Nobelpreis-Vergabe
Lius Frau will nach Oslo reisen – Chinas Führung blockt
Liu Xia wird nach wie vor von der Außenwelt abgeschirmt. "Ich darf keine Freunde oder Journalisten treffen. Wenn ich tägliche Besorgungen machen muss, wie einen Besuch bei meiner Mutter oder Einkäufe, muss ich in ihrem Polizeiauto fahren", sagte sie über ein Mobiltelefon, das ihr Bruder ihr besorgt hat. Ihr eigenes Handy wurde von den Behörden unbrauchbar gemacht.
Vor Liu Xias Wohnkomplex postierte Wachen lassen keine Besucher außer nahen Verwandten durch. Eine Delegation der Europäischen Union wurde abgewiesen, als sie ihr eine Grußbotschaft des EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso überreichen wollte. Bisher gibt es keine offizielle Begründung für den Hausarrest, von Vorwürfen gegen Liu Xia ist nichts bekannt.
Peking: "Nobelpreis missachtet Rechtssystem"
Das Nobel-Komitee hatte den 54-jährigen Schriftsteller und Dissidenten Liu Xiaobo am Freitag für seinen "langen und gewaltlosen Kampf" für die Menschenrechte in China mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Peking hat mit Wut und Empörung auf die Ehrung reagiert und bisher nicht durchblicken lassen, ob die Gattin Lius den Preis stellvertretend für ihren Mann entgegennehmen darf. In den Staatsmedien wird das Nobel-Komitee als Werkzeug der China-Feinde in der Welt porträtiert, Liu Xiaobo als "Krimineller" abgestempelt.
Ein Sprecher des Außenministeriums sagte am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Peking: "Die Vergabe des Friedenspreises durch das norwegische Nobel-Komitee an einen verurteilten Verbrecher im Gefängnis zeigt Respektlosigkeit gegenüber dem Rechtssystem in China." Politiker einiger Länder nutzten die Gelegenheit, "um China anzugreifen". Ihre Motive seien sehr zweifelhaft. "Es ist offensichtlich ein Fehler, wenn jemand versucht, auf diese Weise das politische System in China verändern und das chinesische Volk daran hindern zu wollen, Fortschritte zu machen."
Der Sprecher machte auch der norwegischen Regierung neue Vorwürfe: "Eine verantwortliche Regierung sollte wissen, was sie tun und lassen soll." Die Regierung Norwegens habe das Nobel-Komitee in seiner Entscheidung unterstützt. "Was sie getan haben, hat die bilateralen Beziehungen beschädigt. Das chinesische Volk hat jeden Grund, um unzufrieden zu sein."
"Experten" orten gezielte "Beleidigung" Chinas
Die Medien zitieren zudem Experten, die die Auszeichnung für den führenden demokratischen Denker als gezielte "Beleidigung" Chinas werten. Dem chinesischen Volk sei ziemlich egal, wofür Liu Xiaobo eintrete, heißt es da, ohne dass erwähnt wird, wofür sich der Nobelpreisträger denn überhaupt eingesetzt hat.
Indem Liu jetzt aber den Friedensnobelpreis den Opfern der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 widmet, erinnert er daran, dass dieses angeblich so unpolitische Volk vor zwei Jahrzehnten genau diese Werte laut eingefordert hat. Sie hätten ihren Wunsch nach Freiheit und Demokratie mit dem Leben bezahlt, sagte der Ausgezeichnete laut den Worten seiner Frau im Gefängnis.
Der Schriftsteller war im Dezember 2009 wegen Untergrabung der Staatsgewalt zu elf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Er hatte sich an der Verfassung und Verbreitung der sogenannten Charta 08, einem Aufruf zu umfassenden politischen Reformen in China, beteiligt.
Gattin will Wiederaufnahme von Lius Verfahrens
Seine Frau und seine Anwälte erwägen nun, einen neuen Prozess über die Haftstraße gegen den chinesischen Dissidenten zu beantragen. "Im Moment überlegen wir noch, welchen Weg wir gehen", sagte Lius Anwalt, Shang Baojun, am Dienstag. Es sei das Recht seines Mandanten, am Hohen Gericht in Peking eine Wiederaufnahme seines Verfahrens zu beantragen.
Für den Hausarrest von Lius Frau gebe es "keine rechtliche Grundlage", sagte der Anwalt. Liu Xia versuche gerade, bei der Polizei eine Erlaubnis für ein Treffen mit ihm und anderen Anwälten zu erlangen.
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