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KW 36 – die wichtigsten Neuerscheinungen der Woche

Musik
05.09.2020 06:00

Musik als Lebenselixier - besonders für das Wochenende, wo man hoffentlich auch Zeit dafür hat. Wir haben für euch wieder die besten Alben und Veröffentlichungen der Woche zusammengesammelt. Quer durch alle Genres ist hier garantiert für jeden was dabei. Viel Spaß dabei.

(Bild: kmm)

6ix9ine - Tattle Tales
Sexuelle Handlungen mit einer Minderjährigen, tätlicher Angriff auf einen Polizisten, illegaler Waffenbesitz, bewaffneter Raubüberfall, häusliche Gewalt, Gang-Streitereien - Daniel Hernandez aka Tekashi69 aka 6ix9ine ist selbst für US-Rap-Verhältnisse ein kriminelles Schwergewicht. Der talentierte Musiker mit den auffälligen Gesichtstattoos, Goldzähnen und bunten Haaren durfte aufgrund seines Asthmas aber während Corona in New York aus dem Gefängnis in den Hausarrest, aus dem er am 1. August entlassen wurde. Nur einen Monat später kommt er mit seinem zweiten Album „Tattle Tales“ ums Eck und versucht - wohl einmal mehr - wieder in eine halbwegs normale Spur zu kommen. Trap- und Cloud-Rap halten sich die Waage, dazu ein paar einfache Texte drübergestreut und mit Features von Akon oder Nicki Minaj aufgefettet. Fertig ist die Soundsuppe. Kann man haben, muss man aber nicht. 6/10 Kronen

All Them Witches - Nothing As The Ideal
In ihren bisherigen acht Jahren seit der Bandgründung haben sich All Them Witches in der Stoner-/Psychedelic-Rock-Szene schon einen stattlichen Namen machen können. Nach einer aufregenden Tour mit Ghost letzten Herbst hat das zum Trio geschrumpfte Gespann aus Nashville den Weg in die Londoner Abbey Studios angetreten, um mit „Nothing As The Ideal“ neue Kerben in die eigene Karriere zu ritzen. Rund um den fragilen, oft klagenden Gesang von Charles Michael Parks jr. spannt die Band ein vertracktes Prog-Gewitter, das sich deutlich von der eigenen Vergangenheit emanzipiert und hörbar Richtung Genregrößen der 70er schlendert. Easy Listening ist anders, aber die Mischung aus den bisherigen Alben und der klaren Richtungsänderung bzw. der Verzicht auf Keyboards steht den Amerikanern sehr gut zu Gesicht. Ein sehr spannendes Werk. 7,5/10 Kronen

Emily Barker - A Dark Murmuration Of Words
Als australische PJ Harvey hat man Emily Barker schon einmal vollmundig bezeichnet und auch wenn man gerne den Finger und Einspruch erheben würde, mit ihrer feinen Stimme und dem untrüglichen Gespür für basisch-träumerische Songs ist sie der Kultfigur halt doch wirklich nicht so fern, wie man es gerne vorschnell behaupten möchte. Auf „A Dark Murmuration Of Words“ hält sich Barker nicht mehr vornehm zurück, sondern besingt mit eindringlichen Melodien und hervorragender Backing-Band Themen wie den Klimawandel, Rassismus, Sexismus oder die Tücken des wirtschaftlichen Fortschritts. Vor allem in Songs wie „Where Have The Sparrows Gone“ oder „Any More Goodbyes“ ist man von ihrem Timbre regelrecht erschlagen. Eine feine Perle des Singer/Songwritertums mit mehr als aktuellem Themenbezug. Alles richtig gemacht! 8/10 Kronen

Big Sean - Detroit 2
Das Schicksal treibt manchmal seltsame Blüten. Am 13. März kündigte Big Sean sein fünftes Studioalbum an, quasi am selben Tag wurde die Welt dank Corona eine andere. Somit hat es auch ein ganzes halbes Jahr gedauert, bis „Detroit 2“, die liebevolle, aber auch kritische Ode an seine Heimatstadt das Licht der Welt erblickt. Das Album freilich hat es in sich. Mehr als 71 Minuten geballter Rap mit Features von Superstars wie Travis Scott, Lil Wayne, Young Thug, Ty Dolla Sign oder Tausendsassa Post Malone. Nebenbei erzählen Dave Chapelle, Erykah Badu und Stevie Wonder als Interludes ihre persönlichen Geschichten über die Stadt. Die Songs sind über alle Zweifel erhaben, textlich ausgefeilt und mit famosen Beats ausgestattet. Mit „Detroit 2“ gelingt Big Sean eines der größten Rap-Highlights dieses Jahres. 8/10 Kronen

Bill Callahan - Gold Record
Was für ein Scherzkeks. Seine neuestes Album hat Bill Callahan nach der Auszeichnung benannt, die man in den USA für 500.000 verkaufte Tonträger erhält. Ein hehres Ziel. Im Opener „Pigeons“ stellt er sich als Johnny Cash vor und verabschiedet sich als Leonard Cohen - laut Eigenbekunden eine augenzwinkernde Antwort auf all jene Kritiker, die ihn immer mit seinen „Vaterfiguren“ verglichen haben. Unter dem Banner Smog war Calllahan in den frühen 90ern Lo-Fi-Pionier, seit 2007 veröffentlicht er unter eigenem Namen. Nach privatem Glück mit Frau und Kind wollte er die Musik schon an den Nagel hängen, glücklicherweise hatte die Holde etwas dagegen einzuwenden. Sonst wäre uns auch diese, in nur einer Woche aufgenommene, Singer/Songwriter-Preziose verborgen geblieben, die amerikanische Geschichten erzählt, schmachtet, leidet und wie einen sanften Faserteppich darlegt. Ein Schmuckstück der besonderen Güte. 8/10 Kronen

