Ohne Vorwarnung

NÖ: Ex-UNO-Soldat wurde zum Polizistenmörder

Österreich
12.02.2011 18:58
Wie wurde aus einem angesehenen UNO-Soldaten und Buchhalter ein Polizistenmörder, der binnen Sekunden das Leben eines jungen Beamten auslöschte und einen weiteren schwer verletzte? Diese Frage gilt es nach dem wilden Schusswechsel im niederösterreichischen Hirtenberg am Freitag für die geschockten Kollegen der beiden Opfer zu klären. Immer neue Details werden bekannt: Thomas P. (34) galt seit Jahren als Waffennarr und litt offenbar an einem Kriegstrauma.

Das gepflegte Einfamilienhaus zwischen Feuerwehr und E-Werk in Enzesfeld-Lindabrunn ist frisch verputzt. Hier wollte Familienvater Thomas P. mit Frau und Tochter (9) ein neues Leben beginnen. Doch Freitagnachmittag holten ihn die dunklen Schatten seiner Vergangenheit als Soldat am Golan (1997) und im Kosovo (1999) ein. Offenbar hatten die vielen grauenhaften Nachkriegsbilder sein Wesen stark verändert. Seine Mutter meint heute noch: „Der Mann, der aus dem Kosovo zurückgekommen ist, war nicht mehr der Thomas, der er vorher war.“

„Lieber bin ich tot als hinter Gittern!“
Das tragische Endes des Ex-Buchhalters als Amokläufer und das blutige Gefecht im Zeitraffer: Nach Tagen der Flucht – aus Furcht vor einer Gefängnisstrafe wegen eines Finanzbetrugs – kehrt Thomas P. nach Hause zurück, geht zum Waffenschrank und holt seine Glock-Pistole aus dem Tresor. Er sagt: „Lieber bin ich tot als hinter Gittern!“ Sofort ruft seine Frau besorgt am Polizeiposten an. Im Bezirk wird Alarm ausgelöst.

Um 15.18 Uhr kommt es im Wald beim Bahnübergang Hirtenberg zur fatalen Begegnung. Als zwei Beamte Thomas P. überprüfen, meint er: „Ich bin ja gar nicht der, den ihr sucht. Ich bin der Franz Mayer.“ Als ihn die Uniformierten auffordern, die Hände aus den Taschen zu nehmen und mitzukommen, eröffnet er sofort das Feuer – ohne Vorwarnung!

Obwohl mehrfach getroffen, erwidern die Polizisten den Angriff. Der Schütze stirbt an einem selbst zugefügten Kopfschuss, zwei der vier Treffer der Polizisten wären jedoch ebenfalls tödlich gewesen. Die Funkgeräte der beiden Polizisten wurden durch Kugeln aus der Waffe des Amokläufers zerstört. Mit Signalschüssen wollen sie deshalb Helfer auf ihre Lage aufmerksam machen.

Lebertreffer kostete Polizisten das Leben
Trotz bestmöglicher Hilfe erliegt Andreas H. (26) nach der Rettung schließlich am Samstag um 12.40 Uhr im Spital seinen Verletzungen. Tödlich war letztendlich ein Treffer in die Leber. Sein Kamerad Manfred W. überlebt. Er begeht im Spital seinen 39. Geburtstag. Das Funkgerät, das in seiner Jacke steckte, war zum Lebensretter geworden: Die Kugel, die in sein Herz eingedrungen wäre, war in der Tastatur stecken geblieben (siehe Bild).

„Thomas war mit den Nerven am Ende“
Pauline P., die Ehefrau des Täters, ist nach der Tat am Boden zerstört. Trotzdem stellt sie sich dem „Krone“-Interview. „Thomas war mit den Nerven am Ende. Der Gedanke, dass er ins Gefängnis muss, machte ihn psychisch krank. Er wollte davor davonlaufen. Dann hat er noch gesagt: ,Ich hab dich lieb, aber ich muss das Ganze jetzt beenden.‘“

Sofort rief Pauline P. die Polizei. „Als der Beamte da war, hab ich ihm ein Gewehr und eine Pistole aus dem Tresor ausgehändigt und ihn angefleht: „Passen Sie auf! Eine Pistole fehlt. Die hat Thomas mit, weil er sich umbringen will!“

„Warum ausgerechnet er?“
Die Kollegen des mit vier Kugeln getöteten Andreas H. vom Polizeiposten in Bad Vöslau stehen unterdessen unter Schock. „Warum ausgerechnet er?“ - Der 26-Jährige galt als „Vorzeige-Beamter“. „Er ist erst vor kurzer Zeit direkt von der Polizeischule zu uns gekommen, hat mustergültig gearbeitet und war auch immer sehr vorsichtig“, erzählt ein Vorgesetzter im Gespräch mit der „Krone“. In der Heimatgemeinde des Wirtssohnes und Oldtimer-Fans stehen die Flaggen auf Halbmast.

Derweil weichen die Angehörigen des schwer verletzten Polizeibeamten Manfred W. aus Bad Vöslau keine Sekunde vom Krankenbett des Mannes. „Wir beten für ihn und hoffen, dass alles doch noch gut ausgeht“, sagen sie. Vor drei Jahren ist der beliebte Beamte aus Sorge um seinen kranken Sohn aus Wien in seine Heimatgemeinde zurückgekehrt. Hatte aus Liebe zur Familie seinen Posten im Ministerium aufgegeben. Alle Kinder im Ort kennen den „Herrn Inspektor“. Er hat ihnen die Fahrradprüfung abgenommen und sie über den Schutzweg begleitet. Samstagnachmittag gab es dann den ersten Hoffnungsschimmer der Ärzte in der Klinik: „Es besteht keine akute Lebensgefahr mehr.“

von Gregor Brandl, Christoph Matzl, Thomas Schrems, Michael Pommer, Reinhard Judt, Helmuth Horvath und Franz Crepaz (Kronen Zeitung) und krone.at

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele