Neues Buch

TCM: Ganz im Einklang mit der Natur leben

Burgenland
06.10.2022 14:00

Georg Weidinger, Allgemeinmediziner, TCM-Arzt und Wahl-Burgenländer, verbindet in seinem neuen TCM-Reihenband „Raus aus der Depression“ erstmals östliche und westliche Heilungsansätze. 

Jeder vierte Mensch in Europa leidet laut WHO unter Depressionen. Nicht zuletzt pandemiebedingt sind Depressionen zu einer Volkskrankheit geworden. Während rein medikamentöse Behandlungen oft vorwiegend Symptome bekämpfen, werden die Rufe nach einer ganzheitlichen Medizin, die Körper und Psyche als Einheit betrachtet, immer lauter. Georg Weidinger, Präsident der Österreichischen TCM-Gesellschaft, sprach mit uns über praxisnahe Anleitungen zur Selbsthilfe, um Depressionen zu überwinden und wieder zurück in ein freudvolles Leben zu finden.

„Krone“: Herr Dr. Weidinger, Sie sind Präsident der OGTCM, der Österreichischen Gesellschaft für Traditionelle Chinesische Medizin und zeigen in Ihren Büchern die Funktionsweise der TCM in Verbindung mit Schulmedizin anhand Ihrer persönlichen Erfahrungen verständlich auf. Wie erklärt man einem Laien, was TCM eigentlich bedeutet?
Georg Weidinger: TCM bedeutet „Traditionelle Chinesische Medizin“ und umfasst die gesamte Medizin Chinas bis etwa 1900. Dann hat der Westen zunehmend Einfluss in China gewonnen, auch in der Medizin. Das ging so weit, dass Anfang des 20. Jahrhunderts die alte Medizin Chinas verboten wurde, da man sie in Zusammenhang gebracht hat mit der alten Tradition des Kaiserreiches, welche man ja loswerden wollte. Erst Mao Zedong hat 1950 die Chinesische Medizin wieder eingeführt, aber nicht, weil er daran geglaubt hat, sondern weil er Ärzte brauchte. „Jedem Chinesen seinen Arzt“, hat er proklamiert. Am liebsten hätte er lauter westliche Ärzte gehabt. Aus der Not heraus führte er eine verkürzte Ausbildung zum Arzt ein mit Chinesischer Medizin. Erst, als China sah, dass der Westen begeistert war von dieser alten Medizin, haben sie die Medizin unter der Trademark „TCM“ landesweit wieder eingeführt und erfolgreich exportiert… Ich spreche lieber von „ICM“, der „Integrativen Chinesischen Medizin“, welche die moderne Medizin des Westens berücksichtigt, ohne die altbewährte Medizin Chinas zu vergessen. Insofern ist die heutige chinesische Medizin eine sehr moderne Medizin, die das Glück hat, auf eine über zwei tausend Jahre alte Tradition zurückzublicken.

„Krone“: Sie haben Medizin und Psychologie, sowie Traditionelle Chinesische Medizin studiert und plädieren für eine ganzheitliche Medizin, die Körper und Psyche nicht trennt. Wieso werden hier überhaupt Grenzen gezogen, welche Probleme entstehen dadurch, und wie könnte man Ost und West vereinen?
Georg Weidinger: Die Medizin ist in fast allen Medizinsystemen der Welt ganzheitlich, wie in der TCM, dem Ayurveda, der indianischen oder arabischen Medizin. Nur unsere westliche Medizin trennt strikt Körper von Psyche. Das hat wohl mit unserem naturwissenschaftlichen Zugang der Welt zu tun: Was ich nicht sehe, gibt es nicht. Was ich nicht beweisen kann, existiert nicht. Naturwissenschaftlich sind Gefühle schwer zu erfassen. Ich kann vermehrte Gehirnströme bildgebend darstellen, ich kann die Zunahme von Neurotransmittern im Gehirn nachweisen, aber damit weiß ich noch nicht, wie genau sich jemand fühlt und wie sehr er unter bestimmen Gegebenheiten leidet. Ohne Körper gibt es keine Psyche und ohne Psyche keinen Körper. Wie wollen Sie glücklich und sorgenfrei sein, wenn Sie sich in Ihrem Körper nicht wohlfühlen, wenn Sie zum Beispiel unter Schmerzen leiden, keine Luft bekommen, ein Engegefühl in Ihrem Brustkorb erleben oder Ihnen das Essen schwer im Magen liegt? Die Chinesische Medizin behandelt emotionale Probleme immer über den Körper. Wir teilen jede Emotion einem bestimmten Organ zu, zum Beispiel die Angst der Niere, die Trauer der Lunge. Stärke ich die Niere zum Beispiel mit chinesischen Kräutern oder Akupunktur, verschwindet die Angst, stärke ich die Lunge, verschwindet die Trauer. Und die Chinesische Medizin lehrt uns, wie man mit Gefühlen umgehen soll: Alle Emotionen sollen sich die Waage halten. Heftige Gefühlsausbrüche sollen vermieden werden. Hier setzen QiGong, Tai Chi oder die Meditation an.

