Tourauftakt in Madrid

Rolling Stones: Zum 60er in Jahrhundertform

Musik
02.06.2022 04:00

60 Jahre Rolling Stones, 75 Jahre Ron Wood - zum Europa-Tourauftakt in Madrid im Zuge der „Sixty“-Tour gab es bei den Rolling Stones so einiges zu feiern. Die „Krone“ war live dabei, als Mick Jagger, Keith Richards und Co. im hohen Alter einmal mehr die Maßstäbe setzten, an denen sich alle anderen neu messen müssen. Für das Wien-Konzert am 15. Juli im Ernst-Happel-Stadion darf man sich wahrlich Großes erwarten.

kmm

Schon mittags harrten die treuesten Fans bei brütender Hitze vor dem Eingang des Wanda Metropolitano Stadion von Atletico Madrid aus, um die besten Plätze für ihre Helden zu ergattern.Bei einer Tour der Rolling Stones kann man sich schließlich nie sicher sein, ob es nicht wirklich die allerletzte ist. Da passt es gut ins Bild, dass „Bandbaby“ Ron Wood an diesem Mittwoch seinen 75. Geburtstag feiert - längst kein Alter mehr für den Rock ’n’ Roll, der auf der „Sixty“-Tour eben 60 Jahre Rolling Stones zelebriert. Den Rock’n’Roll = Rolling Stones, die einfachste mathematische Gleichung. Die „Krone“ war beim Europa-Tourauftakt live dabei und so wie die anderen 53.000 Fans überrascht von der Spielfreude, Energie und Passgenauigkeit der Kompositionen.

Wunder der Natur
Im erhöhten Rentenalter zeigen sich Mick Jagger, Keith Richards und Co. so gut wie schon lange nicht mehr und zelebrieren über gut 135 Minuten nicht nur ein Feuerwerk an Hits wie „Paint It Black“, „Sympathy For The Devil“ oder „Satisfaction“, sondern liefern auch viele Überraschungen. Etwa das erstmals überhaupt live gespielte „Out Of Time“, dessen Ursprung im Jahr 1966 datiert. Die aktuellste Single, das Reggae-lastige „Living In A Ghost Town“, ist ein geheimes Set-Highlight, bei dem der mit gewohnt knabenhafter Sportfigur ausgestattete Jagger das Publikum zauberhaft dirigiert. Überhaupt das Zusammenspiel. Der mit Konfettiregen und „Happy Birthday“-Gesängen gefeierte Woods stakst mit Dauergrinsen über die Bühne, Richards Gitarre ist bewusst laut gestimmt und trifft mitten ins Mark. Jagger selbst scheint zumindest die letzten 20 Jahre keinen Tag gealtert zu sein. Ein Wunder der Natur.

Den letzten August tragisch verstorbenen „Band-Sir“ Charlie Watts huldigt man schon zu Beginn mit einem melancholischen Rückblick auf den großen Videoscreens. Vor „Sad Sad Sad“ bekräftigt Jagger in tadellosem Spanisch, dass die Band den alten Freund stark vermisst. Nachfolger Steve Jordan bringt dafür eine kräftige Portion Power und einen wuchtigen Anstrich ins Set, der sich vor allem bei powervollen Nummern wie „Miss You“ oder auch dem Publikums-Wunschsong „Beast Of Burden“ offenbart. Schwächen sind keine auszumachen, auch wenn die ersten Songs noch nicht ganz den Drive bringen der ab „Tumbling Dice“ Fahrt aufnimmt. Dann geht’s aber ohne Atempause auf die Autobahn. „Honky Tonk Women“, „Start Me Up“, „Paint It Black“ und eine alles überragende, düster-mystische Version von „Midnight Rambler“ sorgen für kollektiven Jubel.

Außerirdische Verfassung
Die obligatorischen Keith-Richards-Songs „Happy“ und „Slipping Away“ klingen gewohnt schief, ansonsten wirkt die Stones-Maschinerie wenige Jahre bzw. Monate vor den 80. Geburtstagen der zwei Bandchefs so vital und geölt wie lange nicht. Die alle Dekaden umspannende Hit-Revue ist nicht zuletzt ein kräftigtes Lebenszeichen für große Stadionshows, die in den letzten beiden Jahren so schwer vermisst wurden. Für Nostalgie oder Sentiment lässt Jagger an diesem Abend aber keinen Raum. In unterschiedlichen Outfits tänzelt er über den opulenten Laufsteg und brilliert von der ersten Sekunde an. Man will sich gegen die ausgelutschte Phrase „alter wie guter Wein“ zwar wehren, kommt aber nicht dagegen an. Die Rolling Stones sind zum Band-60er tatsächlich auf ihrem Zenit. Eine gerade extraterrestrische Erfahrung.

