Ausbootung beim ÖFB

Baumgartlinger: „Kein Umgang, schwer zu ertragen“

Fußball International
09.12.2022 06:00

Er absolvierte 84 Länderspiele, führte Österreich jahrelang als Kapitän an, kämpfte sich nach seinem Kreuzbandriss im Jänner 2021 nach einem langen Leidensweg wieder zurück und hat auch mit 34 Jahren bei Augsburg noch lange nicht genug - Julian Baumgartlinger ist zurück! Allerdings nicht mehr im Nationalteam, zuletzt stand er bei Ralf Rangnick immerhin bzw. „nur“ noch auf Abruf. Einer kleinen Medienrunde, darunter die „Krone“, stand der Routinier jetzt Rede und Antwort. Offen und ehrlich, aber mit Anstand und Stil. So sprach Baumgartlinger über...

... seine Ausbootung beim ÖFB:
Die letzten eineinhalb Jahre waren nicht einfach für mich, allgemein als Fußballer. Es war schwer zu verdauen, von heute auf morgen einfach weg zu sein, in keinen Überlegungen eine Rolle zu spielen. Es tut weh. Ich hätte es mir gewünscht, dass es mir klar kommuniziert worden wäre, von den Leuten, die ich lange kenne und nicht von einem gerade erst ernannten Co-Trainer. Aus sportlicher Sicht kann ich es akzeptieren, so ist das Geschäft, die harte Realität.

... Chancen auf ein Teamcomeback:
Rein rational ist das fast abgeschlossen für mich. Ich denke nicht, dass es noch einmal eine Möglichkeit gibt, dass die Abrufliste für mich eine Relevanz bekommen kann. Emotional habe ich nicht abschließen können, es hat ja keinen richtigen Schluss gegeben. Es war von heute auf morgen aus. Das ist das, was hängen bleibt. Ich hätte gerne einen sportlichen Abschluss beim Nationalteam gehabt.

... den beim ÖFB abgesägten Aleksandar Dragovic.
Bei mir ist es aus nüchterner Sicht, bei einem neuen Teamchef, der mich nicht kennt, sich anders ausrichtet, ja noch verständlich. Aber beim Drago ist es eine andere Situation, von außen schwer zu ertragen. Nach dem 100. Länderspiel, einer sehr guten EM und einer guten Saison von Roter Stern Belgrad abgesägt zu werden, nichts anderes war es, das ist kein Umgang, den er verdient hat. Selbst wenn es sportlich zu begründen ist, es gibt noch mehr als nur das Sportliche. Nicht schön, wie das abgelaufen ist.

... ein mögliches Abschiedsspiel:
In meiner aktiven Zeit, war ich immer ansprechbar für den ÖFB, gerade wenn es Probleme gegeben hat. Ich habe immer versucht, alles für den ÖFB, für meine Mannschaft zu geben. Im Frühjahr, als ich gerade wieder fit geworden bin, hätte mir eine Einberufung gut getan, auch ohne zu spielen. Ich wäre auch demütig hingefahren. Aber jetzt war lange Funkstille. Aber wenn noch jemand an mich herantritt, wäre es ein Zeichen von Wertschätzung. Ich will es aber nicht größer machen, als es ist. Ich nehme mich nicht so wichtig, will und werde für mich einen emotionalen Abschluss finden. Ob mit dem ÖFB zusammen oder für mich selbst, wird man sehen.

... die Entwicklung des Teams:
Die Peaks etwa beim Sieg in Kroatien oder gegen Italien sind bemerkenswert, spiegeln das Potential des Teams wider. Das hat es aber auch schon in der Vergangenheit gegeben. Man sieht, was das neuformierte Team leisten kann, danach wird jetzt gemessen werden. Die Ausrichtung ist klar. Wenn man in Ruhe weiterarbeitet, ist viel möglich.