Cold Years - Paradise
Die Klänge kommen schon beim Opener „31“ mehr als vertraut aus den Boxen? Kein Wunder, denn das schottische Gespann Cold Years klaut von den besten ihres Fachs. In diesem Fall sind das Rise Against und die halbverblichenen The Gaslight Anthem, die tatsächlich aus allen 13 Songs deutlich hervorragen. Von Ersteren haben Cold Years das politische Gewissen und die Fiebrigkeit in den aggressiven Situationen, Brian Fallon und Co. werden zitiert, wenn es in den etwas ausgeruhten Kompositionen auf eine kräftige Dosis Pathos ankommt. Daran krankt es bei „Paradise“ schlussendlich auch, denn eine eigene Identität ist noch nicht einmal mit Gebrauch einer Lupe zu finden. Gut kopiert mag vielleicht besser sein als schlecht erfunden, es ist aber auch erheblich langweiliger. Eine feine Festivalband, der es aber doch an einigem fehlt. 5,5/10 Kronen

Simon Collins - Becoming Human
Phil Collins‘ ältestem Sohn Simon attestiert man nicht umsonst, dem Vater stimmlich so nahe wie niemand anders zu sein. Das beweist er auf seinem sehr elektronisch und futuristisch ausgeprägten Solowerk „Becoming Human“ wieder einmal eindeutig. Zwölf Jahre liegt sein letztes Werk zurück und in der Zeit hat er freilich an allerlei klanglichen Schrauben gedreht. Konzeptionell dreht sich das ambitionierte Werk um eine spirituelle Wiedergeburt nach einem Dasein voller Süchte, Probleme und Schande. Obwohl er das Werk auf dem Genre-Label Frontiers Records herausbringt, wagt sich der 43-Jährige des Öfteren in technoide Gefilde und lässt Danceclub-Assoziationen aufkommen. Das ist mutig, tut dem warmen Klang seiner Stimme aber nicht immer gut. So ist „Becoming Human“ zwar ein inhaltlich starkes Album, verzettelt sich aber zu gerne in der Experimentierfreude. 6,5/10 Kronen

Cult Of Lilith - Mara
Die bösartige Fruchtbarkeitsgöttin Lilith aus der sumerischen Mythologie ist ein Metal-Kreisen ein sehr beliebtes Motiv, um sich inhaltlich darüber herzumachen. Den Cult Of Lilith beschwören nun fünf Isländer herauf, die ausgehend aus der Hauptstadt Reykjavik relativ wenig von den ausgeklügelten und naturbelassenen Kompositionen halten, die sonst so spannend und innovativ über den Ozean herabschippern. Auf ihrem Debütalbum „Mara“ gehen die Nordländer voll auf Technical Death Metal und erinnern dabei an eine Mischung aus Within The Ruins, Carnifex, The Black Dahlia Murder und Fleshgod Apocalypse in den erhabeneren Momenten. Handwerklich astrein, klanglich aber auch immens stressig und herausfordernd. Nur für Liebhaber der vertrackten Tonkunst wirklich befriedigend. 6,5/10 Kronen

Dead Lord - Surrender
Als die 70er-Retrowelle in Skandinavien losgetreten wurde, waren Dead Lord in der Hochzeit mit dabei. Gerade für die Band rund um den charismatischen Frontmann Hakim Krim ist das coronabedingte Liveverbot wohl kaum auszuhalten, spielten sie doch für gewöhnlich durchgehend an jeder Steckdose. Für das Viertwerk „Surrender“ hat man sich erstmals drei Jahre Zeit gelassen, große Veränderungen sind aber nicht auszumachen. Einmal mehr eifert Krim stimmlich seinem Idol Phil Lynott entgegen, auch musikalisch stehen Thin Lizzy hoch im Kurs. Songs wie „Evil Always Wins“ oder „Dystopia“ und das ausdrucksstarke Cover-Artwork zeigen auch, dass sich die Band nicht nur zwischen schlanken Schenkeln und im Schnaps suhlt, sondern sich Sorgen um die Zukunft der Welt macht. Eine feine Feel-Good-Scheibe, der es nur an den Feel-Good-Texten fehlt - ein Fest für Nostalgiker und Freunde warmer Analogklänge. 7/10 Kronen

Deutsche Laichen - Team Scheiße EP
Unsere Landesnachbarn haben es derzeit auch nicht leicht. In Berlin versucht eine abstruse Gemengelage aus Corona-Leugnern, Reichsbürgern und Irrlichtern Reichstage zu stürmen und Gesetze auszuhebeln, die Nachfolgersuche für Bundesmutti Andrea Merkel gestaltet sich als äußerst schwierig und der FC Bayern München hört nicht auf zu gewinnen. Kein Wunder, dass man sogar in einem vergleichsweise beschaulichen Eck wie Göttingen Unmengen von Wut im Bauch verspürt. Deutsche Laichen legen nur ein Jahr nach dem Debüt die 3-Track-EP „Team Scheiße“ nach, die gute fünf Minuten lang einfach nur brennen will. „Deutschland ein Alptraum“, „Resilience“ und „Szeneputzen“ lassen eh keine Fragen offen - ein Punk-Statement der besonders wütenden Art. Und die Bandcamp-Einnahmen gehen an die migrantische Selbstorganisation. Ohne Bewertung

Alex Diehl - Laut
Er war einer der wenigen, der unlängst in Interviews ganz klar sagte, dass ihn die Corona-Pandemie an den Rand einer Existenzkrise führen werde. Alex Diehl hat sich noch niemals ein Blatt vor den Mund genommen und tut das auch nicht auf seinem dritten Album „Laut“. In Zeiten von Brachialpolitik á la Donald Trump, zunehmender Klimakatastrophen und dem global grassierenden Virus hat der 32-Jährige Lust, neben semiromantischen Liebensschmonzetten auch mal klare Kante zu zeigen. Dass er mit so zweifelhaften Charakteren wie Xavier Naidoo oder Andreas Gabalier arbeitete und arbeitet gibt Songs wie dem Titeltrack oder „Meine Angst“ aber doch einen etwas schalen Beigeschmack. Für den großspurigen Schlagerpop gibt es gewiss genug Abnehmer und im innerdeutschen Wochenkommerzduell mit Schweighöfer steigt Diehl souveräner aus. 5,5/10 Kronen

