Das EM-Stadion in München wird beim Gruppenfinale der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Ungarn am Mittwoch nicht in Regenbogenfarben als Zeichen für Toleranz und Gleichstellung erstrahlen. Die Europäische Fußball-Union lehnte einen entsprechenden Antrag des Münchner Oberbürgermeisters Dieter Reiter (SPD) am Dienstag ab. Die UEFA sei „aufgrund ihrer Statuten eine politisch und religiös neutrale Organisation. Angesichts des politischen Kontextes dieser speziellen Anfrage - eine Botschaft, die auf eine Entscheidung des ungarischen Parlaments abzielt - muss die UEFA diese Anfrage ablehnen“, teilte der Dachverband mit. Jetzt gibt es vehemente Reaktionen darauf.
Ungarn begrüßte die UEFA-Entscheidung. Die Europäische Fußball-Union habe „die richtige Entscheidung getroffen“, sagte Außenminister Peter Szijjarto (im Bild unten) am Dienstag am Rande eines EU-Ministertreffens in Luxemburg vor ungarischen Journalisten. „Man hat entschieden, sich nicht für eine politische Provokation gegenüber Ungarn einspannen zu lassen“, fügte er hinzu. Die Anfrage der Münchener Stadtratsfraktionen sei in einem „politischen Kontext“ erfolgt, der mit einer Botschaft einhergehe, die „auf eine Entscheidung des ungarischen Parlaments abzielt“. Szijjarto sagte, die UEFA-Verantwortlichen hätten „ihren nüchternen Verstand bewahrt“.
Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Bayern kündigte Protestaktionen an der Arena vor dem Gruppenfinale der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Ungarn am Mittwoch (21.00 Uhr) in der bayerischen Landeshauptstadt an. An anderen Bundesliga-Stadien sollen während des Spiels Zeichen gesetzt werden. Die Regenbogenfahne steht als Symbol für die Akzeptanz und Gleichberechtigung von Menschen, die sich nicht mit dem traditionellen Rollenbild von Mann und Frau oder anderen Normen rund um Geschlecht und Sexualität identifizieren.
Kritik am UEFA-Vorgehen kommt hingegen aus der deutschen Politik. „Liebe UEFA, es ist nicht so, dass ich von euch viel erwartet habe. Aber ihr seid noch peinlicher als ich dachte. Schämt euch!“, schrieb SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Dienstag bei Twitter. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte in Berlin: „Die Ablehnung ist eine Entscheidung der Gestrigen.“ Katarina Barley (SPD), Vize-Präsidentin des Europaparlaments, schrieb: „Vor Autokraten einzuknicken hat noch nie zu etwas Gutem geführt.“
Die Grünen riefen dazu auf, Regenbogenflagge zu zeigen. „Für Toleranz. Gegen Homofeindlichkeit. Nicht nur, wenn es um Fußball geht. Lasst uns ein starkes Zeichen der Vielfalt setzen und den Regenbogen durchs Land tragen“, schrieb Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock (oben im Bild) in dem Kurznachrichtendienst. Die Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, erklärte: „Menschenrechte gelten für alle Menschen, überall. Auch im Stadion. (...) Flagge können wir morgen trotzdem zeigen. Im Stadion oder eben am Balkon“.
„Hat nichts verstanden“
Die Linke schrieb auf ihrem Twitter-Account: „Wer bei Menschenrechten von Neutralität spricht, hat nichts verstanden.“ Auch der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP im Bundestag, Marco Buschmann, bedauerte die Entscheidung. „Die #Regenbogenfarben stehen für Selbstbestimmung, Toleranz, Weltoffenheit, Freiheit“, schrieb er.
Die Arena wird nun wie vorgesehen in den Farben der UEFA und der teilnehmenden Nationen leuchten. Der Dachverband habe der Stadt München aber vorgeschlagen, das Stadion entweder am 28. Juni - dem Christopher Street Liberation Day - oder zwischen dem 3. und 9. Juli, der Christopher Street Day Woche in München, mit den Regenbogenfarben zu beleuchten.
Werden Stadien anderer deutscher Städte in Regenbogenfarben leuchten?
Wegen der UEFA-Absage wollen zumindest andere deutsche Stadionbetreiber Zeichen setzen. So sollen unter anderem die Fußball-Arenen in Frankfurt und Köln am Mittwoch während der EM-Partie der deutschen Mannschaft gegen Ungarn bunt erstrahlen.
„Wenn München am Mittwoch nicht darf, dann müssen eben die anderen Stadien im Land Farbe bekennen. Auf jetzt, Kollegen in der Liga“, twitterte Eintracht Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann in der Nacht zum Dienstag. Der Klub-Boss kündigte an: „Der Deutsche Bank Park schaltet zum Spiel gegen Ungarn den Regenbogen an. Das Waldstadion bleibt bunt.“ Ähnliches ist für das Kölner Bundesliga-Stadion geplant, wie ein Sprecher bestätigte.
Hintergrund des Protestes ist ein Gesetz, das die Informationsrechte von Jugendlichen in Hinblick auf Homosexualität und Transsexualität einschränkt und das erst am vergangenen Dienstag vom ungarischen Parlament gebilligt wurde. Das Gesetz gilt als besonderes Anliegen von Ministerpräsident Viktor Orban (im Bild oben). Entsprechend laut war die Forderung nach einem klaren Zeichen bei der Fußball-EM in Deutschland geworden.
Weder in Braun noch in Rot
Münchens Oberbürgermeister Reiter hatte sich in einem Schreiben an die UEFA und den Deutschen Fußball-Bund für eine Ausnahmegenehmigung stark gemacht, um „ein weithin sichtbares Signal für unser gemeinsames Werteverständnis“ zu senden. In Ungarn war dieser Vorstoß nicht gut angekommen. „Für die linke Münchner Stadtführung haben wir wiederum die Botschaft: die Politik hat auf dem Fußballplatz nichts zu suchen. Weder in brauner noch in roter noch in regenbogenfarbener Verpackung“, schrieb die regierungsnahe Budapester Tageszeitung „Magyar Nemzet“ am Dienstag.
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