Quo Vadis, Al-Kaida?

Osama-Nachfolger ist Kinderarzt – doch wer hört auf ihn?

Ausland
02.05.2011 19:09
Osama bin Laden ist tot, Freudentaumel in den USA, Erleichterung in der Welt. Aber können wir wirklich aufatmen? Das Terrornetzwerk Al-Kaida hat zwar seine charismatische Symbolfigur verloren, nicht jedoch den "Geschäftsführer" der Terrorplanungen: den ägyptischen Kinderarzt Ayman al-Zawahiri (rechts). Als "Nr. 2" von Al-Kaida übernimmt er nun die Nachfolge. In der Welt wächst die Sorge vor Vergeltungsschlägen. Doch manche Experten bezweifeln, dass sich Al-Zawahiri in der Organisation überhaupt Gehör verschaffen kann.

Der 49-jährige Ayman al-Zawahiri war schon mit 14 Jahren den ägyptischen Moslembrüdern beigetreten. Die waren ihm aber bald nicht radikal genug. Nach abgeschlossenem Medizinstudium baute er seine eigene ägyptische Terrororganisation auf, den "Islamischen Jihad".

Al-Zawahiris Organisation plante in der Folge die Ermordung des ägyptischen Präsidenten Sadat und zahlreicher Touristen. Nach ägyptischer Haft setzte er sich nach Afghanistan ab. Bald wurde er zur "rechten Hand" Osama bin Ladens und zum Chefideologen von Al-Kaida.

25 Millionen Dollar Kopfgeld
Für die USA war und ist die Ergreifung beziehungsweise Ausschaltung des Ayman al-Zawahiri gleich viel wert wie jene des Osama bin Laden: 25 Millionen Dollar Kopfgeld sind auf ihn ausgesetzt.

Nach Ansicht der US-Regierung ist Al-Kaida nach dem Bin-Laden-Tod zwar geschwächt, aber noch lange nicht geschlagen. Washington warnt eindringlich vor Vergeltungsterror, besonders gegen US-Einrichtungen und US-Bürger. Im Internet schwören wütende "Gottskrieger" Rache, um zu zeigen, "dass wir noch da sind". Ägyptens Polizei hat Extraschutz für Touristen angeordnet.

Wer hört auf den Kinderarzt?
Doch es gibt auch Experten, die glauben, dass Al-Zawahiri seinen Willen nicht in ähnlicher Weise innerhalb des Terrornetzwerks durchsetzen kann, wie dies Bin Laden gelungen sei. "Dazu ist er nicht in der Lage", sagt zum Beispiel Jean-Pierre Filiu, Professor an der Pariser Politik-Kaderschmiede Sciences Po und Autor eines Buchs über Al-Kaida. Ähnlich sieht es der französische Anti-Terror-Richter Marc Trevidic. Bin Laden sei als ideologischer Anführer "als Einziger in der Lage gewesen, die vielen verschiedenen Gruppen in aller Welt zusammenzuhalten". Deshalb sei seine Tötung ein "sehr schwerer Schlag" für Al-Kaida.

"Doppelte Niederlage für Al-Kaida"
Joachim Krause von der Universität Kiel, Herausgeber des "Jahrbuch Terrorismus", sieht das Netzwerk von Osama bin Laden gar in einer "doppelten Niederlage". Denn der Tod des Anführers schwäche das Netzwerk zweifellos, gleichzeitig sei aber auch die Entwicklung in Nordafrika und in den arabischen Ländern eine Niederlage. "Da gehen die Leute auf die Straße, aber nicht wegen Al-Kaida oder wegen des Islam, sondern weil sie anständige Jobs, anständige Schulausbildung, anständige Wohnungen und demokratische Verhältnisse haben wollen." Im Tod Bin Ladens sieht der Wissenschaftler eine große Schwächung.

"Aber der Al-Kaida-Terror wird weitergehen, er wird sich umorganisieren." Es könne sein, dass sie zersplittern und dass Führungskämpfe ausbrechen, wer nun das Sagen habe, meinte der Herausgeber. Eine neue Terrorgefahr sei sehr gut möglich. "Al-Kaida wird Rache schwören. Das wird in verschiedenen Attentaten seinen Niederschlag finden."

Vor allem USA und Obama im Visier der Terroristen
Die Gefahr richte sich auch gegen Europa, aber in erster Linie gegen die USA und Präsident Barack Obama. "Man weiß ja nicht, was bereits geplant und angedacht war und vielleicht nun vorher durchgezogen wird." Möglicherweise seien die US-Aktionen noch gar nicht zu Ende. Es gehe nun auch um den Stellvertreter von Osama bin Laden und die weitere Führungscrew. Es könne sein, dass es in den nächsten Tagen noch mehr solche Vorfälle gebe. Man werde deshalb wissen wollen, wo Osama bin Ladens Stellvertreter sitzen. Man habe ja die Crew bisher "irgendwo in den Bergen" vermutet.

"Sie werden weitermachen mit Terror, aber es ist möglicherweise schon der Anfang vom Ende Al-Kaidas", meint Krause. Ob man immer noch Angst haben müsse? "Ja, es gibt ja mehrere Verrückte. Wir reden von Zehntausenden in der islamischen Welt. Das ist anders als mit der Roten Armee Fraktion in Deutschland vor dreißig Jahren." Das seien nur ein paar Hundert, zusammen mit den Sympathisanten vielleicht 3.000 oder 4.000 gewesen. Aber im Falle Al-Kaidas gebe es eine weit größere Zahl von Aktiven und Sympathisanten.

von Kurt Seinitz (Kronen Zeitung) und krone.at

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