Dirty Projectors - Super João EP
Munter weiter geht es mit dem EP-Zyklus der Dirty Projectors. Für die Corona-Saison 2020 haben sie sich ja gleich fünf davon vorgenommen, hier vorliegende ist die bereits dritte und folgt der letzten etwa einen Monat später nach. Dieses Mal hat Longstreth die Texte mit Kyle Field (Little Wings) geschrieben und nahm die vier sanften Songs mit seinem Nachbarn Kyle Thomas (King Tuff) auf. Auf der dritten EP konzentriert sich Longsteth auf das Vermächtnis von Künstlern wie Arthur Russell, Chet Baker oder der hierzulande immer noch viel zu selten überschwappenden Bossa-Nova-Welle. Das südländische Feeling passt wunderbar in den immer schneller entschwindenden Spätsommer. Experiment wieder einmal gelungen. Ohne Bewertung

Don’t Sleep - Turn The Tide
Damit war aber nicht zu rechnen. Nach dem voreilig schon im letzten Jahr angekündigten Debütalbum von Don’t Sleep hat es doch lange gedauert, aber dass „Turn The Tide“ ein solches Brett werden würde, das überrascht doch einigermaßen. Gut, mit Hardcore-Legende Dave Smalley (u.a. Dag Nasty, All) ist kein Unbekannter am Werk, aber die mit zahlreichen politischen und gesellschaftskritischen Zitaten durchzogenen Hardcore-Punk-Nummern machen einfach nur Spaß. Hier ist kein Platz für waidwunde Metalcore-Einflüsse oder zähe Anbiederungen an irgendwelche Mainstream-Erfolgsgaranten - Don’t Sleep wollen einfach nur draufhauen und das mit Freude und Talent. Eins, zwei, Two-Step! 7,5/10 Kronen

Sero El Mero - Ghetto Diamant
Dicke Autos, fette Goldketten, gestählter Körper, offensive Texte - nicht viel Neues im Deutschrap-Game, das kann man auch beim Bremerhavener Sero El Mero behaupten, der sein Zweitwerk „Ghetto Diamant“ zuerst im März, dann im Frühling und dann Ende Juli veröffentlichen wollten, nur um dann doch den meteorologischen Herbstbeginn abzuwarten. Ob sich die lange Warterei gelohnt hat, das werden Fans mit ja und Zweifler mit lautstark mit nein beantworten können. Seine Dicke-Hose-Texte durchzieht der 21-Jährige mit Reggae- und Dancehall-Elementen und klingt damit überraschend altbacken. Das alles gibt es schon tausendfach - musikalisch als auch inhaltlich. Braucht man wirklich nur, wenn man alles aus dem Rap-Genre in der Playlist haben will. 4/10 Kronen

Elif - Nacht
Mit ihrem zweiten Album „Doppelleben“ hat Elif vor drei Jahren erstmals in den österreichischen Charts angeklopft, die mit Samra zelebrierte Single „Zu Ende“ schaffte es diesen Winter sogar auf Platz drei. Nun ist auch das dazugehörige Album bereit veröffentlicht zu werden. Auf „Nacht“ zeigt sich die einstige „Popstars“-Teilnehmerin und Hobby-Bloggerin einmal mehr von ihrer persönlichen und emotionalen Seite. Ihre nicht immer problemlosen Erlebnisse schildert sie mit zeitgemäßen Beats, die sich irgendwo zwischen Deutschpop und Hip-Hop bewegen, ohne sich auf eine Stilistik festzulegen. Den Zeitgeist trifft die 28-Jährige damit mühelos und mit Songs wie „Ein letztes Mal“, „Kann das bitte so bleiben“ oder „Schwarz“ findet man sich sicher auch selbst. 6,5/10 Kronen

Elm Tree Circle - No Fomo
Wer nicht mit dem Glück der Jugend beglückt ist: „Fomo“ bedeutet „Fear Of Missing Out“ und heißt so viel wie, dass ständig befürchtet im Leben und der Freizeit etwas Essenzielles zu verpassen. Dieses Problem stellt sich im Corona-Jahr 2020 nicht mehr und das haben die drei Iserlohner Elm Tree Circle auch früh genug verstanden. Die musikalische Emo-Pop-Punk-Mischung erinnert dabei an Modern Baseball oder Real Friends und versucht erst gar nicht viel moderner als nach Millennium zu klingen. Das etwas angeraute Timbre des Sängers gemahnt auch mal an Placebos Brian Molko, etwas mehr Schwung hätte den meist sehr getragenen Songs aber auch gutgetan. Dennoch ein schönes Coming-Of-Age-Album, das Genrefans durch die Bank erfreuen wird. 7/10 Kronen

En Minor - When The Cold Truth Has Worn It’s Miserable Welcome Out
Alle Achtung! Zum Auswendiglernen ist der Albumtitel eher schwierig, aber En Minor versuchen auf ihrem Debütalbum auch gleich gar nicht, die sanfte Schiene zu fahren. Das dazugehörige Label kündigt die elf Songs auf dem Debütalbum als „Depression Rock“ an, ganz so trist ist die Weltlage dann aber zum Glück doch nicht. Den Gesang und Chefposten übernimmt niemand Geringerer als Pantera-Legende Phil Anselmo, der mit zügellosen „White Power“-Geschmacklosigkeiten und proletoidem Auftreten in den letzten Jahren schwer an seiner Fassade kratzte. Live tourt er lieber im T-Shirt, um die alten Klassiker zu kredenzen, im Studio gibt er den Dandy mit Rotwein (falls der in Louisiana überhaupt getrunken wird). En Minor vermischt Dark Rock mit Southern-Ansätzen, scheitert am Versuch Leonard Cohen für Metal-Fans abzubilden aber erwartungsgemäß. Auch stimmlich ist good old Phil schon „on the edge“. Muss man nicht unbedingt in den Schrank stellen. 4,5/10 Kronen

