„Krone“ vor Ort

Reise in den Vorhof von Afghanistan

Ausland
13.11.2021 06:00

Reise in den Vorhof Afghanistans: Österreichs Außenminister Michael Linhart (ÖVP) ist derzeit auf Tour durch die islamisch geprägten Staaten in Zentralasien. Die Regierungen dort machen klar, dass sie nicht bereit sind, Flüchtlinge aufzunehmen ...

„Wir nehmen keine Flüchtlinge aus Afghanistan auf. Keinen einzigen Flüchtling!“ Die Botschaft für Österreichs neuen Außenminister Linhart bei dessen Reise durch vier Republiken in Zentralasien könnte eindeutiger nicht sein. Die Staaten, die eine teilweise mehr als 1000 Kilometer lange Grenze mit dem Land am Hindukusch haben, sind nicht einmal bereit, Menschen aus Afghanistan aufzunehmen, die ihrer eigenen Volksgruppe angehören.

Länder setzen auf humanitäre Hilfe
So sagt der turkmenische Herrscher Gurbanguly Berdimuhamedow ganz klar: „Auch Afghanen, die der turkmenischen Minderheit angehören, schicken wir zurück.“ Turkmenistan leiste humanitäre Hilfe in Afghanistan, baue etwa Gesundheitszentren oder auch einen Supermarkt. Man sei auch in Gesprächen mit den Taliban, aber nun brauche es vor allem eines, so Berdimuhamedow - viel Geduld.

Die usbekische Regierung ist ebenfalls nicht bereit, etwaige Flüchtlinge aus dem Land der Taliban aufzunehmen, auch keine Usbeken. Hintergrund sind schlechte Erfahrungen mit der organisierten Kriminalität. Denn Mitte der 90er-Jahre organisierte der usbekischstämmige afghanische Warlord „General“ Dostum über Usbekistan den Drogenhandel in Richtung Europa.

Und auch die Verantwortlichen in Tadschikistan erklären, dass die Grenze zu Afghanistan „dicht“ sei. Das ist zwar aufgrund des teils extrem schwierigen Geländes, durch das die Grenze verläuft, gar nicht möglich, zeigt aber dennoch die Absicht der Regierung.

Keine Flüchtlings-Deals mit Staaten möglich
Überlegungen in Europa, speziell auch bei der österreichischen Regierung, die Nachbarländer Afghanistans sollten sich bei einer etwaigen Massenflucht aus Afghanistan der Menschen annehmen, sind damit Makulatur. Die Staaten zeigen einfach keinerlei Bereitschaft dazu. Auch nicht gegen entsprechende finanzielle Unterstützung. Einen Deal wie etwa mit der Türkei, die von der EU für die Aufnahme von rund 3,5 Millionen Flüchtlingen aus Syrien mit Milliarden unterstützt wird, wird es mit den zentralasiatischen Staaten nicht geben.

Das hat vor allem zwei Gründe: erstens die wirtschaftlich und sozial ohnehin höchst angespannte Situation in der Region. Zweitens - und wohl noch viel entscheidender - die Angst vor einem Überschwappen des radikalen Islam. Denn die früheren Sowjetrepubliken sind muslimisch geprägt, wobei die Regierungen Wert auf einen liberalen Islam und eine strikte Trennung zwischen Religion und Politik legen. Wodka ist zumindest in den großen Städten allgegenwärtig, dennoch gibt es Strömungen der stärkeren Islamisierung. Vor allem bei jungen Männern.

Institut gegen radikalen Islam
Usbekistan etwa versucht, dem mit einem Islaminstitut entgegenzuwirken, in dem alle Imame ausgebildet werden. Dieses Institut, das nach seinem baldigen Umzug in einen gerade im Bau befindlichen gigantischen Komplex in Taschkent das größte derartige Institut weltweit sein wird, nimmt für sich in Anspruch, den „wahren Islam“ zu lehren - eine tolerante Religion, in der Christen und Juden gleichermaßen geschätzt werden. Der Islam, betont einer der Verantwortlichen, sei eine Religion des Friedens und habe nichts mit Terrorismus zu tun: „Junge Leute, die zu Terroristen werden, missverstehen den Islam.“

Außenminister Linhart bezeichnet die Länder Zentralasiens als „Schutzschild“ rund um das „schwarze Loch“ Afghanistan. Was die etwaige Aufnahme von Flüchtlingen angeht, trifft das sicher nicht zu. In Bezug auf den Umgang der Länder mit dem radikalen Islam aber sehr wohl.

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