Schildkröten im Ländle

Die „stillen“ Invasoren in heimischen Gewässern

Vorarlberg
16.05.2022 09:55

Klingt seltsam, ist aber so: Flächenanteilsmäßig verfügt Vorarlberg über die größte Dichte an frei lebenden, exotischen Schildkröten im gesamten österreichischen Bundesgebiet. Die Reptilien können zum Problem für die Fauna werden.

Wer Schildkröten beobachten will, muss nicht unbedingt in die Ferne reisen. An warmen Tagen können die Reptilien im Gebiet des Rheindeltas beobachtet werden. In Vorarlberg gibt es Schätzungen zufolge Hunderte frei lebende Schmuckschildkröten. Dabei handelt es sich um einstmalige Terrarientiere, die illegal ausgesetzt worden oder aus unzureichend gesicherten Gehegen ausgebüxt sind. Entgegen früherer Annahmen schaffen es die Schildkröten, in freier Wildbahn zu überleben. Die Invasion der Exoten stellt jedoch ein Problem für die heimische Fauna dar. „Die Schmuckschildkröten sind Allesfresser, besonders die Jungtiere ernähren sich vom Nachwuchs verschiedener Amphibien und Fische. Sie werden so zu einer zusätzlichen Gefährdung für ohnehin schon stark bedrohte Arten“, sagt Klaus Zimmermann, Biologe in der inatura in Dornbirn. Lange hielt man zumindest eine Fortpflanzung der Schmuckschildkröten in unseren Gefilden für ausgeschlossen. Aber auch das stellte sich als Irrtum heraus.

Charakteristisches Merkmal der Schmuckschildkröten ist der farbige Wangenstrich. Diese Süßwasserschildkröten stammen ursprünglich aus Nordamerika und leben in langsam fließenden oder stehenden Gewässern mit reichlich Pflanzenbewuchs. Die Reptilien sind Allesfresser und ernähren sich hauptsächlich von Würmern, Schnecken, Amphibien, Frosch- und Fischlaich sowie von pflanzlicher Kost und Aas. (Bild: Rubina Bergauer)
Charakteristisches Merkmal der Schmuckschildkröten ist der farbige Wangenstrich. Diese Süßwasserschildkröten stammen ursprünglich aus Nordamerika und leben in langsam fließenden oder stehenden Gewässern mit reichlich Pflanzenbewuchs. Die Reptilien sind Allesfresser und ernähren sich hauptsächlich von Würmern, Schnecken, Amphibien, Frosch- und Fischlaich sowie von pflanzlicher Kost und Aas.

Zunehmend wärmere Temperaturen begünstigen die Ansiedelung weiter. „Die Winter verbringen die Schildkröten in tiefen Gewässern. So können sie auch die kalte Jahreszeit überdauern. Die Tiere werden sich wohl fix etablieren“, meint Biologe Markus Grabher (Umweltbüro Grabher). Zudem verfügen die Schmuckschildkröten hierzulande über keine natürlichen Feinde. Nach Meinung der Experten besteht daher dringender Handlungsbedarf. Bereits 2017 ist eine Studie (mit Daten der inatura) erschienen, welche einen Überblick über die Situation vermittelt und Handlungsrichtlinien für Behörden enthält. „Breiten sich die invasiven Reptilien weiter aus, dann hat das negative Konsequenzen für die heimische Fauna. Das Problem ist seit Jahren bekannt, allerdings ist bislang kaum etwas geschehen, um dem entgegenzuwirken“, findet Zimmermann klare Worte. Vonseiten der EU gibt es mittlerweile eine Verordnung, die die private Haltung beziehungsweise Zucht von Neuwelt-Schmuckschildkröten strikt verbietet. Auch ein Import der Tiere ist mittlerweile untersagt.

„Haustiere“ finden ein neues Habitat
Die einzige Schildkrötenart, die - wenn auch selten - in Mitteleuropa beheimatet ist, ist die Europäische Sumpfschildkröte. Sie kam einst auch in heimischen Gewässern vor, doch gibt es mittlerweile keine Nachweise mehr für diese Art in ganz Vorarlberg.

Die Schildkröten sind oftmals in einem gesundheitlich schlechten Zustand. (Bild: Rubina Bergauer)
Die Schildkröten sind oftmals in einem gesundheitlich schlechten Zustand.

Die ursprüngliche Heimat der Gelbwangen- und Rotwangen-Schmuckschildkröten ist Nordamerika. Über den Zoohandel gelangten die Reptilien nach Mitteleuropa und avancierten schnell zu gefragten „Haustieren“, da Junge oft für wenig Geld angeboten wurden. Die Tiere wachsen allerdings sehr schnell und werden ihren Haltern oft zu groß, weshalb sie dann verbotenerweise im nächstgelegenen Gewässer ausgesetzt werden. In freier Wildbahn können sich die Reptilien meist mehrere Jahre halten, doch „bequem“ ist ihr Leben in Vorarlbergs Natur nicht, wie Zimmermann schildert: „Auch wenn sie die kalte Jahreszeit hier überdauern, so setzen ihnen die Wintermonate durchaus zu. Länger anhaltende Kälte kann zu Atemwegserkrankungen sowie dauerhaften Nierenschädigungen führen, die den Schildkröten starke Schmerzen bereiten. Erkrankte Tiere sterben mitunter einen langsamen und äußerst qualvollen Tod.“

Schildkröten leiden im Stillen
Der Gesundheitszustand der Reptilien lässt sich nur mittels veterinärmedizinischer Untersuchungen feststellen, da sich die Tiere in ihrem Verhalten nichts anmerken lassen. Daher dürfen exotische Tierarten wie Schmuckschildkröten laut Naturschutzgesetz auch nicht freigesetzt werden.

Vorarlberg wird immer mehr zum Lebensraum für Schildkröten. (Bild: Rubina Bergauer)
Vorarlberg wird immer mehr zum Lebensraum für Schildkröten.

Von Behördenseite ist jedoch nicht geklärt, wie es mit den Schildkröten, die bereits in heimischen Gewässern unterwegs sind, weitergehen soll. Es gibt weder Auffanglager noch entsprechendes Fachpersonal, das sich um die Exoten kümmert. Wer auf einem Spaziergang also Schildkröten beobachtet, sollte die Tiere am besten unbehelligt lassen. „Das fällt in den Zuständigkeitsbereich der Bezirkshauptmannschaft, aber es fehlt an Konzepten“, kritisiert Zimmermann. Fast alle heimischen Gewässer in Tallage beherbergen bereits Exoten, flächenanteilsmäßig gibt es in Vorarlberg mehr Schildkröten als in den anderen Bundesländern. Aufgrund des niedrigen Wasserstandes werden die Tiere aktuell vermehrt gesichtet. 

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