Barbara Schöbi-Fink

„Für mich ist das ein offener Denkprozess“

Vorarlberg
26.07.2020 17:01

Landesrätin Barbara Schöbi-Fink hofft, dass die Schulen im Herbst wieder den Regelbetrieb aufnehmen können - auch im Kulturbereich wünscht sie sich die Rückkehr in gewohnte Bahnen. Nachdenkeprozesse stehen aber in beiden Bereichen auf der Tagesordnung der Landesrätin.

Vom Lockdown waren auch die Vorarlberger Schüler betroffen. Wie war denn die Rückmeldung der Eltern in Sachen Homeschooling?

Es hat einige Eltern gegeben, die über die Belastung gestöhnt haben, die sich schwer getan haben mit dem Einstieg über verschiedene Plattformen. Eine Lehre aus der Krise ist, dass künftig pro Schule nur eine Plattform zur Verfügung gestellt wird. Anerkannt wurde aber auch, dass sich die Lehrer sehr bemüht haben.

Wie sind die Pläne für den Herbst?

Ich gehe derzeit von einem geregelten Beginn aus. Die Hauptaufgabe besteht derzeit darin, verschiedene Szenarien vorzubereiten und für den Fall der Fälle gerüstet zu sein. Sollte es neue Infektionen geben, könnte es wieder Homeschooling geben, allerdings nie an einer ganzen Schule, sondern nur partiell für eine Gruppe oder eine Klasse.

Welches waren bisher die größten Probleme beim Unterricht daheim?

Ein Problem war die technische Ausstattung. In den Familien waren zwar Computer vorhanden, doch viele Eltern waren im Homeoffice selbst auf den PC angewiesen. Dadurch kam es zu Engpässen. Es gab den Aufruf an die Bevölkerung, nichtgenutzte Computer und Notebooks zu spenden. Das war eine gute und sinnvolle Aktion, bei der 1316 Geräte zur Verfügung gestellt wurden. Innerhalb kürzester Zeit hatten alle Schüler zwischen zehn und 14 Jahren einen PC oder ein Notebook. Andere Bundesländer haben neue Notebooks bestellt - und warten zum Teil heute noch auf die Lieferung.

Wie froh waren Sie, dass Ihre Kinder nicht betroffen waren?

Mein 17-jähriger Sohn ist noch in der Oberstufe. Aber in diesem Alter können die Jugendlichen mit der Technik umgehen und sind auch bereit, Verantwortung zu übernehmen. Nach ein paar Wochen habe ich mal nachgefragt, wie es so mit dem Homeschooling läuft und das hat eigentlich ganz gut funktioniert.

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Die Lehrkräfte bestätigen, dass sich Kinder, die eine Förderklasse besucht haben, leichter tun und schneller dem normalen Unterricht folgen können.

Barbara Schöbi-Fink

Es hat aber auch Fälle gegeben, bei denen weder Kinder noch Eltern zu erreichen waren, oder?

Nach einer Umfrage wären es 20 Prozent der Kinder gewesen, aber die Zahl stimmt nicht. Seitens der Bildungsdirektion wurde das genau erhoben: Vor Ostern waren es acht Prozent der Kinder, bei denen die Eltern oder die Schüler nicht oder fast nicht erreicht worden sind. Schulqualitätsmanager haben zusammen mit den Lehrern jeden Fall verfolgt und sich darum bemüht, dass der Kontakt hergestellt wurde. Die Schulen waren ja zur Betreuung geöffnet. Und es hat Schulen gegeben, die diese Schüler, die zu Hause dem Unterricht nicht folgen konnten, aktiv an die Schule zurückgeholt haben.

Wie hat sich die Einführung der Bildungsdirektion bewährt?

