Patentfreie Impfungen?

„Keine Pharmafirma würde mehr Neues entwickeln!“

Ausland
05.03.2021 18:26

Die Pandemie ist erst dann so richtig vorbei, wenn sie für alle vorbei ist - wenn also auch in Entwicklungsländern möglichst viele Menschen eine Impfung erhalten haben. Solange das nicht der Fall ist, wird das Virus immer und immer wieder um die Welt gehen - womöglich sogar in einer mutierten Form, gegen die erst eine neue Impfung entwickelt werden muss. Deswegen ist es wichtig, dass auch wirklich alle Länder Zugang zu den Impfstoffen haben. Im Dezember hatten allerdings 14 Prozent der Weltbevölkerung bereits mehr als die Hälfte der vielversprechendsten Impfstoffe aufgekauft. Ob das etwas mit den Patenten für die Impfung zu tun hat, warum es die braucht und ob es sie überhaupt braucht, das bespricht krone.tv-Moderatorin Damita Pressl diese Woche bei „Moment Mal“ mit Dr. Christiane Druml, Inhaberin des UNESCO-Lehrstuhls für Bioethik an der Med-Uni Wien, sowie mit Dr. Daniel Alge, promovierter Biochemiker und Präsident der Österreichischen Patentanwaltskammer.

Ein Patent schützt ein Produkt im Grunde vor Nachahmung, erklärt Patentanwalt Daniel Alge. Wer kein Patent auf ein patentiertes Produkt hat, der darf dieses auch nicht produzieren oder kommerziell nutzen. Damit kontrolliert der Patenthalter, wer produzieren darf, und verdient daran auch mit. In der Medizin besteht ein Patent maximal 20 Jahre, danach ist das Arzneimittel freigegeben: „Das ist dann der Zeitpunkt, wo die Generikahersteller das Recht haben, die Erfindung eins zu eins nachzumachen“, sagt Alge. Ein Patent „bietet eine Karotte für Innovation“, so Alge, ohne die „keine Pharmafirma mehr Investitionen erhalten würde, um Impfstoffe zu entwickeln“. Ähnlich sieht das auch der Patentanwalt Peter Puchberger - er schreibt in einer Stellungnahme für die „Krone“: „Für viele Medikamente, wozu auch Impfungen zählen, gilt der Grundsatz: Diese Medikamente würde es ohne Patentschutz nicht geben.“

Indien und Südafrika haben von der Welthandelsorganisation gefordert, die Patente der Pharmafirmen auf Covid-Impfstoffe aufzuheben, damit theoretisch jede Firma Impfstoff produzieren kann. Gut 100 Staaten unterstützen diese Forderung, die USA, Kanada, die Schweiz und die EU-Staaten jedoch legen sich quer. Es handle sich bei den Impfstoffen um das Ergebnis „langjähriger Forschung und Entwicklung“, stellt die Bioethikerin Christiane Druml klar: „Das ist ein Anreiz, wissenschaftliche Forschung für den Nutzen der Menschheit zu machen.“ Wenn Patente aufgehoben würden, müsste man die Forschungstätigkeiten und deren enorme Kosten anders kompensieren, sagt Druml. „Das stelle ich mir sehr unpraktikabel vor.“

Alge gibt außerdem zu bedenken: Es seien weltweit nur noch etwa zwei Prozent der Arzneimittel patentgeschützt. Patentfreie Medikamente, etwa gegen Malaria, kämen auch nicht einfach dort an, wo sie gebraucht werden. „Da ist die Preisgestaltung eigentlich egal“, sagt Alge, „das größte Problem ist, die Impfstoffe dann in den Ländern zu verteilen.“ Und: „Generikafirmen sind keine Samariter“, so Alge: In Indien sei der Handel mit generischen Arzneimittel ein großes Geschäft, auch hier sei das Ziel also kein allzu hehres. „Das sind Firmen, die auch Geld verdienen wollen und müssen.“ Dass Indien damit ein Interesse an der Aufhebung von Patenten hätte, ist klar, so Alge. Er bezweifelt aber, dass mit der Eigenproduktion dann tatsächlich auch vorrangig Menschen aus Entwicklungsländern geimpft würden: „Die indische Generika-Industrie produziert vor allem für den entwickelten, westlichen Markt.“

Große Hoffnung hat Druml bei der Covax-Initiative der Weltgesundheitsorganisation. „Das ist die Möglichkeit, schnell und ohne langwierige Verhandlungen die Impfstoffe an die Menschen zu liefern, die sie auch brauchen.“ Außerdem sei das Thema ja nicht nur, wer produzieren darf, sagt Druml. „Die Frage ist: Wie können wir so schnell wie möglich so viele Menschen wie möglich weltweit impfen?“ Und da würde es viel eher an der Logistik und dem Transport vor Ort scheitern.

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