Erregung Öffentlicher Erregung - EÖE
Na endlich! EPs haben schon angekündigt, was das lang ersehnte Debütalbum „EÖE“ halten kann. Erregung Öffentlicher Erregung lieben die 80er-Jahre und tragen das stolz vor sich her. Doch nicht die hedonistischen Koks-80er zwischen Duran Duran und Studio 54, sondern die deutsche New-Wave- und frühe Indie-Szene. Was durch den Bandnamen an räudigen Polit-Punk gemahnt, ist in seiner musikalischen Umsetzung viel filigraner. Ideal, Nina Hagen oder Palais Schaumberg können gerne als Referenzen herangezogen werden, im zeitgeistigen Sektor sind auch Messer oder Isolation Berlin grob als Orientierung zu nennen. Die Texte in Songs wie „Vermessen“, „Biosphärenreservat“ oder „Kein Bock auf Frühstück“ pendeln zwischen Dadaismus, Gesellschaftskritik und persönlichen Erfahrungen. Das ist durchaus frisch, spannend und zukunftsträchtig. 7,5/10 Kronen

Foretoken - Ruin
Wenn von symphonischen Metal die Rede ist, dann kriegen Freunde härterer Tonkunst nicht zu Unrecht oft relativ schnell Schnappatmung. Im Falle von Foretoken ist das aber nicht notwendig, denn mit Nightwish oder Evanescence hat das Debütalbum „Ruin“ nichts zu tun, musikalisch sieht sich das Duo aus Virginia eher The Black Dahlia Murder, Fleshgod Apocalypse und den legendären Necrophagist nahe, bei denen der hier gasttrommelnde Wunderknüppler Hannes Grossmann einst im Sold stand. An die fast schon orchestralen Versatzstücke muss man sich aber erst einmal gewöhnen, denn der handwerklich sauber produzierte Todesmetall bekommt dadurch eine Cradle Of Filth-Schlagseite, die nicht jedem gefallen wird. Innovation und Spannungsbögen sind eher rar gesät und die überlangen Songs tun sich auch nicht immer einen Gefallen. Okay, aber auch nicht mehr. 5,5/10 Kronen

Hannah Georgas - All That Emotion
Es ist immer wieder beeindruckend, wie viele feine Stimmen und Songwriter das weite Land von Kanada der Welt anzubieten hat. Hannah Georgas aus Vancouver im Naturparadies British Columbia gehört auf jeden Fall zur allerersten Riege. „Juno Awards“-Nominierungen und die Listung beim renommierten „Polaris Music Prize“ sprechen eine klare Sprache. „All That Emotion“ ist nun ihr vierter Longplayer und wurde erstmals von The Nationals Aaron Dessner produziert, der unlängst ja auch Pop-Diva Taylor Swift eine ganz neue Identität verschaffte. Die Mischung aus folkiger Atmosphäre und verträumter Elektronik hat schon bislang immer einwandfrei funktioniert und tut das auch weiterhin. In Songs wie „Same Mistakes“ (häuslicher Missbrauch) oder „Pray It Away“ (ein Song über das Coming-Out) geht sie auch überraschend klar in die Offensive. Ein schönes Herbstalbum, das auch gut ins Vorprogramm einer neuen Swift-Tour passen würde. 7/10 Kronen

Sophie Hunger - Halluzinationen
Wer schon einmal in den Genuss einer Sophie-Hunger-Show kam, und dafür gab es hierzulande schon viele Möglichkeiten, der weiß, dass die sympathische Schweizerin eine Wandlerin breitflächiger Klangwelten ist und gerade deshalb längst mehr Aufmerksamkeit auf der britischen Insel verdient hätte, wo man eine Mischung aus Avantgarde-Pop, Jazz, Indie und Elektronik eigentlich zu schätzen weiß. Für „Halluzinationen“ enterte Hunger die altehrwürdigen Abbey Road Studios und holte sich den megaangesagten Dan Carey (Kate Tempest, Fontaine’s D.C.) ins Produzentenboot. In verschiedenen Live-Takes wurden die Songs eingespielt, die Hunger - Corona-passend - so verletzlich und intim wie selten zuvor zeigen. Das Album ist ein einziger Parforce-Ritt durch filigrane Momente der Unsicherheit, das schlussendlich in der epischen Klavierballade „Stranger“ mündet und erstmal Zeit zum Verdauen benötigt. Ein weiteres Meisterstück der Schweizerin. 8/10 Kronen

Hurts - Faith
Der Karriereabsturz des Manchester-Duos Hurts in den letzten Jahren war beispiellos. Anfangs noch als neumoderne Depeche Mode-Epigonen gehandelt, zeugte ihr mainstreamtauglicher Synthie-Pop mit zahlreichen Single-Hits tatsächlich für ein wohliges Retro-Gefühl, ohne in der Nostalgiefalle hängenzubleiben. Theo Hutchcraft und Adam Anderson sind in den letzten Jahren mit ihren Depressionen in die Öffentlichkeit gegangen, dann kam auch noch Corona. Kein Wunder, dass „Faith“ ihr bislang dunkelstes und emotionalstes Album wurde. Sanfter Electro-Akustik-Pop, Hutchcraft mit leidender oder ausdrucksvoller Singstimme („Liar“) und zarte atmosphärische Songaufbauten machen die Nummern auf „Liar“ aber besser als so mancher Kritiker sich in seinen Vorurteilen eingestehen möchte. „Slave To Your Love“ erinnert gar an Massive Attack und die synthetische Herangehensweise strahlt immer durch. Hurts 2020 sind eine andere Band, vielleicht einfach nur erwachsener und vorsichtiger. 7/10 Kronen

