„Krone“-Interview

Esther Graf: „Ich stehe für selbstbewusste Musik“

Musik
19.06.2022 11:00

Von der Kärntner Bergidylle über Bad Hofgastein und Wien mitten in den kreativen Kulturmoloch Berlin - die 23-jährige Esther Graf hat in den letzten Jahren einen Karriere-Senkrechtstart hingelegt und spielt musikalisch schon bei den Großen mit. Im „Krone“-Gespräch reflektiert sie noch einmal ihre junge Karriere und zeigt sich selbstbewusst für die Zukunft.

(Bild: kmm)

Von der 15.000-Seelen-Metropole Spittal an der Drau hinaus in die weite Welt - derartige Märchengeschichten kennt man aus dem Musikbusiness seit jeher, doch für die 23-jährige Esther Graf haben sich die Karrieretüren in den letzten Jahren wirklich weit geöffnet. In den Nullerjahren begann ihre Liebe zu Kunst und Kultur auf der Bühne von Kindermusicals, die Frau Mama inszenierte - keine zwei Jahrzehnte später reüssiert sie in Berlin und schreibt Songs mit Größen wie Finch oder Olexesh. „Ich habe einfach alle musikalischen Möglichkeiten, die mir entgegengeflogen sind, mit offenen Armen empfangen“, lacht sie im Gespräch mit der „Krone“.

Von Kärnten aus ging es zuerst ans BORG in Bad Hofgastein, weil Popmusik dort eine wichtige Rolle spielt. „Dort merkte ich, dass die Musik zu 100 Prozent mein Lebensmittelpunkt sein muss. Es gab viele Gleichgesinnte und ich fühlte mich mit meinen Gedanken nicht mehr so alleine. Ich habe dort den Mut für meine Karriere aufgebaut.“

Werbeprospekt und Bühne
Direkt nach dem BORG ging es nach Wien, wo Graf aber zuerst in anderen Bereichen reüssierte. Auf der Mariahilfer Straße wurde sie wortwörtlich von der Straße weg als Model verpflichtet. Zahlreiche Werbekampagnen folgten und Graf konnte sich damit eine finanzielle Unterlage für ihre musikalische Selbstständigkeit erschaffen. „Die Bühne und Kameras war ich von klein auf gewohnt, aber ins Modeln rutschte ich völlig zufällig. Mit dem Geld konnte ich mir die Zeit gut einteilen und Musik machen. Da war ich gerade einmal 17. Ich habe rund 300 Songs geschrieben, das wäre mit einem 40-Stunden-Job niemals zu bewerkstelligen gewesen.“

Mit dem Modeln hat Graf auch heute noch nicht ganz aufgehört, wiewohl es für jene, die sie als Musikerin kennen, befremdlich wirkt. „Vor einigen Jahren habe ich mal eine ,Hofer‘-Kampagne gemacht und da waren die Leute irritiert, dass ich in den Werbeprospekten im Dirndl zu sehen war“, lacht sie laut auf, „aus der Kartei kann man mich heute nicht mehr buchen.“

Das ist auch längst nicht mehr notwendig, denn mittlerweile ist ihr eher zufällig Berlin in den Schoß gefallen. „Vor drei Jahren war ich für das Songwriting für mich und andere dort, habe viele Leute kennengelernt. Plötzlich war ich bei RCA/Sony Music in Deutschland unter Vertrag.“ Anfangs pendelte sie noch hin und her, vor zwei Jahren hat sich Graf fix in Neukölln angesiedelt, um musikalisch so richtig durchzustarten. „Der Kontrast war schon vom Kärntner Bergdorf zum dritten Wiener Gemeindebezirk stark, aber Berlin ist natürlich noch einmal eine ganz andere Nummer.“ Graf steckt mitten in der Generation TikTok und bewegt sich auch dementsprechend musikalisch bunt. Features mit und für Olexesh, Finch, Alligatoah oder Monet192 finden ebenso Platz, wie eine monatliche Radiosendung mit ihrer WG-Kollegin und Popkünstlerin Emily Roberts. „Pop wird zu Hip-Hop und Hip-Hop zu Pop. Es passiert rundum extrem viel, ich habe viele Bekanntschaften geschlossen und mir kommt diese Vielseitigkeit extrem zugute.“

