Tschechische Klage

Drei Kunstwerke im Wiener Belvedere beschlagnahmt

Wien
26.05.2011 13:26
Mitten in der laufenden Ausstellung "Dynamik!" sind im Wiener Belvedere am Dienstag drei Kunstwerke aus tschechischem Staatsbesitz beschlagnahmt worden. Hintergrund ist ein seit Jahren andauernden Rechtsstreit zwischen der Republik Tschechien und einem tschechischen Unternehmer rund um vereitelte Geschäfte mit Blutplasma. Der Geschäftsmann Josef Stava klagte Tschechien dabei auf 115 Millionen Euro.

Belvedere-Kurator Alfred Weidinger, der am Dienstag zum überraschenden Erscheinen eines Gerichtsvollziehers und eines Anwalts gerufen wurde, bestätigte den Vorfall: "Für mich und auch für unser Haus ist es das erste Mal, dass so etwas passiert." Betroffen sind die Bronze "Umarmung" von Otto Gutfreund (1913/14) und das Ölgemälde "Tänzerin" von Vincenc Benes (1912) aus der Nationalgalerie Prag sowie das Gemälde "Zwei Frauen" von Erwin Filla (1913) aus der Mährischen Galerie in Brno.

Beschlagnahmte Kunstwerke rund eine Million Euro wert
"Es sind wunderbare und wichtige Werke", meint Weidinger, der es jedoch für ausgeschlossen hält, dass der ihm genannte Streitwert von 115 Millionen Euro mit diesen drei Kunstwerken gedeckt werden könnte. Der Wert der drei beschlagnahmten Werke wird auf ungefähr eine Million Euro geschätzt, fehlen also nur noch weitere 114 Millionen Euro.

Weidinger konnte die zunächst geforderte sofortige Abhängung der Bilder mit Hinweis auf die ohnedies am Sonntag zu Ende gehende Ausstellung ebenso verhindern wie das Anbringen einer Gerichtsplakette. Statt der für Montag geforderten Verbringung der drei Kunstwerke ins Dorotheum wurde eine Verwahrung im Belvedere ausgehandelt. Als mögliche Dauer des Streits bis zu einem weiteren Entscheid über die beschlagnahmten Werke wurde Weidinger der Zeitraum von drei Monaten genannt. "Dass ein Rechtsstreit auf dem Rücken von Kunstwerken ausgetragen wird, finden wir sehr tragisch", betonte Weidinger.

Tschechien intervenierte bei Ausschreibung
Laut der tschechischen Nachrichtenagentur CTK hatte Stavas Firma Diag Human den Exekutionstitel vor einem Wiener Bezirksgericht erstritten. Er macht den tschechischen Staat für vereitelte Blutplasma-Geschäfte verantwortlich, nachdem die Regierung in Prag Anfang der 1990er-Jahre zum Nachteil seiner Firma bei einem dänischen Kunden interveniert hatte.

Diag Human hatte 1990 ein Auswahlverfahren für Geschäfte mit Blutplasma im tschechischen Gesundheitswesen gewonnen. Der damalige tschechische Gesundheitsminister Martin Bojar wollte dies jedoch nicht anerkennen und schrieb ein neues Auswahlverfahren aus, in dem andere Firmen gewannen. 1992 schrieb Bojar einen Brief an die dänische Firma NovoNordisk, worauf die Dänen die Zusammenarbeit mit Diag Human abbrachen.

Stava verklagte daraufhin den tschechischen Staat. Ein Schiedsgericht hatte im August 2008 entschieden, dass Tschechien einen Schadenersatz in Höhe von 4,08 Milliarden Kronen (166 Millionen Euro) und dazu auch Zinsen in Höhe von 4,8 Milliarden Kronen an Stava zahlen müsse. Laut dem von CTK zitierten Anwalt von Diag Human, Jan Kalvoda, will das Unternehmen ähnliche Beschlagnahmeanträge auch in anderen Ländern stellen.

Bereits 2001 Bilder in Österreich gepfändet
Tschechien hatte früher bereits ähnliche Verfahren verloren. Die bekannteste Affäre war der Streit um den privaten TV-Kanal Nova, der damit endete, dass Tschechien wegen mangelnden Investitionsschutzes 10,4 Milliarden Kronen an die US-Firma CME des Unternehmers und ehemaligen US-Botschafters in Wien, Ronald Lauder, zahlen musste. Der Prozess beschäftigte Schiedsgerichte in London und Stockholm.

Auch damals kam es zu Bilder-Beschlagnahmungen bei einer Ausstellung in Österreich. Bilder aus der Sonderausstellung "Tschechische Kubisten" des Salzburger Rupertinums, die sich im Wiener Dorotheum in Verwahrung befanden, wurden auf Beschluss des Bezirksgerichtes Salzburg gepfändet. Salzburg folgte damit einem Antrag Lauders. Die Bilder befanden sich im Besitz seines ehemaligen Geschäftspartners beim TV-Kanal Nova.

Tschechischer Kulturminister hatte Vorahnung
Vor dem Hintergrund der Prozesslawine hatte der damalige tschechische Kulturminister Pavel Dostal angekündigt, dass er ein temporäres Ausfuhrverbot tschechischer Kunstwerke bzw. ein Leihgabeverbot tschechischer Museen erwäge - dies alles vor dem Hintergrund, dass die Tschechische Republik 2001 auch die auf rund eine Million Dollar angewachsenen Verfahrenskosten nicht beglichen hatte. Schon damals wurde befürchtet, dass nach Salzburger Beispiel auch Kunstwerke aus Staatsbesitz gepfändet werden könnten.

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