„Krone“: In Ihrer Praxis begegnen Sie tagtäglich Patienten mit den unterschiedlichsten Problemen. Ihr neues Buch trägt den Titel „Raus aus der Depression durch die Heilung der Mitte“. Was sind, auch in Hinblick auf die vergangenen anderthalb Jahre, derzeit die Hauptauslöser für psychische Erkrankungen, und welche Folgen können diese für unseren Körper haben?
Georg Weidinger: Depression ist ein Zustand, der meist durch Niedergeschlagenheit, Erschöpfung und Perspektivenlosigkeit charakterisierbar ist und oft mit körperlichen Beschwerden wie Magen-Darmbeschwerden, Schlaflosigkeit oder Panikattacken vergesellschaftet sein kann. Manchmal flüchtet sich der Körper in eine Erkrankung, auch eine Depression, weil er einfach den Belastungen des täglichen Lebens nicht mehr gewachsen ist. Gerade in den vergangenen zwei Jahren hat sich unser Alltag oft drastisch verändert: Unsere Bewegungsfreiheit wurde eingeschränkt, auch durch Ängste, die Medien und Covid-Maßnahmen geschürt haben. Die Angst vor Ansteckung, Erkrankung und Tod war wohl gesellschaftlich noch nie so präsent wie in dieser Zeit. Der zunehmende Zeitmangel in unserem Leben, die zunehmende Beschleunigung in allem, was wir tun, versetzt den Körper unter enormen Stress. Emotionen wie Angst und Stress sind furchtbar anstrengend für den Körper. Daraus resultiert eine Erschöpfung, die nicht nur den Körper betrifft, sondern eben auch unseren Geist, unsere Psyche. Oft braucht es einfach Zeit, Ruhe, Rückzug und liebevolle Begleitung, um aus diesem Loch wieder herauszukommen. Doch diese Zeit kann man sich oft nicht nehmen, weil man sonst seinen Job verliert. Ist einmal die Diagnose „Depression“ gefallen, verordnet die Schulmedizin Medikamente, sogenannte „Antidepressiva“, um biochemisch das Gehirn aus der Niedergeschlagenheit herauszuführen. Zeit, um zu heilen, verordnet sie nicht ... Weiters kann Psychotherapie helfen. Doch auch diese braucht Zeit.

„Krone“: Im Buch finden sich zahlreiche Tipps für ein achtsameres, glücklicheres, gesünderes und vielleicht sogar längeres Leben. Welche davon eigenen sich besonders jetzt, wenn die Tage kürzer werden und zahlreiche Menschen bald mit der Winterdepression zu kämpfen haben, um depressiven Verstimmungen vorzubeugen?
Georg Weidinger: Chinesische Medizin bedeutet, im Einklang mit der Natur zu leben, der Natur um uns herum, und unserer eigenen Natur. Nur wenn wir es schaffen, unsere Natur in Einklang mit der Natur um uns herum zu bringen, werden wir gesund und glücklich. Ein einfaches Beispiel: Jetzt werden die Tage kürzer und es wird kälter, die Natur kommt langsam zur Ruhe. Genau das sollten wir auch tun: Große Projekte und stressbehaftete Tätigkeiten sollten wir wenn möglich in den Frühling verlegen. Im Herbst und Winter sollten wir uns mehr Ruhe gönnen, mehr Pausen, am Abend ein früheres Schlafengehen und regelmäßig warmes Essen, um die zunehmende Kälte von außen auszugleichen. Statt Handy, Computer oder Fernsehen sollten wir am Abend lieber ein Buch lesen oder mit unserer Familie lustige Spiele spielen. Der Kontakt mit lieben Menschen ist wichtiger denn je, weil Einsamkeit in der dunklen Jahreszeit noch viel drückender erlebt wird.

