Privatisierungen

ÖVP will OMV, Post und Telekom zur Gänze verkaufen

Österreich
05.09.2011 13:34
Wird das letzte Familiensilber der Republik Österreich auf den Markt geworfen? Derzeit hält der Staat über die ÖIAG noch Anteile an OMV, Post und Telekom Austria. Im Regierungsübereinkommen zwischen SPÖ und ÖVP ist keine weitere Privatisierung vorgesehen. Nichtsdestotrotz will die ÖVP die Staatsanteile so schnell wie möglich zur Gänze verkaufen. SPÖ und FPÖ sind vehement gegen einen Totalausverkauf, die Grünen vermuten gar ein Ablenkungsmanöver von der Telekom-Affäre.

"Telekom, Post, OMV könnten sofort privatisiert werden", deponierte ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf den jüngsten Privatisierungswunsch seiner Partei in einem Interview mit dem "WirtschaftsBlatt". Es gebe genügend Privatisierungspotenzial im nicht infrastrukturellen Bereich, ist Kopf überzeugt. Derzeit hält der Staat an der Post 53, an der Telekom 28 und an der OMV 32 Prozent und kassiert dafür kräftig Dividende. Im Vorjahr lieferte die Staatsholding ÖIAG, die diese Staatsanteile verwaltet, 244 Millionen Euro an den Staat ab.

SPÖ, FPÖ und Grüne gegen Anteile-Ausverkauf
Die SPÖ warnte bereits in der Vergangenheit vor weiteren Privatisierungen als "Verschleuderung von Staatsvermögen" und erinnerte an die Einnahmen, die der Staat durch seine Beteiligungen hat. Dem neuen Vorstoß von Kopf können die Sozialdemokraten deshalb erwartungsgemäß nichts Positives abgewinnen.

Ein klares Nein von der SPÖ gibt es auch für die Gründung einer Infrastruktur-ÖIAG, wie sie der Koalitionspartner erneut ins Spiel gebracht hat. ÖBB und Asfinag würden ihren "Kurs ohne Einbeziehung in die krisengeschüttelte ÖIAG fortsetzen", reagierte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter auf den Vorstoß von ÖVP-Klubobmann Kopf.

FPÖ: "Geradezu grotesk"
Gegen den Verkauf von weiteren Staatsanteilen sprach sich auch die FPÖ aus. Die gewinnbringenden Anteile zu verkaufen, bedeute, zukünftig auf diese Einnahmen zu verzichten. Generalsekretär Herbert Kickl erinnerte die ÖVP an die Zeit unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. "Es sei geradezu grotesk, wenn angesichts der in der Ära Schüssel von der ÖVP abgewickelten Deals samt im Raum stehender Malversationen jetzt der Vorschlag zu weiteren Privatisierungen aus der ÖVP komme", so Kickl.

Die Grünen vermuten hinter Kopfs Privatisierungs-Vorstoß ein Ablenkungsmanöver von der Affäre rund um die Telekom Austria. "Es gibt derzeit überhaupt keinen Bedarf für eine Privatisierungsdebatte. ÖVP-Klubobmann Kopf bricht die Debatte vom Zaun, um vom schwarz-blauen Korruptionssumpf und insbesondere vom Telekom-Desaster abzulenken", so die Einschätzung von Werner Kogler, stellvertretender Bundessprecher der Grünen.

Privatisierungen keine Allzweckwaffe
Vom Potenzial weiterer Privatisierungen dürften aber auch innerhalb der ÖVP nicht alle gänzlich überzeugt sein. So hatte etwa Kopfs Parteikollege, Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, Ende Juli zu bedenken gegeben, dass er Privatisierungen zwar grundsätzlich positiv gegenüberstehe, "eine Allzweckwaffe gegen die Staatsverschuldung sind sie aber schon von der Größenordnung her nicht". Dazu komme laut Mitterlehner ein psychologischer Effekt: "Privatisierungserlöse verstellen oft den Blick auf die Notwendigkeit, das Budget strukturell zu sanieren."

Die Gewerkschaften hatten schon zu Beginn des Sommers ihre Ablehung deutlich gemacht und weiteren Privatisierungen den Kampf angesagt. Sollte es zur "Verschleuderung" von weiteren Staatsanteilen bei Post oder Telekom kommen, "werden wir uns so wehren, dass das an den Unternehmen nicht spurlos vorübergeht", so die Drohung des Post-Gewerkschaftschefs Helmut Köstinger bei seinem Amtsantritt im Juni.

Modellrechung zeigt Milliarden-Entgang
Arbeiterkammer und ÖGB, beide ebenfalls vehement gegen neue Privatisierungen, hatten in der Vergangenheit eine Modellrechnung angestellt, um die negativen Auswirkungen deutlich zu machen: Seit 1996 seien Anteile der drei ÖIAG-Unternehmen OMV, Post und Telekom Austria verkauft und damit Erlöse erzielt worden, die 500 Millionen Euro an (theoretischen) Zinsersparnissen ermöglicht hätten. Gleichzeitig seien der ÖIAG aus diesen Verkäufen aber anteilige Gewinne in Höhe von 1,7 Milliarden Euro entgangen, so die Rechnung von AK und ÖGB.

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