Abwärtsspirale

Warum jetzt die Zahl an Kriegsverbrechen steigt

Ausland
28.03.2022 19:55

Knapp fünf Wochen nach dem gewaltsamen Einmarsch Russlands in die Ukraine häufen sich die Meldungen über grausame Kriegsverbrechen - auf beiden Seiten. Völkerrechts-Experte Ralph Janik von der Uni Wien analysiert. 

Es sind brutale Szenen, die der „Krone“ zugespielt wurden: Russische Kriegsgefangene steigen mit erhobenen Händen aus einem Kleinlaster, machen ein paar Schritte - und brechen zusammen, weil ihnen vermeintlich ukrainische Soldaten in die Beine schießen. Sollten die Aufnahmen echt sein, dann wäre das ein klarer Bruch des Humanitären Völkerrechtes auf Seiten der Ukraine: Kriegsgefangene sind geschützt, ihre Folterung oder Tötung gemäß Genfer Konvention verboten.


Auf russischer Seite stellt sich die Situation noch klarer dar: Der massive Beschuss von zivilen Wohngebäuden, von Kliniken und Einkaufszentren in den vergangenen Wochen ist ebenso verboten, da dies meist keine militärischen Ziele sind. Mittlerweile spricht auch US-Präsident Joe Biden offen von „russischen Kriegsverbrechen“.

Ein Rechtsbruch provoziert den nächsten
„Wir befinden uns leider in einer Abwärtsspirale“, analysiert Völkerrechtsexperte Ralph Janik für die „Krone“. „Es sieht danach aus, als würde die Nichteinhaltung des Kriegsrechts durch Russland die Ukraine dazu motivieren, Bilder von russischen Kriegsgefangenen in Umlauf zu bringen, die nicht immer allzu freundlich behandelt werden.“

Video: Charkiw in Trümmern

Doch während es sich bei den Russen um die Aggressoren handelt, verteidigen viele Ukrainer ihre Familie, ihr Hab und ihr Gut. Darf man ihnen deshalb mehr Freiraum zugestehen, wenn es um Brutalität im Kriegsgebiet geht? „Nein“, sagt Janik. Die Einhaltung des Kriegsrechtes sei von allen zu verlangen, auch von jenen, die sich bloß verteidigen. „Aber mir ist bewusst, dass sich das vom bequemen Schreibtischsessel aus leichter sagen lässt.“

Was, wenn sich Kämpfer in Wohnhäusern verstecken? 
Seit zwei Wochen bringt Russland verstärkt Videos in Umlauf, die zeigen, dass ukrainische Kämpfer Schutz in zivilen Gebäuden suchen, um russischen Angriffen zu entkommen. „Hier greift das Verhältnismäßigkeitsprinzip“, erklärt Janik. „Ein ziviles Objekt, das von Kämpfern als Unterschlupf zweckentfremdet wird, darf mitunter angegriffen werden. Aber nur dann, wenn der erwartete militärische Vorteil die damit einhergehenden Verletzungen oder Tötungen von Zivilisten oder Schäden rechtfertigt.“ Dies sei im Einzelfall schwierig abzuwägen, räumt der Jurist ein: Je wichtiger das militärische Ziel, desto eher kann ein Angriff gerechtfertigt sein. „Umgekehrt darf man wegen ein paar Kämpfern kein Krankenhaus angreifen.“ 

Schwere Probleme nach dem Krieg
Für identifizierte Kriegsverbrecher könnte die Zeit nach dem Krieg übrigens unangenehm werden: Viele Staaten wenden bei Kriegsverbrechen das „Weltrechtsprinzip“ an, auch Österreich. „Das bedeutet, dass unsere Strafbehörden und Gerichte zuständig sein können, obwohl die Kriegsverbrechen außerhalb von Österreich begangen wurden und weder Opfer noch Täter Österreicher waren. Sobald ein Kriegsverbrecher hier einreist, sollte er mit einer Festnahme und einem Verfahren rechnen müssen“, so Janik.

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