Josiah Johnson - Every Feeling On A Loop
Mit ihrem sanften Lagerfeuer-Folk-Rock haben es The Head And The Heart von einer Open-Mic-Nacht-Band bis an die Spitze der US-Heatseeker-Charts geschafft. Allumfassenden Ruhm wie ihn etwa Mumford & Sons oder The Gaslight Anthem erfahren haben, blieb der Band zwar verwehrt, in den USA sind sie aber eine große Nummer. Josiah Johnson, einer der beiden Frontmänner, versucht es nun auch alleine und lehnt sich mit seinem Debütalbum „Every Feeling On A Loop“ gar nicht mal so weit aus dem bekannten Erfolgsfenster raus. Der Musiker, selbst von Depressionen belastet und vor ein paar Jahren temporär in einer Entzugsklinik, besingt in schönen, aber harmlosen Folk-Preziosen den harten Kampf zurück und vermittelt den Hörern Selbstvertrauen und Selbstliebe. Wichtige Botschaften in einem etwas gewöhnlichen Soundkleid. 6,5/10 Kronen

Kareen - Done
Karin Maria Bauer ist in der österreichischen Musikszene keine Unbekannte. „Die große Chance der Chöre“, „Dancing Stars“, Soloauftritte, zahlreiche Projektarbeiten oder die Backing-Vocals bei Fräulein Kokett, Velvet Voices oder Juci sind in ihrer Vita vermerkt. Unter dem Namen Kareen hat sie sich mit dem Debütalbum „Done“ aber einen persönlichen Traum erfüllt und geht mit ihrem persönlichen Lieblingssound in die Vollen. Eigene Musik, eigene Texte, eigenes Gefühl, eigene Emotionen - ein Self-Made-Projekt, das mit besonders viel Liebe und Leidenschaft gefertigt wurde. Songs wie „Stronger“, „More Than That“ oder „You Didn’t Expect“ sind gleichermaßen feministische wie persönliche Statements, die völlig unverkrampft und natürlich die schwierige Rolle der Frau in einer männerdominierten Gesellschaft in den Fokus rücken. 7/10 Kronen

Declan McKenna - Zeros
An Weihnachten feiert der Brite Declan McKenna gerade einmal seinen 22. Geburtstag und doch hat man das Gefühl, man beobachte den smarten Jungspund mit der eindringlichen Pop-Stimme schon ewig im Business. So ganz falsch ist das auch nicht, war doch noch mitten im Teenager-Alter, als er 2014 mit „Brazil“ erstmals für große Aufregung sorgte. Zweimal hat er sein Zweitwerk wegen Corona verschoben, doch das Warten zahlte sich aus. Dass McKenna in den letzten Monaten sehr viel Zeit mit alten Platten von Bob Dylan und Crosby, Stills, Nash & Young verbracht hat, hört man trotz zeitgemäßem Songwriting angenehm heraus. Gitarrensoli wie in „Be An Astronaut“ wirken hier überraschend zeitgemäß, das akustische Country-Nashville-Feeling von „Emily“ ist alles andere als ein Fremdkörper. Hätte McKenna mehr Mut zum Rock gezeigt und die immer wieder aufpoppenden Standard-Popsongs zurückgeschraubt, wäre „Zeros“ ein großer Wurf gewesen. So bleibt leider doch ein fahler Beigeschmack der Mutlosigkeit. 6,5/10 Kronen

Mary-Ann Kiefer - The Space. The Trance. The Future. EP
Der wahre Musikliebhaber und Connaisseur weiß - Stilverweigerung ist am Ende des Tages doch immer das Allerschönste. Mary-Ann Kiefer, eine Band, keine Solokünstlerin, machen das seit beinahe zehn Jahren und fahren im Underground gut damit. Die Wiener vermischen auch auf der feinen 3-Song-EP „The Space. The Trance. The Future.“ komplexen Math-Rock mit wagemutigem Noise und hymnischen Electropunk-Referenzen. Schon vor fünf Jahren schrieb man an den Songs, für die etwas mehr als 20 Minuten war sogar eine zweijährige Schaffenspause nötig, um das richtige Produzentengespann für die bestmögliche Umsetzung zu finden. Ein Husarenritt, der sich aber auszahlt, weil jede einzelne Sekunde ein klangliches Geschenk ist und die innovative Herangehensweise des Trios prägnant hervorstreicht. Da ist wirklich viel Liebe im Spiel. Ohne Bewertung

Linhay - On How To Disappear
Und noch einmal Midwestern-Indie-Emo, dieses Mal aber richtig. Während die früher erwähnten Elm Tree Circle doch stark gen Punk schielen, machen die Kieler Linhay auf ihrem Debütalbum „On How To Disappear“ kein Geheimnis aus ihrer Liebe zu Sunny Day Real Estate oder American Football. Die Liebe zu den gesetzten Melodien und einer melancholischen Grundstimmung macht den besonderen Kern dieser Platte aus. Linhay versuchen erst gar nicht sich zwanghaft aus den offensichtlichen Einflüssen freizuschaufeln und huldigen ihrer Lieblingsmusik mit derart herzhafter Inbrunst, dass sogar Zweifler zwingend hinhören sollten. Das hier und da auch mal der Post-Rock hervorkriecht oder die Norddeutschen sich an eruptiven Ausbrüchen wagen tut gut. Ein mehr als ordentlicher Einstand! 7/10 Kronen

