Drogen-Überdosis

Protokoll des Schreckens: Letzte Wochen von Melina

Tirol
16.01.2022 11:00
Wie haben die letzten Wochen vor dem Drogentot im August 2020 der damals erst 13-jährigen Melina (Name geändert) ausgesehen? Ein Bericht des Amtes für Kinder- und Jugendhilfe in Innsbruck, der der „Tiroler Krone“ vorliegt, gibt erschreckende Einblicke in das Leben der Tirolerin und zeigt Schwachstellen des Systems auf.

Am 12. August 2020 starb Melina an einer Drogen-Überdosis. In die Suchtspirale rutschte sie gerade einmal sechs Monate vor ihrem Tod ab. Mehrfach wurde sie in die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hall eingeliefert. Ihre Familie ist davon überzeugt, dass diese Tragödie verhindert hätte werden können. Daher zieht sie gegen die Tirol Kliniken vor Gericht. Vertreten wird sie von Anwalt Markus Abwerzger.

Die für die 13-Jährige damals zuständige Sozialarbeiterin der Kinder- und Jugendhilfe verfasste einen sieben Seiten langen Bericht, der aufzeigt, wie das Leben der Tirolerin kurz vor ihrem Tod war. Auszüge davon:

18.6.2020: Es fand ein Gespräch mitunter zwischen der Sozialarbeiterin, Melina und deren Vater statt. Er sagte, dass er am Ende sei, dass Melina einen „extrem starken Konsum illegaler Substanzen“ habe und immer wieder abtauche. Er sei nicht mehr bereit, Abgängigkeitsmeldungen bei der Polizei zu machen, da diese nichts unternehme, insofern Melina für sie telefonisch erreichbar sei – und das sei der Fall. Der Vater habe einer Fremdunterbringung seiner Tochter zugestimmt.

Die 13-Jährige gab an, dass sie ins „Chillout“ gehen wolle, eine Unterbringung im „KIZ“ habe sie abgelehnt. Vorgeschlagen wurde ihr die Einrichtung „Turntable“, einen freien Platz gab es dort. „Darauf hatte die junge Tirolerin keinen Bock. Sie sei mit ihren wechselnden Schlafplätzen und ihrem Leben auf der Straße derzeit so zufrieden“, heißt es.

Betäubte sich die junge Tirolerin mit den Drogen?
18.6. bis 24.6.2020: Melina teilte ihrer ambulanten Betreuerin mit, dass sie vermute, im beeinträchtigen Zustand von einem „Kollegen“ vergewaltigt worden zu sein. Die Betreuerin habe zunehmend den Eindruck, dass sich Melina mithilfe von Drogen betäube und sich nicht mehr spüren wolle. Am 26. Juni berichtete die Betreuerin, dass sich die Situation mit dem Kindsvater zuspitze, es gebe Reibereien mit seiner Tochter. Die Betreuerin orte Hilflosigkeit auf Seiten des Vaters.

Der Schulsozialarbeiter äußerte seine Bedenken
25.6.2020: Es fand ein weiteres Gespräch statt. Die Mutter von Melina habe ihre „großen Sorgen“ ausgedrückt und habe auch einer Fremdunterbringung ihrer Tochter zugestimmt. Die 13-Jährige äußerte, in die Cranach-WG ziehen zu wollen, weil dort auch eine gute Freundin untergebracht sei.

1.7. bis 10.7.2020: Melina und ihre Betreuerin nahmen ein Gespräch bei „Turntable“ wahr, sie habe den freien Platz aber nicht annehmen wollen. Eine Platzanfrage bei der „Cranach-WG“ blieb erfolglos. Melina sagte, sie wolle in die Kurzzeitwohngemeinschaft „NeMo“, weil ihre Freundin mittlerweile dort sei. Eine Anfrage dort ergab allerdings, dass kein freier Platz zur Verfügung stand.

Am 10. Juli platzierte der Schulsozialarbeiter seine „großen Sorgen“ um Melina. Sie habe anfänglich noch sein Angebot genutzt, aber mittlerweile sei sie immer weniger greifbar und habe die vergangenen Wochen nicht mehr in der Schule verbracht. Er sei davon überzeugt, dass die junge Tirolerin aus ihrem Umfeld und aus Innsbruck heraus müsse. Die Sozialarbeiterin stimmte zu, doch sie betonte, dass in Österreich keinerlei Möglichkeit der Zwangsunterbringung bestehe.

„Wegen Bettenkapazität keine stationäre Aufnahme
15./16.7.2020: Melina übernachtete bei einer Freundin im „Netz“. Sie konsumierte Drogen und war nicht ansprechbar. Die 13-Jährige kam zuerst auf die geschlossene Psychiatrie für Erwachsene der Klinik Innsbruck. Die Sozialarbeiterin kontaktierte die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hall. „Wegen der Bettenkapazität ist eine stationäre Aufnahme nicht möglich. Auch die Voraussetzungen für eine Unterbringung im geschlossenen Bereich gegen den Willen von Melina ist keinesfalls gegeben, da die Tirolerin kein selbst- oder fremdgefährdendes Verhalten zeigt“, hieß es. Laut der Sozialarbeiterin schien die Minderjährige zu diesem Zeitpunkt hingegen sehr wohl „massiv selbstzerstörerisch“ zu handeln.

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