„Krone“-Interview

Steinhart: „Kein Profit mit unserer Gesundheit“

Österreich
17.02.2022 06:00

Angesichts eines Pflegeskandals in Frankreich plädiert Dr. Johannes Steinhart im „Krone“-Interview, Pflege und Gesundheit „über den Profit“ zu stellen.

„Krone“: Sie sind Vizepräsident der österreichischen Ärztekammer und haben den Pflegeskandal in Frankreich sicherlich noch genauer beobachtet als wir medizinische Laien. Dort wurden Senioren trotz eines bis zu 8000 Euro teuren Pflegeplatzes sogar die Kekserln abgezählt. Sind denn solche unhaltbaren Zustände auch bei uns denkbar?
Dr. Johannes Steinhart: Wir wissen zwar, dass die jetzt ins Visier geratene französische Gruppe 2015 den heimischen Pflegeanbieter und Marktleader in Österreich übernommen hat. Aber derartige Vorfälle sind mir im privaten Gesundheitssektor, der ja per se gewinnorientiert arbeiten muss, nicht bekannt, und es wird sie hoffentlich niemals geben.

Und dennoch sind Sie momentan nicht nur wegen Corona besorgt?
Unser Gesundheitssystem darf keiner solchen Ökonomisierung ausgesetzt werden und muss über dem Profit stehen. Festhalten muss ich jedoch, dass unter anderem unsere Ordensspitäler zu den weltbesten gehören.

Ist doch alles heil in unserem Gesundheitssystem?
Eben nicht! Das System ächzt in allen Fugen. Es wird laufend noch eingespart. Ärzte und Schwestern werden ausgepresst und sind am Ende ihrer Kräfte.

Ihr notfallmedizinisches Gegenrezept?
Der Staat muss statt einzusparen massiv investieren und stattdessen Geld in Spitäler pumpen. Denn was jetzt passiert, mündet in einer Sackgasse und geht letztlich zu Lasten der Patienten. Der falsch verstandenen Ökonomisierungsdruck gehört sofort von den Schultern genommen.

Da geht es auch um Ethik und Moral ...
Definitiv - ein Staat wird daran gemessen, wie er mit älteren, schwachen und kranken Menschen umgeht.

Und auch daran, wie er die Spitalsärzte, die Krankenschwestern und die Heerscharen an überaus engagierten Pflegern behandelt!
Wir dürfen bei dieser Aufzählung in keiner Sekunde die niedergelassenen Ärzte vergessen. Auch sie leisten in ihren Praxen und Gemeinschaftsordinationen Großartiges. Gerade die Corona-Krise hat manche von den Kollegen im wahrsten Sinne des Wortes an den Rand eines Kollaps gebracht. Auch für sie müssen die Rahmenbedingungen verbessert werden.

Darunter leiden ja auch die Patienten massiv?
Ich kenne Beispiele, wo sich eine Stationsschwester um bis zu 25 Patienten kümmern muss und von einem Bett zum anderen hetzt.

Konkreter Verbesserungsvorschlag in Ordinationen?
Es muss Schluss mit den von den Kassen aufoktroyierten Deckelungen sein. Es ist nicht einzusehen, dass bestimmte Leistungen nur einer gewissen Anzahl an Patienten zugutekommen, für den Rest aber dann nicht mehr bezahlt wird.

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