War es Mord?

Leonie-Prozess: Berührende Worte am letzten Tag

Gericht
02.12.2022 11:02

Sechs Prozesstage später wird im Fall der getöteten 13-Jährigen am Freitag ein Urteil erwartet. Die drei angeklagten Afghanen kamen zu Wort, Gutachter schilderten ihre Sicht und Zeugen wurden gehört. Angeklagt ist Vergewaltigung mit Todesfolge. Im Ernstfall drohen 20 Jahre bis lebenslange Haft. Die drei Afghanen sollen das Mädchen unter Drogen gesetzt haben, um sie zu vergewaltigen. An der Überdosis starb Leonie dann. Die Geschworenen müssen nun entscheiden, ob es nicht doch Mord war. Für einen berührenden Moment sorgten die Worte von Leonies Eltern.

„Leonie hat sich den Angeklagten völlig sorglos anvertraut, um eine Nacht von zu Hause auszubrechen, und das wurde von ihnen für ihre eigene Lust ausgenutzt“, fasst die Staatsanwältin an Tag eins des Prozesses die Nacht von 25. Juni auf 26. Juni 2021 zusammen.

Sieben Ecstasy-Tabletten waren letal
Die Nacht, die Leonie zum Verhängnis wurde. Sie soll mit den drei Afghanen in die Wohnung des Zweitangeklagten gegangen sein. Dort hätten sie dem Mädchen sieben Tabletten Ecstasy - genau MDA - in ihr Getränk gemischt. Nachdem die Wirkung der Drogen eingesetzt hatte, sollen alle drei die 13-Jährige vergewaltigt haben. Dazu gibt es ein Video, das am dritten Prozesstag unter Ausschluss der Öffentlichkeit gezeigt wurde. Danach herrschte unter den Geschworenen und auch Gutachtern betroffene Stille.

Trotz der bedrückenden Beweislage in Form des Videos, eindeutigen DNA-Spuren und Zeugenaussagen bekennen sich die Angeklagten zu der Vergewaltigung mit Todesfolge nicht schuldig. Zwar wollen alle drei sexuellen Kontakt mit der 13-Jährigen gehabt haben, das aber ausnahmslos einvernehmlich. Das gibt auch der Zweitangeklagte im Laufe des Prozesses zu.

War es Mord?
Am letzten Verhandlungstag halten die Verteidiger Wolfgang Haas, Thomas Nirk und Andreas Schweitzer ihre Schlussplädoyers. Zum ersten Mal im Prozess kommen auch die Privatbeteiligtenvertreter Florian Höllwarth und Johannes Öhlböck zu Wort. Danach müssen die Geschworenen über Schuld und Strafe entscheiden. Und ob es sich nicht doch um Mord handelt.

„Wir stehen am Ende eines langen Beweisverfahrens“
Nach einer kurzen Verzögerung - wie am ersten Tag fehlt eine Geschworene - startet unter großem Medieninteresse der Urteilstag im Fall Leonie. Zuerst spricht die Staatsanwältin: „Wir stehen nun am Ende eines langen Beweisverfahrens. Widersprüche hat es aus meiner Sicht zahlreiche gegeben. Es hat mich stellenweise fassungslos gemacht, was die Angeklagten von sich gegeben haben.“

Dann lässt sie den Prozess Revue passieren. Wie der Erstangeklagte angab, er hätte Geschlechtsverkehr mit Leonie gegen Geld gehabt. „Da ist ihm in der Auslieferungshaft in Großbritannien nichts Besseres eingefallen als diese entwürdigende Version“, so die Staatsanwältin empört. Der damals 22-Jährige war nach der Tat nach London geflüchtet.

