Ex-Kanzler spricht

Treichls Tirade lockt sogar Gusenbauer aus der Reserve

Österreich
17.05.2011 14:20
Die seit dem Wochenende Aufregung stiftende Tirade des Erste-Bank-Chefs Andreas Treichl hat jetzt sogar einen Polit-Pensionisten aus der Reserve gelockt. Altbundeskanzler Alfred Gusenbauer, der nach seinem Ausstieg aus der Politik selbige eigentlich nicht mehr kommentieren wollte, verteidigte am Dienstag das unter seiner Kanzlerschaft geschnürte Bankenpaket, das nun im Mittelpunkt der Treichl-Debatte steht. Vom Tonfall des Bankers distanziert sich Gusenbauer, inhaltlich dürfe man die Kritikpunkte Treichls allerdings "nicht geringschätzen".

Dass Gusenbauer sich in einer innenpolitischen Debatte zu Wort meldet bzw. auf Anfrage eine Stellungnahme abgibt, darf als kleine Sensation gewertet werden.

Seit seinem Abtritt kam der Altbundeskanzler in der Berichterstattung nur mehr dann vor, wenn es um einen seiner Jobs ging - z.B. als AK-Referatsleiter, als Unternehmensberater für die Hypo, als Beirat in einer Firma von Lobbyist Peter Hochegger und zuletzt, als er kurzzeitig Berater des autoritär regierenden kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew war.

Dazwischen machte der Name des Ex-Kanzlers einmal Schlagzeilen, als die israelische Presse Bundeskanzler Werner Faymann bei einem Staatsbesuch als Alfred Gusenbauer ankündigte. Die Sager zu Treichls Tirade lieferte er am Dienstag aber bereitwillig der Austria Presse Agentur, wie diese gegenüber krone.at versicherte.

"Nicht da die Bittsteller und dort die Gönner"
Gusenbauer, der im Oktober 2008 mit dem damaligen ÖVP-Finanzminister Wilhelm Molterer das 100 Milliarden Euro schwere Bankenhilfspaket geschnürt hat, findet die Wogen, die nach der Schelte Treichls durch die Politlandschaft rollen, zu hoch. Als es in der Finanzkrise galt, Gefahr zu vereiteln, sei es gemeinsames Anliegen gewesen, das Schlimmste zu verhindern. "Ich habe mich nicht so gefühlt, dass da die Bittsteller und dort die Gönner waren", sagt Gusenbauer, der sich heute als "Mann der Wirtschaft" sieht.

Österreich habe sein Bankenhilfspaket bewusst großzügig angelegt. Ein Schutzschirm, der zu klein gewesen wäre, wäre permanent auf seine Wirksamkeit getestet worden. "Wenn es sich wie beim Bankenapparat um so einen dominanten Sektor der Wirtschaft handelt, hat eine Bankenkrise extreme externe Effekte."

Und bei den staatlichen Partizipationsscheinen an die Geldinstitute habe es sich keineswegs um ein Geschenk gehandelt. Mit Ausnahme jener Institute, die verstaatlicht werden mussten (die Hypo und die Kommunalkredit) hätten rein formal alle die Wahl gehabt zuzugreifen oder nicht. Man habe sich damit auch Diskussionen wie in Großbritannien erspart. Die Republik habe in Österreich "nur dort verstaatlicht, wo es keine andere Möglichkeit gab".

Feig, faul, betteln oder knien "nicht in meinem Sprachschatz"
"Daher bewege ich mich nicht in den Kategorien der derzeitigen Diskussion", meinte Gusenbauer. "Feig, faul, betteln oder knien, diese Kategorien kommen in meinem Sprachschatz zu diesem Thema nicht vor. Die Schärfen, die die neuen Kapitalregeln Basel III für die Kreditvergabe an Unternehmen bedeuten können, dürften aber nicht unter den Tisch gekehrt werden, findet Gusenbauer. "Das dürfen wir nicht geringschätzen." Die - so Gusenbauer - "entscheidende Frage, die Treichl hier nannte, soll nicht im Lärm der derzeitigen Diskussion untergehen". "Hierbei handelt es sich um ein reales Thema."

Zur Frage des Stils in Treichls Worten äußerte sich Gusenbauer nicht: "Ich gebe keine Haltungsnoten ab, das ist mir viel zu politisch", sagte der ehemalige SPÖ-Spitzenpolitiker zur APA. "Ich bin ja kein Politiker mehr, ich bin ein Mann der österreichischen Wirtschaft", und er werde deshalb weder den Ton noch die Reaktionen bewerten.

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