Musik fürs Seelenheil
Unlängst veröffentlichte Graf die EP „Red Flags“, auf der sie in kurzen und knackigen Songs die Höhen und Tiefen einer gescheiterten Beziehung reflektiert und dabei auch einmal in den Punkrock rutscht. Alles ist erlaubt, nichts verpönt. „Meine Musik macht die Art wie ich singe und schreibe aus. Das lässt sich nicht einfach so in Genres unterteilen. Die EP hat sich eigentlich von selbst geschrieben, weil mir der Inhalt exakt so passiert ist. Musikalisch lasse ich mich aber immer von den Kooperationspartnern treiben und das kann mal Pop, mal Indie oder auch mal Hip-Hop sein.“ Dass die EP im Endeffekt derart konzeptionell ausfallen würde, war der Sängerin lange nicht klar. „Nach einem Beziehungsende durchläuft man mehrere Phasen. Trauer, Verleugnen, Wut und Akzeptanz. Danach richtet sich auch die EP. Ich musste mir meine Sorgen von der Seele schreiben und daraus entstand eher unbewusst diese EP.“

Der fragile Track „Wie mein Herz bricht“ hat der 23-Jährigen alles abverlangt. „Als ich den Song im Studio schrieb, lag ich halbtot am Boden, aber jetzt ist er sehr schön und steht in einem ganz anderen Licht. Für mich war es ein sehr mutiger Schritt, einen traurigen und zerbrechlichen Song zu schreiben.“ Für Graf ist „Red Flags“ längst ein Relikt aus vergangenen Tagen, auch wenn die Songs darauf noch immer sehr frisch und zeitgemäß sind. „Es ist die Abhandlung eines bestimmten Lebensabschnitts und ich bin daran gewachsen. Mitunter finde ich an Musik am schönsten, dass man durch sie immer wieder in diese Abschnitte zurückgehen kann und dabei die Entwicklung reflektiert, die sich seit dem Zeitpunkt von damals ergab.“

Dass Esther Graf auch anders kann, bewies sie mit „Gang Shit“, einer Kooperation mit Yeal und Layla, die sich um Feminismus, Diversität und Frauenpower dreht. „Das Sichtbarmachen des Problems ist schon einmal viel Wert und als feministische Arbeit nicht zu unterschätzen. Ich will auch Girls motivieren und zeigen, dass alle Genres möglich sind. Ich will einfach aufmischen.“

Lust auf große Melodien
Der nächste Schritt ist die kommende Woche erscheinende Single „Sad = Sexy“, die die Sorgen, Ängste und Unsicherheiten der Generation Z in ein Pop-Gewand mit einer kräftigen Dosis Punkrock zwängt. Obwohl sich der Song auf die Schattenseiten der Psyche stürzt, gilt er als Mutmacher, der mit bewusst treibender Energie und einem aufbauenden Groove ordentlich nach vorne schiebt. „Mir geht es darum, mich und meine Werte zunehmend stärker vorzustellen. Ich weiß, wofür ich stehe und habe allgemein eine sehr klare Meinung. Es soll in meinen Songs künftig mehr um mich selbst und weniger um die Menschen in meinem Umfeld gehen. Ich stehe für eine gewisse Sichtbarkeit und will als starke Frau wahrgenommen werden. Für ein feministisches Movement und für selbstbewusste Musik, die aber Spaß macht und tanzbar ist. Ich habe Lust auf große Melodien und kommerziellen Pop.“

Und was wäre die absolute Wunsch-Kollaboration? „Ein Song mit den Toten Hosen.“ Der Weg scheint schon mal der richtige zu sein.

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