„Es wird nie eine ,Farewell-Tour‘ der Stones geben. Diese hier ist einfach ein neues Kapitel“, erzählt Show-Designer Patrick Woodroffe im Pressegespräch vor dem Gig. Er arbeitet seit 40 Jahren mit den Briten und ist auch für das aktuelle Bühnendesign verantwortlich. 55 Meter hoch, 17 Meter breit, insgesamt 400 Quadratmeter Videoscreens. „Es gibt heute schon sehr viele große Rockshows. Wichtig ist vor allem, das richtige Gefühl zu transportieren. Alle müssen sich wohlfühlen. Am Ende ist die Musik natürlich das Herz der Show, aber im Stadion müssen auch der Look und das Visuelle zusammenpassen.“

Wichtiges Vermächtnis
Mit den Rolling Stones zu arbeiten, ist für Woodroffe auch nach vier Dekaden noch etwas ganz Besonderes. Mitunter auch deshalb, weil sich die Bedingungen in vielerlei Hinsicht erschwert haben. „Durch den Brexit, die damit einhergehenden Visa- und Logistikprobleme und die Pandemie, die uns Personal und Material gekostet hat, ist alles viel schwieriger zu bewerkstelligen.“ Dass Drummer-Legende Charlie Watts letztes Jahr verstarb, zieht schlussendlich auch Änderungen im Design mit sich. „Es ist natürlich ein Unterschied, wenn man nur mehr drei statt vier Stones ins Zentrum setzt. Uns war aber auch wichtig, das Vermächtnis von Charlie zu zelebrieren und ihm würdig Tribut zu zollen.“

Ray Winkler, CEO der Firma Stufish, arbeitet schon seit 1989 mit den Rolling Stones zusammen. Der studierte Architekt konzipiert und plant auch Bühnen für U2, Queen oder Genesis und war für das Design der neuen ABBAtar-Halle in London zuständig. Die Arbeitsbeziehung mit den Stones ist die längste für Winkler, der kreative Ideenaustausch zwischen Band und Architekten fasziniert ihn noch heute. „Man muss die künstlerischen und philosophischen Aspekte gut verstehen. Die Rolling Stones sind eine klare Marke und von dort weg geht es darum, sich immer wieder neu zu erfinden.“

Militärische Operation
Natürlich gehen auch die Stones mit der Zeit, doch man lässt die Technologie niemals die Überhand nehmen, sondern setzt sie unterstützend ein. Ein wesentlicher Unterschied zu vielen jüngeren Acts im Pop- und Rock-Segment. „Wir stehen im ständigen Austausch“, erklärt Winkler, „wir sind ein großes Team und jedes Zahnrad muss da hineinspielen. Für die Bühnenarbeiter ist eine Stones-Tour fast so was wie eine militärische Operation. Man macht alles sehr präzise, schnell und mit sehr viel Liebe.“ Der Aufbau der „Sixty“-Tour-Bühne dauert zwischen drei und zwölf Stunden - je nach Übung. In einem Hangar in England wurde vorab geprobt, aber da jedes Stadion auf der Tour unterschiedliche Anforderungen stellt, ist der Aufbau jedes einzelne Mal ein neues Abenteuer.

Erst am 17. Dezember 2021 trat die Band an Winkler heran, bis zum fertigen Design blieb also nicht einmal ein halbes Jahr. Eine mehr als sportliche Angelegenheit. „Der Band ist Flexibilität am allerwichtigsten. Da sich die Infrastruktur in jeder Stadt, in der sie auftreten, ändert, muss man sich den Gegebenheiten anpassen.“ Der Laufsteg, der sich von der Bühne Richtung Fans schlängelt, ist 32 Meter lang. Im Laufe eines Konzerts legt Mick Jagger schätzungsweise 20 bis 30 Fußballfeldlängen zurück - freilich lasziv tänzelnd und bei guter Stimme. Nicht schlecht für einen bald 79-Jährigen. Winkler ist fasziniert von der physischen Energie der Band. „Es ist immer noch ein Privileg für uns alle, ein Teil davon zu sein. Die Stones sind seit 60 Jahren unterwegs und haben sich ihren Stand aus dem Nichts erarbeitet. Sie haben für mehr als eine Generation die Maßstäbe gesetzt.“

Bald live in Wien
Können die Stones ihre Form des Tourauftakts halten, kann sich der Rest der Musikwelt anhalten. Am 15. Juli sind Jagger, Richards und Co. dann auch endlich wieder im Wiener Ernst-Happel-Stadion zu sehen. Man kann sich jedenfalls auf etwas gefasst machen! Die Karten und alle weiteren Infos gibt es unter www.oeticket.com.

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