Toxikologisches Gutachten ebnete Weg für Mordfrage
Auch die Verantwortungen der zwei weiteren Afghanen hält sie für Schutzbehauptungen. „Leonie wurde brutal von allen drei vergewaltigt. Darin besteht kein Zweifel. Von einvernehmlichem Geschlechtsverkehr zu sprechen, ist eine Verhöhnung des Opfers.“ Das zeigt auch das gynäkologische Gutachten. Festgestellte Verletzungen können nur von einer Vergewaltigung stammen. Außerdem: „Laut toxikologischen Gutachten hatte Leonie eine dreifach tödliche Dosis von MDA im Körper. Eine dreifach tödliche Dosis!“

Das sei für die Staatsanwaltschaft ein Zeichen für einen Mordvorsatz. Deswegen auch die festgelegte Eventualfrage nach Mord. Für die angeklagte Vergewaltigung mit Todesfolge reiche nämlich eine Fahrlässigkeit. Für eine Mordverurteilung braucht es aber einen Vorsatz: „Es ist dem Täter egal, ob das Opfer stirbt.“

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Es hätte eine symbolische Wirkung. Es soll zeigen, dass Frauen und Mädchen kein Freiwild sind. Es soll zeigen, dass man Mädchen nicht einfach in eine Wohnung locken und vergewaltigen kann.

Staatsanwältin zu der Eventualfrage Mord

Die Staatsanwältin betont noch einmal, dass sich am Strafrahmen bei einer Verurteilung wegen Mordes nichts ändern würde. Sie fordert: „Keine Strafe kann Leonie zurückbringen. Keine Strafe kann sie ihrer Familie zurückbringen. Es ist nur eine Strafe möglich - und zwar die Höchststrafe!“ Bei dem Erstangeklagten geht es hier um lebenslange Haft. Dem Zweit- und Drittangeklagten, die zum Tatzeitpunkt unter 21 Jahre alt waren, drohen 20 Jahre Haft.

Opfervertreter appelliert an Verantwortung der Geschworenen
Eine Mordverurteilung fordern auch die Opfervertreter der Familie Florian Höllwarth und Johannes Öhlböck. „In Österreich haben Frauen Rechte und das kann ihnen niemand nehmen“, sagt Höllwarth nachdrücklich. Er erinnert die Geschworenen an ihre Verantwortung, die sie gegenüber allen Frauen und Mädchen hätten, die Gewalt erfahren haben und nicht die Gelegenheit oder den Mut hatten, Gerechtigkeit zu fordern.

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Als wir am 27.06.21 erfahren haben, dass Leonie tot ist, ist eine Welt für mich zusammengebrochen. Es war plötzlich alles anders. Eine unendliche Leere, ich wollte eigentlich nur tot sein, damit ich diese Hölle auf Erden nicht mehr ertragen muss.

Papa von Leonie in Form eines Briefes

Fotos der 13-jährigen Leonie auf Flipchart gezeigt
Dann steht Johannes Öhlböck auf. Er hat ein Flipchart in den Gerichtssaal gebracht, teilte vor dem Beginn des Verhandlungstages einen Flyer aus. Der Vater von Leonie hätte ihn gebeten, Fotos seiner Tochter zu zeigen und einen Brief vorzulesen. „Als wir am 27.06.21 erfahren haben, dass Leonie tot ist, ist eine Welt für mich zusammengebrochen. Es war plötzlich alles anders. Eine unendliche Leere, ich wollte eigentlich nur tot sein, damit ich diese Hölle auf Erden nicht mehr ertragen muss.“ Kaum jemand im Gerichtssaal bleibt von diesen Worten unberührt.

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Ihre Schuld werden sie nicht los, aber sie hätten wenigstens die Würde haben können, uns die Wahrheit zu sagen.

Mutter der 13-jährigen Leonie

Auch erwähnte Johannes Öhlböck Leonies Mutter. Vor dem letzten Prozesstag hätte er noch mit ihr gesprochen. „Ihre Schuld werden Sie nicht los, aber Sie hätten wenigstens die Würde haben können, uns die Wahrheit zu sagen“, sagte die Mama über die drei angeklagten Afghanen, die ihr ihre Tochter genommen haben sollen.