Native Harrow - Closeness
Oh sweet nostalgia! Alles an diesem Album schreit nach Retro und Vintage und es fühlt und hört sich verdammt gut an. Native Harrow sind ein völlig aus der Zeit gefallenes Duo aus Pennsylvania, das in seiner Musik an Goldgräberaufbruchszeiten im Folk-Segment erinnert, gerne einen Schlenker Richtung Simon & Garfunkel macht, psychedelischem 60s Pop genauso wenig abgeneigt ist wie artifizieller 70er-Popkultur. Auf dem vierten Album „Closeness“ vereinen sich all diese originären Spinnfäden zu einem wundervollen Netz aus fast schon sakraler Schönheit. Natürlich dürfen auch Pianoballaden und warme Analog-Sequenzen nicht fehlen. Anspieltipps? Im Prinzip alles. Man muss nur die nötige Freude für eine etwas verklärte Reise in längste vergangene Zeiten mitbringen. 7,5/10 Kronen

Billy Ocean - One World
Gerade in Zeiten wie diesen kann man einen Künstler wie Billy Ocean gar nicht genug wertschätzen. Der in Trinidad & Tobago geborene und seit vielen Jahrzehnten in England wohnhafte Soul-Schmeichler hat nicht nur die 70er- und frühen 80er-Jahre dominiert, sondern erfuhr durch die Inkludierung seines Top-Hits „Love Really Hurts Without You“ in der Netflix-Serie „Sex Education“ auch bei einer ganz jungen Generation Aufmerksamkeit. „One World“ ist das erste Studioalbum seit mehr als zehn Jahren und beinhaltet genau das, was das Album vordergründig aussagen will - Liebe, Respekt, Toleranz, Verständnis, Optimismus. Getragen werden die mal elektronischen, mal souligen, mehr Richtung Reggae gehenden Songs wie „Love You More“, „Feel The Love“ oder „Missing You Everyday“ von der beeindruckenden Stimme des 70-Jährigen. Natürlich dreht sich Ocean seit Dekaden im Kreis, aber das tut er mit großer Leidenschaft und beneidenswertem Können. 7/10 Kronen

Oceans Of Slumber - Oceans Of Slumber
Schwierige Sache. Mit hymnischem Progressive Metal, getragen von einer oktavenreichen Frauenstimme, muss man erst einmal klarkommen. Oceans Of Slumber aus Texas erklimmen die Genre-Leite eigentlich schon seit Jahren im Sturm, aber mit den ausladenden, manchmal dissonanten Kompositionen muss man auf Dauer erst einmal klarkommen. Es bedarf viel Geduld und vor allem Aufgeschlossenheit um die vor allem instrumental facetten- aber auch ballastreiche Kompositionsstrategie adäquat verarbeiten zu können. Manchmal blitzen doch die - einst noch - Growl-behangenen Opeth hervor, zu Evanescence fehlt es an der modernen Note und Nightwish ist längst zu sehr ins Orchestrale abgedriftet. „Oceans Of Slumber“ wird der Band gewiss noch mehr Ruhm und Fans einbringen, eine Konsensband wird aus den Amerikanern aber nicht mehr. 6/10 Kronen

Petit Prince - Les Plus Beaux Matins
Manchmal kann das Milchgesicht auch einen Karriereschub bedeuten. Der „kleine Prinz“ (eben Petit Prince) aus Straßburg heißt eigentlich Elliot Diener und wurde von seinen Freunden nur wegen seines unschuldigen Gesichts und der engelsgleichen Lockenpracht in den Frühadelsstand erhoben. Der gelernte Pianist und Cellist hat sich in Westeuropa aber längst einen Namen gemacht und überzeugt auch auf seinem neuen Werk „Les Plus Beaux Matins“ auf allen Linien. Melancholischer Indie-Pop mit stark elektronischer Schlagseite, aber einem untrüglichen Gespür für die analoge Wärme der 60er-Jahre bekommt man geboten. Die feinfühligen Arrangements vermischt er gerne mal mit komplexen Melodien und bewusst in Französisch gehaltenen Texten, die dem Gesamtprodukt eine besonders erotische Note verleihen. Anspieltipps: „Tendresse sur canapé“ und „Conte breton“. 7,5/10 Kronen

Grant-Lee Phillips - Lightning, Show Us Your Stuff
Wer genau schaut, der sieht Grant-Lee Phillips bei den legendären „Gilmore Girls“ als städtischen Troubadour trällern. Natürlich tut man dem langgedienten Singer/Songwriter mit starker Folk-Schlagseite damit Unrecht, aber in Europa ist die Rolle nun einmal seine berühmteste Erscheinung. Dabei hat er in den 90er-Jahren als Frontmann von Grant Lee Buffalo famose Musik erzeugt und reüssiert seither auch mit Können und geschicktem Songwriting als Solokünstler. „Lightning, Show Us Your Stuff“ klingt im Titel weitaus angriffiger als die Musik darauf erklingt. Den Stetson geradegerückt und die Gitarre geschultert, bekommt hier feine Geschichten im Americana-Gewand erzählt, die vor allem im üppigen „Leave A Light On“ oder dem feinen „Drawning The Head“ für Wohlfallen sorgen. Ein handwerklich famos gemachtes Album ohne grobe Mängel und mit viel Liebe für die Working-Class-Mentalität des Kaliforniers. 7,5/10 Kronen

The Pineapple Thief - Versions Of The Truth
Böse Zungen behaupten immer wieder gerne, die Briten von The Pineapple Thief würden sich allzu sehr an ihren Landsmännern von Porcupine Tree orientieren und deren Auffassung von Prog-Rock etwas zu eindeutig interpretieren. Nach mehr als 20 Jahren im Geschäft haben sich Bruce Soord und Co. freilich freigeschaufelt, auch wenn der allmächtige Steven Wilson und sein Timbre immer noch wie ein Damoklesschwert über den Sound desr Briten hängen. „Versions Of The Truth“ ist ungewohnt politisch geraten und wettert, animiert von Trump und dem Brexit, gegen die inflationäre Verbreitung alternativer Fakten und ihre furchtbaren Auswirkungen. Musikalisch ist das alles eher entschlackt und zurückgelehnt, Highlights findet man wohl nur mit der Genre-Brille. „Versions Of Truth“ ist ein solides, feines Prog-Album, das aber nicht aus der bisherigen Diskografie heraussticht. Am 12. März sollte die Band in der Wiener Szene zu sehen sein. 6,5/10 Kronen

