Live in der Stadthalle

50 Cent: Rap-Hit-Revue aus vergangenen Tagen

Wien
29.09.2022 05:00

Zwölf Jahre nach seinem letzten Österreich-Auftritt und 18 Jahre nach seinem letzten Wien-Gig schaute New Yorks Kult-Rapper 50 Cent wieder einmal bei uns vorbei. In der Wiener Stadthalle lieferte er eine solide, wenn auch nicht herausragende Hit-Revue seiner großen Hits der Nullerjahre ab. In der Organisation gab es hingegen gröberes Versagen.

„Rider Pt. 2“, „P.I.M.P.“ oder der Megahit „Candy Shop“ - 50 Cent steht angeblich noch keine Viertelstunde auf der Bühne der Wiener Stadthalle und feuert bereits am Anfang die größten Hits seiner Karriere in die johlende Menge. „Angeblich“ deshalb, weil aufgrund eines schweren organisatorischen Chaos seitens des Veranstalters Dutzende Fans sich bis weit nach Konzertbeginn an der Abendkassa die Füße in den Bauch stehen und trotz der Unannehmlichkeiten überraschend ruhig bleiben. Kartengewinner mussten um ihren Einlass zittern. Auch die Verteilung von Presse- und Fotopässen glich mehr einem Lotteriespiel als einer geordneten Planung, weshalb so mancher Kollege irgendwann lieber aufgab, anstatt im Ungewissen zu bleiben. Einlass wurde uns dann nach gut 35 Minuten gewährt, da war 50 bereits beim Bob-Marley-Cover „Is This Love“ und knapp zwei Drittel des Konzerts vorbei.

Auf und ab, auf und ab
Die grob geschätzt 7000 bis 8000 Fans feierten ihren Helden bei seinem Österreich-Comeback trotz aller Querelen unaufhaltsam ab. Sein letzter Wien-Auftritt datiert vom August 2004 am Zenit seiner Karriere als Teil der „Hip-Hop-Mania“ auf der Wiener Donauinsel, 2010 gab er ein kurioses Gastspiel im Linzer Einkaufstempel „PlusCity“ irgendwo zwischen einer italienischen Pizzeria und einem herzhaften Falafel-Verkäufer. Aus diesen temporären Untiefen ist Curtis James Jackson III, so sein bürgerlicher Name, längst wieder ausgebrochen, doch auf ein neues Album wartet man auch schon geschlagene acht Jahre. Das Business-Genie hat sich aber nicht zuletzt auch als Buchautor, Schauspieler und findiger Geschäftsmann sein Imperium aufgebaut und zehrt von den Hits der alten Tage.

In den 2000er-Jahren war der New Yorker am Zenit seiner Karriere und direkt hinter Eminem auf einem Popularitätslevel, das man heute gar nicht mehr erfassen kann. Das Album-Triple „Get Rich Or Die Tryin‘“ (2003), „The Massacre“ (2005) und „Curtis“ (2007) ist über sämtliche Zweifel erhaben und hat 15 bis 20 Jahre später zumindest noch eine humorig-nostalgische Wirkung. In Wien stehen drei pompöse Bühnenblöcke vor einer riesigen Videowall, flankiert wird die Bühne von überdimensionalen Champagner-Flaschen und auf der Mattscheibe flimmern wahlweise twerkende Tänzerinnen oder fliegende Geldscheine ins Auditorium. Das dicke-Hose-Prinzip, vor knapp zwei Dekaden noch State of the Art im Hip-Hop, wirkt in immer aufgeklärteren Zeiten wie diesen ein bisschen humorig und zu einem gewissen Teil befremdlich.

Zack zack zack
50 Cent hat sich in seinen späten 40ern zu einem ordentlichen Bröckerl trainiert und gejausnet, auf seinem Arbeitsplatz versammelt er überraschend echte Gitarristen, Bassisten und Schlagzeuger, die sich mit dem DJ und Samples duellieren. Ob die Rap-Revue eine kräftige Portion Selbstironie beinhaltet oder der Künstler einfach nur von sich amüsiert ist, das lässt sich aus der Ferne schwer beurteilen. Wichtig ist, dass alle Spaß haben. Mal im Ferrari- und mal im Baseball-Shirt wandert er über die Bühne, lässt die dicken Goldketten am Hals klimpern und die nächste Tänzerin ist nie weiter als einen knappen Meter von ihm entfernt. Songs wie „Hustler’s Ambition“, „Outta Control“ oder den mit Goldkonfettiregen verstärkten Hit „In da Club“ wickelt er in Medley-Manier ab. Dicke Pyro- und Lichteffekte unterstützen den rasanten Rausch an Songs, der keine Pausen kennt und fast völlig ohne Zwischenansagen auskommt. Ein Konzert wie ein ICE-Zug.

Vor allem bei den schnelleren und basslastigen Nummern muss man sich durch einen wirren Soundbrei kämpfen, wenn 50 Cent es aber zwischendurch etwas ruhiger angeht, dann nimmt man ihm die Zuneigung zu den feinen Nuancen im Klang ab. Ansonsten hat der Rapper schon in den früheren Jahren alles auf den Tisch gebracht, was das Genre-ABC verlangt. Vater nie kennengelernt, Mutter wurde ermordet, selbst zum Dealer geworden, ein von Messerstichen und Einschusslöchern durchsiebter Körper, mehrere Gefängnisaufenthalte, Frauen geschlagen und auch noch Donald Trump unterstützt. Daneben aber auch beharrlich an den Rap-Skills gefeilt, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort gewesen, großen Plattenvertrag verhandelt, die USA und Europa erobert und angeblich 500 Millionen Euro Privatvermögen schwer. Mit vollen Hosen ist heute gut stinken, da lassen sich Prunk und Protz durchaus auch in der Show widerspiegeln.

Eigene Legende
Jackson spielt schon seit Jahren nicht mehr nach den Regeln des Marktes. Seine Konzerte wählt er weise und nach Gage, jettet dann schon mal in wenigen Tagen zwischen Brasilien, Österreich und Katar, um die Säckel mit schwerer Klimaignoranz zu füllen. Für seinen - garantiert nicht günstigen - Wien-Auftritt verspätet er sich dafür nur minimal, lässt den Spaß aber nach nur 85 Minuten wieder ausgleiten. Doch die Hits waren da, die Stimmung feurig und der Künstler samt Band mehr als gut gelaunt. Für das Drumherum kann er nichts, ein bisschen mehr Spannungsbögen, Spielzeit und motivatorisches Feuer hätte aber darüber hinwegtäuschen können, dass hier jemand vorwiegend seine eigene Legende feiert und sich im Bad der Menge suhlt. Das sei 50 Cent unbenommen, doch ein paar Kilometer im Flex spielte am selben Abend der junge Brite Scarlxrd, die Zukunft des Rap und stellte die Hütte auf den Kopf. Es ist aber auch schön, dass sich das Gestern und das Morgen für einen Abend im Heute treffen. Und das mitten in Wien.

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