Sachliche Plädoyers der Verteidiger: „Emotionen helfen nicht“
Die Emotionen, die sowohl die Staatsanwältin als auch die Vertreter der Angehörigen von Leonie geschaffen haben, bittet der Verteidiger Wolfgang Haas beiseite zu lassen. „So schwer das im Einzelfall auch sein mag“, muss der Anwalt der Erstangeklagten aber zugeben. Er fordert die Geschworenen auf, die gestellten Fragen zur Urteilsfindung einfach der Reihe nach zu beantworten. Und spricht sich natürlich gegen den Mordvorsatz aus: Haas betont, dass die 13-Jährige eindeutig behauptete, sie sei über 14 Jahre alt. Außerdem hätten Reanimationsversuche durch die Angeklagten stattgefunden - das sagt auch ein Gutachten. Damit sei für Wolfgang Haas kein Tötungsvorsatz gegeben.

Auch die Verteidiger des 19- und 20-jährigen Afghanen halten ihre Schlussvorträge sachlich. Thomas Nirk, der Anwalt des zweiten Angeklagten, betont gleich am Beginn: „Der vorliegende Sachverhalt ist überhaupt nicht leicht. Emotionen helfen in diesem Fall aber nicht.“ Die Geschworenen hätten die Aufgabe, Gerechtigkeit zu schaffen. Es müsse jeder Angeklagter als Einzelner bewertet werden. Er räumt aber auch die Grausamkeit der Tat ein und spricht über das Video: „Das war kein Sex-Video. Das war ein Schrei nach Hilfe von dem Mädchen.“

Geschworene müssen bewerten: „Wer hat was gemacht?“
Auch Anwalt Sebastian Lesigang, der zusammen mit Andreas Schweitzer den Drittangeklagten verteidigt, ersucht die Geschworenen, Einzelbewertungen der Afghanen vorzunehmen. Die Verantwortung seines Mandanten sei nämlich schlüssig und glaubhaft: Er wäre der Freund von Leonie gewesen, hätte einvernehmlichen Geschlechtsverkehr mit ihr gehabt und wäre dann eingeschlafen. Von den Drogen hätte er überhaupt nichts gewusst. „Sie müssen sich hier ein Bild machen: Was hat wer gemacht? Nicht zu dem, was sie gemeinsam gemacht haben“, so Lesigang.

Mordverurteilung klinge nur reißerischer
Danach kommt sein Kollege und Co-Verteidiger Andreas Schweitzer zu Wort. Seine erste Frage in den Raum: „Wer kennt den Fall seit 26.6.2021?“ Er zielt auf die ausführliche mediale Berichterstattung und Politisierung des Falles Leonie ab. „Es ist deswegen schwer, hier nicht mit Emotionen vorzugehen. Urteile werden aber immer noch in den Gerichten gemacht und nicht in den Medien“, erinnert Schweitzer. Außerdem kritisiert er die Opfervertreter scharf, welche von Anfang an eine Mordanklage forderten. Es würde nur reißerischer klingen, Beweise gebe es aber nicht ausreichend. Andreas Schweitzer und Wolfgang Lesigang fordern für ihren Mandanten einen Freispruch.

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Ich entschuldige mich dafür, was passiert ist. Hätte ich gewusst, dass das passiert oder dass ich falsche Freunde habe, hätte ich sie nie dort hingebracht.

Die letzten Worte des drittangeklagten 20-Jährigen im Prozess um die getötete 13-Jährige

Das letzte Wort haben immer noch die Angeklagten
„Möchten Sie noch etwas sagen“, spricht die Richterin das erste Mal an diesem letzten Verhandlungstag die angeklagten Afghanen an. Alle drei bedauern was passiert ist, hätten keinen Vorsatz gehabt und nie gewollt, dass jemand stirbt. „Ich entschuldige mich dafür, was passiert ist, hätte ich gewusst, dass das passiert oder dass ich falsche Freunde habe, hätte ich sie nie dort hingebracht“, so der Drittangeklagte mit gesenktem Kopf.

Die Richterin schließt die Verhandlung, die Angeklagten werden von Justizwachen abgeführt und die Geschworenen ziehen sich gegen Mittag zur Beratung zurück. Ein Urteil wird für den Abend erwartet.

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