoper und wir wurden bei der Anreise ewig lange an der Grenze festgehalten. Es blieben uns dann noch ungefähr 45 Minuten, bis die Konzerttüren geöffnet wurden und die ersten Gäste kamen, also habe ich selbst Hand angelegt und geholfen, den ganzen Krempel vom Truck auf die Bühne zu schleppen. The Show Must Go On! (lacht)

Zudem kommt ja auch noch ein Duett-Album mit KT Tunstall, wie du vorher verraten hast …
Jetzt habe ich gerade meine Cover-EP „Uncovered“ veröffentlicht. Darauf sind sechs meiner Lieblingssongs zu finden, die ich sehr sorgfältig gewählt habe. Es wird eine exklusive Nacht geben, wo ich diese Songs live spiele - nur einmal. Auf Tour spiele ich nur eine Nummer, „Bad Moon Rising“ von Creedence Clearwater Revival, alle anderen hebe ich mir für diesen Anlass auf. Die erste Single mit KT kommt auch bald raus. Eine magische Nummer, die ganz großartig ist. Manchmal passieren solche Dinge. Mein Sohn und ich arbeiten auch gerade an Musik an meinem nächsten Studioalbum. Ansonsten arbeite ich noch an Filmmusik und wir haben eine eigene Produktionsfirma. Mir wird nicht fad. Ich bin bald 73 und bekomme derzeit die besten Konzertkritiken meines Lebens. Ich hinterfrage das auch nicht, sondern bin einfach dankbar dafür. Auf der Bühne gebe ich immer bewusst mein Alter preis, weil ich sehr stolz darauf bin.

Live in Wien
Am 16. Mai konzertiert Suzi Quatro wieder in der Wiener Stadthalle F und präsentiert neben ihrem gelobten aktuellen Album „The Devil In Me“ natürlich auch alle großen Hits aus gut 50 Jahren Karriere. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten für das Rock-Highlight des Monats.

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