„Pulverfass“ T-72

Russische Panzer sind Todesfallen für Besatzung

Ausland
24.04.2022 16:12

Seit zwei Monaten widersetzt sich die Ukraine erbittert der russischen Invasion - durchaus mit Erfolg, legen Hunderte in den sozialen Medien verbreitete Fotos zerstörter russischer Panzer nahe. Auffällig ist, wie schwer beschädigt diese sind, oft liegt der Geschützturm meterweit vom Rest des ausgebrannten Wracks entfernt. Aber warum ist das so?

Mehr als 250 russische Panzer dürften Schätzungen zufolge in der Ukraine zerstört worden sein, berichtet der „Spiegel“ unter Berufung auf die Dokumentations-Website Oryx. Auf Bildern der Wracks fehlt oft der Geschützturm: Der Grad der Zerstörung legt nahe, dass russische Panzer wie der T-72, T-80 und T-90 bei Treffern mit Panzerabwehrwaffen leicht explodieren, wobei der Geschützturm weggeschleudert wird.

Ladeautomatik als Konstruktionsschwäche
Es handle sich um eine Konstruktionsschwäche, erklärt der deutsche Militärhistoriker und Panzerexperte Ralph Raths im „Spiegel“. Schuld sei eine Ladeautomatik im Geschützturm der Panzer: Diese wurde von den Konstrukteuren in den Siebzigerjahren eingebaut, um Platz zu sparen, die Schussfrequenz zu erhöhen und den Panzer mit kleineren Besatzungen von drei Mann steuern zu können. 44 Schuss fasst das Magazin eines T-72. Doch die Ladeautomatik macht den Panzer zur Todesfalle.

„Die Crew sitzt buchstäblich auf einem Pulverfass“, erklärt Raths. Ein Treffer könne verheerend sein: Der Panzerkommandant und der Schütze sitzen in Panzern vom Typ T-72 im Turm direkt auf der Munition. Der Fahrer in der sogenannten Wanne hat die Geschosse im Rücken.

Zitat Icon

Die Crew sitzt buchstäblich auf einem Pulverfass.

Ralph Raths, Militärhistoriker

Bei einem Treffer kann die ganze Munition explodieren - mit solcher Wucht, dass der Geschützturm sich vom Rest des Panzers löst und meterweit durch die Luft geschleudert wird. Experten sprechen vom „Springteufeleffekt“. Die Besatzung hat kaum eine Überlebenschance.

Westliche Panzerbesatzungen sind besser geschützt
Westliche Panzer seien hier im Vorteil. Beim deutschen Leopard-2, bei dem manuell geladen wird, liegt die Munition hinter einer Trennwand. Bei Treffern sollen außerdem sogenannte Blow-Out-Panels den Druck der Explosion nach außen abführen. Das senkt das Risiko, dass bei einem Treffer der komplette Panzer explodiert.

Ähnliche Sicherheitsmechanismen finden sich auch in anderen Kampfpanzern westlicher Produzenten. Diese seien letztlich nach einer ganz anderen Philosophie konstruiert als die Panzer, die Putins Truppen in der Ukraine einsetzen, analysiert Raths.

Zahlenmäßige statt technologische Überlegenheit
Raths zufolge könnte die Herangehensweise der russischen Konstrukteure historische Ursachen haben: Russlands Armee setzte bei Panzern immer schon auf vergleichsweise einfach konstruierte Modelle, die in großen Massen hergestellt werden. Der Sieg sollte schon im Zarenreich durch zahlenmäßige, nicht technologische Übermacht erreicht werden. Auch im Krieg der Sowjetunion gegen Nazi-Deutschland führte die Taktik zum Erfolg. Doch das Leben des einzelnen Soldaten zählt bei dieser Strategie wenig.

Mittlerweile scheint auch in Russland ein Umdenken stattzufinden: Die neuesten Panzer vom Typ T-14 Armata, die 2015 vorgestellt wurden, sollen mit einer veränderten Ladeautomatik ausgestattet worden sein, die Munitionsexplosionen verhindern soll. Die Besatzung ist besser geschützt und in gepanzerten Kapseln untergebracht. Putins Soldaten, die in der Ukraine im „Pulverfass“ T-72 sitzen, hilft das freilich nicht mehr.

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