San Cisco - Between You And Me
In Australien sind San Cisco schon seit Jahren eine richtig große Nummer. Kein Wunder, denn mit ihrer sanften Mischung aus Indie-Pop, Surf-Rock und einer stets optimistischen Grundstimmung umweht dem Kollektiv eine stilistische Zeitlosigkeit, die auch sehr gut zum Lebensgefühl an den Küsten am fünften Kontinent passt. Die unlängst zum Trio geschrumpfte Band schafft es auch in Minimalbesetzung, knackige und vor allem hymnische Songs zu verfassen. Die Retro-Soundanteile hat man noch einmal etwas zurückgeschraubt, stattdessen lässt man den trendigen Synthies mehr Raum. Gerade Songs wie „Reasons“ oder „Flaws“ beweisen, dass die Band vor allem dann am besten ist, wenn sich die Stimmen von Jordi Davieson und Josh Biondillo duellieren. Etwas mehr Ecken und Kanten hätte „Between You And Me“ indes schon gutgetan, aber man produziert ja auch für die breite Masse. 7/10 Kronen

Matthias Schweighöfer - Hobby
Geschickter Move, Respekt! Gleich einmal im ersten Song „Anfang“ auf die Meinung der Kritiker zu scheißen und eine Ode an das Rauslassen der Kunst zu besingen, nimmt natürlich allen den Wind aus den Segeln. Aber so wie Künstler auf die Meinung von Kritikern scheißen können, können Kritiker auf die Kunst von Musikern scheißen. „Hobby“ ist nach dem Überraschungsdebüt das zweite Album des beliebten Schauspielers und anstatt sich noch einmal in allzu schmierigen Melodien zu suhlen, versucht er sich an mehr Elektronik und rappt ungeniert vor sich hin. Aber egal ob Sprechgesang, Rap oder Auto-Tune - gesanglich erreicht der 39-Jährige noch nicht einmal Durchschnittsniveau. Für den nichts hinterfragenden Mainstream ist „Hobby“ sicher wieder ein schöner Zeitvertreib, brauchen tut man das Album aber genauso wenig wie Schweighöfer als Sänger. 2,5/10 Kronen

Rikard Sjöblom’s Gungfly - Alone Together
Mit seiner Band Beardfish hat der Schwede Rikard Sjöblom viele Jahre lang Prog-Rock-Geschichte geschrieben, doch seit einigen Jahren liegt die volle Konzentration des Künstlers auf seinem losen Soloprojekt Gungfly, mit dem er fast im Jahrestakt neue Musik veröffentlicht. „Alone Together“ hat nun aber doch zwei Jahre in Anspruch genommen, zeigt sich dafür aber auch dementsprechend ausgereift und überlegt. Die beiden Brüder Petter und Rasmus Diamant sorgen für die musikalischen Korpus, von dem aus sich Sjöblom bewegt und dabei am liebsten die kanadischen Legenden Rush zitiert. Vor allem die beiden überlangen Opener „Traveler“ und „Happy Somewhere In Between“ können auf allen Linien überzeugen, im weiteren Verlauf des mehr als einstündigen Albums verzettelt er sich dann doch oft einmal in träumerischen Gefilden. „Alone Together“ passt sich aber hervorragend in die Diskografie des Kreativkopfs ein. 7/10 Kronen

Sprain - As Lost Through Collision
Das Schöne an der Musik ist ja, dass immer, wenn man glaubt, ein ganzes Genre wäre bereits dem gelangweilten Untergang geweiht, ex- oder implodiert eine völlig neuartige und innovative Underground-Band. Gestählt vom harten Mitbewerb in Los Angeles entfachen die Noise-Punks von Sprain auf ihrem Debütalbum „As Lost Through Collision“ eine bleischwere, aber ungemein individuelle Reise durch verschrobene Klangsphären. Wütender Post-Punk mit nihilistischem Gehabe, ausufernde Grunge-Rochaden mit Melvins-Feeling, Jazz-Einsprengseln während eruptiver Rock-Gesten und Feedback-Drones, die sich wie selbstverständlich über Hardcore-Referenzen legen. Alles, was lärm macht und die Eingängigkeit stört, ist bei Alex Kent und Co. erlaubt. Das Debüt der Kalifornier muss man sich erarbeiten, aber wenn man sich darauf einlässt, wird man belohnt. 7/10 Kronen

Stryper - Even The Devil Believes
Christliche Metalbands haben ihre eigene Geschmacksrichtung. Man muss den Kaliforniern von Stryper aber zugutehalten, dass sie ihren Power Metal schon seit fast 40 Jahren in den Dienste Gottes stellen. „Even The Devil Believes“, ist die Ansage des neuen Albums und liefert genau das, was langjährige Fans von Michael Sweet seit Dekaden lieben und schätzen: galoppierende Riffs, christlich-treue Texte, eine in unmenschliche Sphären nach oben katapultierende Kreischstimme und balladeske Melodien, die auch anno 2020 noch komplett im Jahr 1984 verankert sind. Was man den Jesu-Jüngern im Vergleich zu vielen anderen Old-School-Puristen zugutehalten muss ist aber die Tatsache, dass sie im mittleren Karriereherbst mitunter ihr stärkstes Material feilbieten. Songs wie „Make Love Great Again“ (was für ein Titel!), „Do Unto Others“ oder „For God & Rock’n’Roll“ wissen zu zünden und lassen die Poserfaust gen Himmel wandern. Wäre halt auch mal fein, die Band in unseren Breitengraden live sehen zu können. 7/10 Kronen