Diese Mischung aus Landes- und Bundesbehörde hat es in Österreich noch nie gegeben. Dafür, dass zwei Kulturen zusammengekommen sind, die Jahrzehnte lang für sich gewachsen sind, funktioniert es eigentlich recht gut. Seitens der Schulen gibt es in letzter Zeit positive Rückmeldungen, insbesondere deshalb, weil es eine gemeinsame Sicht auf das Schulsystem gibt. Von der Volksschul- bis zur Maturaklasse wird das Schulsystem als ein Ganzes gesehen. Die Schulart, die Aufsicht und Inspektion des Lehrers steht im Hintergrund, das Kind und seine Bildungsgeografie ist in den Vordergrund gerückt.

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Die Schulart, die Aufsicht und Inspektion des Lehrers steht im Hintergrund, das Kind und seine Bildungsgeografie ist in den Vordergrund gerückt.

Barbara Schöbi-Fink

Unter Protest wurden 2018 die Deutschförderklassen eingeführt. Wie haben sich diese entwickelt?

Um die Deutschförderklassen ist es sehr ruhig geworden. Dort, wo sich die Verantwortlichen der Einrichtungen zu den Deutschförderklassen bekannt haben, gibt es positive Ergebnisse. Die Lehrkräfte bestätigen, dass sich Kinder, die eine Förderklasse besucht haben, leichter tun und schneller dem normalen Unterricht folgen können. Natürlich hat es pädagogische Vorbehalte gegeben, die gibt es nach wie vor. Im Raum steht der Vorwurf, dass Schüler auseinandergerissen statt zusammengeführt werden. Ich habe einige Deutschförderklassen besucht, mir ist nicht bestätigt geworden, dass die Kinder das als Segregation empfinden.

Wie zufrieden sind Sie mit den heurigen Maturaergebnissen in Vorarlberg? Gerade in Mathematik waren die Noten einmal mehr nicht besonders gut.

Es stimmt, dass Vorarlberg im Bundesländervergleich nicht so gut abgeschnitten hat. Aber die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern sind sehr klein. Da möchte ich keine große Erklärung darüber abgeben, warum Vorarlberg ein, zwei Punkte unter anderen Ergebnissen liegt. Und: Bei der Englisch-Matura haben die Vorarlberger gut abgeschnitten - sowohl an der AHS als auch an der BHS.

Handlungsbedarf sehen Sie also nicht?

Dieser wird seitens des Ministeriums bei der AHS-Mathe-Matura gesehen. Es hat sich gezeigt, dass die jeweiligen Maturaaufgaben für Lehrer und Schüler schwer einschätzbar sind. Bei der Konzeption der Aufgaben wird es Verbesserungen geben.

Wie ist die Situation beim Übertritt aufs Gymnasium?

Hier ist das Ministerium dabei, eine bessere Übergangssituation zu schaffen - also eine längere Entscheidungsphase für Eltern und Schüler. Noch ist es so, dass das Halbjahreszeugnis der vierten Klasse entscheidend ist. Insgesamt ist das Thema aber nicht mehr so präsent. Das liegt zum einen an der positiven Entwicklung der Mittelschulen, zum anderen aber auch daran, dass die Schülerzahlen leicht sinkend bis konstant sind.

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Wir müssen uns überlegen, wie Theaterbegeisterte im Landestheater wieder erreicht werden können. Für mich ist das ein offener Denkprozess.

Barbara Schöbi-Fink

Sie haben das Kultur-Ressort im Gegensatz zu Ihrem Vorgänger mit viel Freude übernommen. Dann kam Corona - und damit jede Menge Schwierigkeiten. Gab es Momente, in denen Sie Ihre Entscheidung bereut haben?

Nein. Es ist ein spannendes Ressort mit viel Energie und Reibung - von dieser Reibung, auch mit politisch Verantwortlichen, lebt die Kultur auch.

Die Kulturschaffenden wurden durch die Corona-Krise stark gebeutelt. Wird es über die ausgebauten Ateliers- und Arbeitsstipendien weitere Hilfsmaßnahmen geben?

