Stell dir vor, es gibt eine Fan-Zone - und keiner geht hin! Ein Park, in dem die Einsamkeit regiert.
Michael Roche liest aus seinem Buch „Zwölf Stunden – Geschichten der Gold-Tage“. Vor ihm sitzen erst vier, später nur noch drei Leute. Sie scheinen noch unschlüssig, ob sie das Werk um 14,99 Euro anschließend nach Hause nehmen werden.
Viel ist auch an diesem Abend nicht los im WM-Dorf.
Vor der leeren Bühne schmelzen drei ehemals prachtvolle Eisskulpturen vor sich hin. Bald werden nur noch drei Wasser-Pfützen zu sehen sein. Kaum jemand wird sich an ihren Glanz erinnern.
Unten im finsteren Tal
Das WM-Dorf wurde in Brides-les-Bains errichtet. Dort, wo man die meisten Medien-Mitarbeiter einquartiert hat. Ein gutes Dutzend Kilometer von den beiden WM-Orten Méribel und Courchevel in luftiger, sonniger Höhe entfernt. Unten im finsteren Tal, nahe der großen Therme und dem Fluss Doron de Bozel.
Man hat sich viel angetan. Es ist ein schönes WM-Dorf. Mehr als zehn geräumige Zelte sind’s, manche mit Gastwirtschaften. Eine international bekannte Griller-Marke lässt’s überm Feuer brutzeln, man kann sich mit Käsefondue den Magen vollhauen. Oder auch Austern schlürfen.
Bands hatten sich auf der schönen Bühne angekündigt, auf einem Kran dreht sich munter eine Disco-Kugel – und die große Tanzfläche bietet richtig viel Platz.
Nur einen Fehler hat dieses WM-Dorf: Es ist keiner gekommen!
Händewärmen beim Grill
Okay, manchmal standen eine Handvoll Mitarbeiter beim Grill zusammen und wärmten sich die Hände, wenn die Nacht die Temperaturen wieder in den Minusbereich zog. Oder tobten ein paar Kinder über die leere Tanzfläche, bevor die Mutter sie zum Heimgehen mahnte. Oder ließen sich Spaziergänger von der Atmosphäre der Leere unter Lichtgirlanden einfangen.
Bonjour Tristesse.
Warum dieses WM-Dorf im Tal keine Fans gefunden hat? Vielleicht weil es eben weit weg von den Wettkämpfen ist, vielleicht weil sich kaum jemand nach Brides-les-Bains verirrt, vielleicht weil jede noch so glänzende Medaille auch eine Kehrseite hat.
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