Tennessee Jet - The Country
Achtung, hier wird ganz tief in die Klischeekiste gegriffen! Wer sich daran nicht stört, der wird mit einem wundervollen Country-Kleinod belohnt. Tennessee Jet reiste lt. Pressezettel als Kind mit seinen Eltern in einem alten Ford-Pickup quer durch die USA, um die unendliche Weite des Landes aus den Fensterscheiben zu begutachten, bevor es zum nächsten Rodeo ging. Kein Wunder, dass aus dem jungen Mann eine Ein-Mann-Band wurde, die Country, Fuzz, Americana und große amerikanische Gefühle vermengt. „The Country“ ist nun bereits das dritte Album und eine erste Abhandlung seines bisherigen Lebens. „Stray Dogs“ etwa ist rein autobiografisch geraten, auch „Someone To You“ oder „The Country“ zeugen vom nomadenhaften Leben des Protagonisten. Ganz besonders spannend: der an Nirvana angelehnte Country-Grunge in „Johnny“. 7/10 Kronen

Throwing Muses - Sun Racket
Kristin Hersh kann man zweifellos als eine der Urmütter der Rrriot-Girl-Bewegung sehen. Mit ihren beiden Bands Throwing Muses und 50FootWave schrieb die heute 54-Jährige in den 80ern und 90ern Underground-Indie-Musikgeschichte. Die Legende der erstgenannten Band halt in Szenekreisen bis heute nach, Alben wie „Red Heaven“ oder „University“ haben auch nach knapp 30 Jahren nichts von ihrer Brillanz eingebüßt. Mittlerweile gibt es nur mehr alle Dekaden mal Neues, aber unverkennbar gut und herzhaft. „Sun Racket“, das erste Studioalbum nach sieben Jahren, ist vielleicht mehr ganz so verschroben und abgedreht wie die Kultalben der Vergangenheit, weiß aber immer noch mit Slacker-Attitüde und Unangepasstheit zu überzeugen. Die Stimme ist rauer, die Gitarre tiefer gestimmt, der (Vorstadt)ärger über die Welt da draußen aber unverändert. Danke dafür! 7,5/10 Kronen

Toehider - I Like It
Der Australier Michael Mills ist ein Tausendsassa der musikalischen Unterhaltung. Manch euphorische Internetmedien erkannten seine Band Toehider in den letzten Jahren gar als legitime Nachfolger von Pink Floyd. Das ist einerseits natürlich lächerlich, andererseits schon rein stilistisch kaum mehr vorstellbar, wenn man sich das neue Werk „I Like It“ zu Gemüte führt. Der von Queen, Comics und Roboter-Serien inspirierte Frontmann erfüllt sich aber wohl zumindest den Traum der adoleszenten Ungreifbarkeit mit dieser Ansammlung an in Songs gegossenen Stilverweigerung. Sein Prog-Rock schlenkert mehr denn je Richtung Power Metal aus und erinnert in gewissen Songs („wellgivit“) an die Nintendo-Core-Truppe Dragonforce, in anderen Teilen an die holländischen Epiker von Ayreon. Etwas für ganz starke Nerven - mir ist das zu aufgesetzt und klinisch. 5/10 Kronen

Unhappybirthday - Mondchateau
Vier Alben in acht Jahren, das ist eine durchaus respektable Statistik. Unhappybirthday mögen vielleicht ihre Ehrentage nicht, wohl aber atmosphärisch dichte Indie-Songs, die - laut Eigenbekunden - zwischen „Post-Punk und Postkarte oder Penthouse und Pavement“ mäandern. Diese zutiefst deutsche Beschreibung der drei Hamburger trifft aber durchaus des Pudels Kern, denn in das wundervoll betitelte „Mondchateau“ kann man wundervoll einfließen und darin verweilen. Das gediegene Slow-Tempo verlassen die Nordlichter nur ungern, aber bei Songs wie „Station“, „Delon“ oder „Saison“ (reimt sich das alles eigentlich absichtlich?) würde man sich am liebsten auf der Kellercouch einnebeln. Schöne Musik für Bonvivants. 7/10 Kronen

Zakk Sabbath - Vertigo
In seiner eigenen persönlichen Welt hatte wohl niemand auf der Welt so viel Glück wie Rauschebart Zakk Wylde. Der Black Label Society-Chef ist vielleicht der größte Fan der alten Black Sabbath und durfte ein paar Jahre bei Ozzy Osbourne Gitarrespielen. Mit seinem Huldigungsprojekt spielte er nun unter dem Banner „Vertigo“ das Debütalbum von Black Sabbath noch einmal neu ein. Darauf hat natürlich niemand gewartet und eigentlich braucht es auch kein Mensch, aber die Umsetzung, der wirklich stark an Ozzy angelehnte Pressgesang und die bewusst originär gehaltene Produktion zeigen so viel Herzhaftigkeit, dass man unweigerlich grenzenlose Freude daran verspürt. Kann man schon mal machen. Ohne Bewertung

Peter Zirbs - On A Beautiful Day EP
Ein „Hansdampf in allen Gassen“ ist eigentlich keine schöne Bezeichnung, aber im Falle des Wieners Peter Zirbs grundpositiv gemeint. Egal ob als Produzent, Musiker, Labelbetreiber, Klangtüftler, Autor oder Journalist - der kunstbeflissene Tausendsassa hat seine talentierten Finger überall im Spiel und weiß auch auf seiner brandneuen EP „On A Beautiful Day“ wieder zu überzeugen. Nach der humanen Existenzfrage auf seinem Debüt „What If We Don’t Exist?“ sorgt sich Zirbs in den sechs neuen Tracks um Fehler und Zerbrechlichkeit der Menschheit - was aufgrund der aktuellen Weltlage einen mehr als bitteren Beigeschmack bekommt. Die elektronischen Tracks, die mal luzider („Wasted“), mal albtraumhafter („The Grand Blackout“) und mal tanzbarer („Locked In“) sind, gehen allesamt unter die Haut. Als Gäste sind Ex-Archive-Frontmann Craig Walker und Loretta Who zu hören. Ohne Bewertung

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