Gott sei Dank können mittlerweile wieder einige Kulturveranstaltungen stattfinden. Wie das im nächsten Jahr aussieht, wissen wir aber alle nicht. Wichtig war, dass nichts zusammenbricht, dass die Kulturtreibenden weiter ihrer Arbeit nachgehen können. Für Künstler auf Honorarbasis war es natürlich sehr schwierig - und ist es noch. Wir haben versucht, neue Fördermittel zu entwickeln, eben die Ateliersförderungen oder die Arbeitsstipendien, die erhöht wurden, auch das Projekt „Kultur im Jetzt“ fällt darunter. Den Herbst werden wir uns genau anschauen müssen.

Sie wollten bei ihrem Antritt das Budget halten beziehungsweise erhöhen. Nun lautet die Vorgabe „Sparen“ - und zwar in allen Ressorts. Es wird von zehn Prozent gesprochen. Was ist dran?

Die Vorgabe ist, dass jedes Ressort sparen muss. Im Kulturressort ist das doppelt schmerzhaft, weil viele Künstler von den Förderungen abhängig sind. Da tun natürlich zehn Prozent weh. Wir sind derzeit noch mitten in den Budgetverhandlungen, aber ich kann nicht ausschließen, dass es zu Kürzungen kommt - sowohl bei den Großen als auch bei den Kleinen.

Wie unglücklich sind Sie darüber?

Sehr unglücklich, aber ich kann es nicht ändern. Vorarlberg muss im Landesbudget in diesem Jahr Einnahmenverluste von hundert Millionen Euro hinnehmen - gleichzeitig geben wir coronabedingt mehr aus. Dieses Jahr ist ein Krisenmodus-Jahr. Wir müssen konsolidieren und Möglichkeiten ausloten, vielleicht auch mal etwas sein zu lassen. Kultur ist immer eine öffentliche Aufgabe, dafür kämpfe ich auch. Aber ich sehe auch die Schwierigkeiten im Gesamthaushalt.

Wie intensiv wird derzeit über das Industriemuseum, das sich Dornbirn ja sehr wünscht, nachgedacht?

Es gibt unterschiedliche Bilder eines Industriemuseums. Die einen sehen das Museum in einem alten Gebäude in der historisch die Industriegeschichte gezeigt wird, die anderen sehen das Thema als die Gesamtheit unterschiedlicher Aspekte in ganz Vorarlberg, die bereits jetzt museal bearbeitet werden: etwa in Frastanz, in Bludenz. Die Frage ist, ob man nur die Historie abbilden will oder auch Vorarlberg als Ort neuer Technologien? Will man auch Letzteres, wird es wohl nicht das alte Gebäude werden. Solange nicht klar ist, was wir wirklich zeigen wollen, werden wir kein Museum bauen. Coronabedingt ist das derzeit aber eine eher nachrangige Frage.

Eine andere Institution, deren Zukunft wohl auch diskutiert werden darf, ist das Landestheater. Stehen die Landestheater nicht für eine veraltete Struktur, die längst überholt ist?

Eine interessante Frage. Auch das beschäftigt uns. Das Landestheater hat in Vorarlberg eine lange Tradition. Es fällt mir schwer, mir ein Haus ohne fixes Ensemble vorzustellen. Aber vielleicht müssen wir darüber nachdenken. Auch darüber, wie die Theaterbegeisterten im Landestheater wieder erreicht werden können. Für mich ist das ein offener Denkprozess, wobei ich nicht soweit gehen möchte, diese Struktur heute in Frage zu stellen.

Heute nicht, aber vielleicht morgen? Es gäbe ja fähige heimische Theatermenschen, die die Leute in die Theatersäle holen.

Da kann ich nur zustimmen. Aber wir sind dort noch nicht. Ich habe großen Respekt vor dem, wie derzeit im Landestheater gearbeitet wird. Intendantin Stefanie Gräve macht sehr engagiertes Theater.

Sonja Schlingensiepen, Angelika Drnek

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