„Krone“: Auch viele Organe unserer Körpers werden im Buch näher behandelt. Wie wichtig ist die Darmgesundheit für unser allgemeines Wohlbefinden, wieso wird unser Mikrobiom in der westlichen Medizin immer noch so stiefmütterlich behandelt, und welche Tipps können Sie unseren Lesern für einen “glücklichen„ Darm geben?
Georg Weidinger: Wir wissen heute auch in der westlichen Medizin, dass ein gesunder Darm Voraussetzung ist für seelische Gesundheit. Umgekehrt kann man über den Darm und die Darmgesundheit die Psyche heilen. Das Mikrobiom im Darm, also die Summe aller Kleinstlebewesen wie Bakterien, Hefen und Pilze, welche in unserem Darm lebt, sollte sehr bunt und vielseitig sein. Dann können wir unser Essen und auch unser Leben besser verdauen. Das erreicht man, indem man vielseitig isst, viele verschiedene Lebensmittel, und idealerweise auch viele vergorene Lebensmittel wie Sauerkraut, Kimchi oder anderes eingelegtes Gemüse. Die Chinesische Medizin sagt vor allem, dass wir hier im Westen unseren ganzen Verdauungsapparat total überlasten, indem wir ihm zu viel Rohes und zu viel Kaltes zuführen. Rohkost wäre sehr gesund, würde es unserem Körper nicht so sehr anstrengen, sie zu verdauen. Der Körper muss alle Lebensmittel einmal auf 37 Grad Celsius erwärmen. Erst dann funktionieren die Verdauungsenzyme. Wenn man eh schon wenig Energie hat, entzieht man dem Körper zusätzlich Energie, einfach nur, um das Essen im Magen und Dünndarm aufzuwärmen. Daher die Empfehlung der TCM, gekocht zu essen, wenn man erschöpft ist. Und wenn man sich sein Essen im Wok zubereitet und nur kurz erhitzt oder einen Dampfgarer verwendet, sind auch noch all die gesunden Vitamine, um die wir ja immer so Angst haben, vorhanden! Wenn möglich sollte man am Abend, wenn es kalt wird, eine warme Suppe oder einen Eintopf essen, falls man abnehmen möchte auch gar nichts.

Zur Person

Georg Weidinger studierte Medizin und Psychologie an der Universität Wien und Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) an der Medchin bei François Ramakers und Gertrude Kubiena. Er ist Präsident der OGTCM, der Österreichischen Gesellschaft für Traditionelle Chinesische Medizin, und teilt sein umfangreiches Wissen in Seminaren, Vorträgen und Schulungen. Georg Weidinger lebt als Arzt, Autor, Yogalehrer und Musiker mit seiner Frau, den drei Kindern und vielen Tieren im österreichischen Burgenland. Im KNEIPP Verlag von ihm erschienen sind bereits Band 1 Frei von Angst und Band 2 Frei von Stress im Rahmen der beliebten 5-teiligen TCM-Serie.

„Krone“: Sie sind dreifacher Vater, Arzt, Komponist und Buchautor mit einem vollen Terminkalender. Wie schaffen Sie es selbst, Ihre Mitte zu finden?
Georg Weidinger: Mein großes Glück ist meine Frau. Zusammen achten wir gegenseitig aufeinander. Sie achtet zum Beispiel darauf, dass der Terminkalender eben nie zu voll ist, um all die Sachen zu tun, die uns als Familie guttun. Wir haben zum Beispiel mehrere Hunde und Pferde, und die gehören täglich bewegt, was unsere ganze Familie beschäftigt und uns viel in der freien Natur sein lässt. Die Familie mit all den Tieren gibt mir eine große Geborgenheit und das Bedürfnis, ein wenig von dem Glück, das mir täglich geschenkt wird, an andere weiterzugeben…

Melanie Leitner
Melanie Leitner
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