... strukturelle Probleme beim ÖFB und das Trainingszentrum in Aspern:
Das Trainingszentrum in Aspern ist wichtig. Ich bin neugierig, ob es umgesetzt wird. Wir reden immer zwei, drei, vier, fünf Jahre drüber. Gerade wenn man sieht, was für eine Generation nachkommt, wäre es wichtig, das schnell umzusetzen. Um schneller handlungsfähig zu werden, müsste natürlich eine kleine Reform her, aber ich glaube nicht, dass die am Horizont ist.

... die Kritik an der WM in Katar:
Die Moralfrage hätte man nicht einen Monat vor der WM sondern bei der Vergabe stellen müssen. Jetzt wird Druck auf das schwächste Glied, die Spieler, ausgeübt. Das ist ein Stückweit Alibi. 2010 wäre der Punkt zum Einhaken gewesen. Die UEFA ist ein starker Verband, das hätte man entschlossen angehen müssen. Falls man es damals auch so gesehen hat. Da hat sich jetzt in den zwölf Jahren in der kritischen Auseinandersetzung mit Menschenrechten, Gleichberechtigung und Nachhaltigkeit viel getan. Dass es nicht sinnvoll ist, dort Stadien hinzuknallen, hat man allerdings damals auch schon gewusst.

.... die sportlichen WM-Erkenntnisse:
Die Gruppenphase hat gezeigt, wie die anderen Nationen von den anderen Kontinenten ausgeholt haben. Aber es wird Favoritensiege geben. Es gibt einen Grund, warum die Top-Nationen da stehen, wo sie sind. Ich freue mich auf die Spiele. Frankreich gegen England wird interessant in Blickrichtung Finale. Ich freue mich auf die Spiele mit diesen Rivalitäten.

...seinen Antrieb nach der schweren Verletzung und Rücktrittsgedanken im Sommer, da er drei Monate ohne Verein da stand:
Mein Sturheit, dieser Wille, noch einmal zurückzukommen, hat mich angetrieben. Ich war noch nicht fertig, hatte nicht das Gefühl, dass ich genug vom Fußball habe. Vor einem Jahr gab es aber schon Moment der Leere. Da bin ich in der Reha extrem gestanden, da habe ich mir nach der zweiten Knie-OP binnen eines Jahres kurz die Sinnfrage gestellt. Ich habe oft gehört, mit 34 Jahren kannst eh aufhören. Das ist mir schnell zum Hals rausgehangen. Ich wollte es mir selbst beweisen. Die Blödheiten in der Kabine mit den Mitspielern haben mir auch gefehlt. Ich habe den Spaß, die Leidenschaft für meinen Job noch gespürt, wollte es mir selbst beweisen. Mich interessiert der Sport einfach, auch taktisch.

... seine Zukunft, da der Vertrag in Augsburg im Sommer ausläuft:
Das ist dennoch jetzt eine schöne Situation. Ich habe ein Umfeld, eine Kabine gefunden, wo es mir sehr viel Spaß macht. Es fühlt sich gut an, mein Körper funktioniert sehr gut, ich freue mich auf die Rückrunde. Jetzt habe ich die Selbstbestimmung, die ich mir gewünscht habe. Auch wenn jetzt auf uns mit Augsburg der Abstiegskampf wartet.

.... seine Pläne nach der aktiven Karriere:
Wir werden uns familiär zwischen München und Salzburg niederlassen. Ich möchte definitiv im Fußball bleiben. Das hat sich in den letzten eineinhalb Jahren für mich herauskristalisiert, wenn man verletzt und vereinslos ist, stellt man sich zwangsläufig die Frage. Ich will den Sport nicht hinter mir lassen. Ich habe auch noch viel zu geben in dem Bereich. Was genau, wird sich heraustellen. Ich finde auch den Jugendbereich spannend. Da kann man Werte und Orientierung mitgeben. Ich will etwas machen, wo man beides machen kann, gewinnen und entwickeln.

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