Großstadt eingenommen

Sicherheitskräfte fliehen scharenweise vor Taliban

Ausland
14.08.2021 22:53

Es sind dramatische Bilder, die uns dieser Tage aus Afghanistan erreichen: So haben Taliban-Kämpfer am Samstag mit der Großstadt Mazar-i-Sharif die letzte Hochburg der Regierung im Norden des Landes eingenommen. Wie auf Videoaufnahmen (siehe Videos unten) zu sehen ist, flohen die Sicherheitskräfte scharenweise aus der Stadt zur usbekischen Grenze. Zugleich rücken die militant-islamischen Truppen immer näher an die Hauptstadt Kabul heran - während westliche Staaten sich beeilten, ihr eigenes Personal und afghanische Ortskräfte in Sicherheit zu bringen.

Die Islamisten seien gegen 21 Uhr (Ortszeit) in die Stadt eingedrungen. Daraufhin hätten sie Gefangene aus dem Zentralgefängnis der Stadt freigelassen. Ex-Gouverneur Mohammad Atta Nur und Ex-Kriegsfürst Abuld Raschid Dostum sollen in die Stadt Hairatan an der Grenze zu Usbekistan geflohen sein und versuchen, die Grenze zu überqueren. Auch andere Sicherheitskräfte würden dasselbe versuchen.

„Taliban haben die Kontrolle übernommen“
„Die Taliban haben die Kontrolle über Mazar-i-Sharif übernommen“, sagte Afzal Hadid, Leiter des Provinzrats von Balkh. Die viertgrößte Stadt von Afghanistan fiel offenbar kampflos an die Taliban. Die Soldaten hätten ihre Ausrüstung zurückgelassen und sich auf den Weg zum Grenzübergang gemacht. „Alle Sicherheitskräfte haben die Stadt verlassen“, sagte Hadid, auch wenn es in einer Gegend außerhalb des Stadtzentrums noch zu sporadischen Zusammenstößen gekommen sei.

Die Eroberung von Mazar-i-Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh ist ein weiterer großer Erfolg für die Taliban, die in den vergangenen Wochen seit der Entscheidung über den Abzug der internationalen Truppen große Teile Afghanistans erobert haben. Damit hält die Regierung lediglich noch zwei Großstädte - Jalalabad im Osten und die Hauptstadt Kabul.

Die Islamisten hatten seit rund einer Woche Mazar-i-Sharif intensiv angegriffen. Immer wieder versuchten sie von mehreren Seiten, in die auch wirtschaftlich starke Metropole mit geschätzt 500.000 Einwohnern einzudringen. Milizen von Nur und Dostum hatten zuletzt nördlich der Stadt eine zusätzliche Verteidigungslinie zur Unterstützung der Sicherheitskräfte aufgebaut.

Präsident hatte Stadt noch vor wenigen Tagen besucht
Präsident Ashraf Ghani hatte die belagerte Stadt Mazar-i-Sharif erst vor wenigen Tagen besucht. In Mazar-i-Sharif hatte die deutsche Bundeswehr bis vor kurzem ein großes Feldlager im Camp Marmal in der Nähe des Flughafens. Dort waren bis zum Sommer noch rund 1000 deutsche Soldaten stationiert.

Auch die zweit- und die drittgrößten Städte des Landes - Kandahar und Herat - sind bereits an die Islamisten gefallen. Mittlerweile kontrollieren sie 21 der 34 Provinzhauptstädte des Landes. Kurz vor dem Fall von Mazar-i-Sharif bestätigten lokale Behördenvertreter auch den Fall der Provinzhauptstadt Gardez in Paktia im Südosten des Landes.

Taliban wollen „Islamisches Emirat Afghanistan“ errichten
Am Samstag waren bereits zwei weitere kleine Provinzhauptstädte im Osten - Asadabad in Kunar und Sharana in Paktika im Südosten - kampflos an die Taliban gegangen. Die Aufständischen wollen ein „Islamisches Emirat Afghanistan“ errichten, so wie schon vor dem Einmarsch der US-Truppen im Jahr 2001.

In Kabul beschleunigten unterdessen die westlichen Staaten ihre Bürger und Mitarbeiter in Sicherheit vor den heranrückenden Taliban zu bringen. Erste US-Soldaten trafen in der afghanischen Hauptstadt ein, die die Evakuierungen sichern sollen. Bis Sonntag würden weitere Truppen eintreffen, sagt ein US-Vertreter. Allerdings versuchten die Islamisten, die Hauptstadt mit ihren vier Millionen Einwohnern zu isolieren, sagte Ministeriumssprecher John Kirby.

5000 US-Soldaten sollen bei Kabul-Evakuierung helfen
Angesichts des raschen Vorrückens der Taliban-Miliz auf Kabul erhöhte US-Präsident Joe Biden die Zahl der US-Soldaten, die bei der Evakuierung der Botschaft in der afghanischen Hauptstadt helfen sollen. Statt der vorhergesehenen 3000 Soldaten sollten nun „etwa 5000 Soldaten“ eingesetzt werden, um die Ausreise des Botschaftspersonals und unzähliger ziviler Ortskräfte zu sichern, erklärte Biden am Samstag nach Rücksprache mit seinen Sicherheitsberatern.

Die Rückkehr der Mittelalter-Praktiken
Indessen sorgten Videos und Bilder von zwei mutmaßlichen Straftätern für Aufregung, die Berichten zufolge von militant-islamistischen Taliban-Kämpfern an einem Strick durch die Stadt geführt wurden. In den in sozialen Netzwerken kursierenden Videos ist zu sehen, wie die Männer, deren Gesichter mit schwarzer Farbe bemalt sind, erst auf ein Podest gestellt und dann an einem Strick über eine Straße geführt werden.

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