Offiziell Kandidat

“Haiti kann nicht warten”: Jean will Präsident werden

Ausland
06.08.2010 11:12
Das immer noch mit den Folgen des verheerenden Erdbebens vom Jänner kämpfende Haiti kann mit einem berühmten Präsidentschaftskandidaten aufwarten: Der bekannte Hip-Hop-Sänger Wyclef Jean tritt bei der Wahl zum Staatsoberhaupt im November an. "Ich möchte Präsident Barack Obama sagen, dass die USA Obama haben und Haiti Wyclef Jean", sagte der dreimalige Grammy-Gewinner am Donnerstag vor begeisterten Unterstützern in der Hauptstadt Port-au-Prince nach seiner Registrierung als Kandidat.

Als PR-Gag kann man seine Kandidatur kaum abtun, engagiert sich der 37-Jährige doch schon seit Jahren humanitär für den verarmten Karibikstaat. Auch spielte der dreifache Grammy-Gewinner schon seit längerem mit dem Gedanken einer politischen Karriere. Im Song "If I was President" ("Wenn ich Präsident wäre") aus dem Jahr 2008 sind auch schon Ansätze eines Wahlprogramm erkennbar. "Statt Milliarden für Krieg auszugeben, können wir etwas von diesem Geld im Ghetto (den Slums) verwenden", rappte er. Was ihn in der Politik erwarten könnte, darüber machte er sich keine Illusionen: "Wenn ich Präsident wäre, würde ich am Freitag gewählt, am Samstag ermordet und am Sonntag begraben."

Dieses Risiko will Wyclef nun eingehen, um seinem Land nach dem verheerenden Erdbeben im Jänner wieder auf die Beine zu helfen. Die Chancen auf einen Wahlsieg stehen gut, ist die haitische Politik wegen des Missmanagements nach der Naturkatastrophe doch völlig diskreditiert. Amtsinhaber Rene Preval darf bei dem Urnengang im November nach zehn Jahren im Amt ohnehin nicht mehr kandidieren.

"Haiti kann nicht noch zehn Jahre warten"
"Wenn das Erdbeben nicht gewesen wäre, hätte ich vielleicht noch zehn Jahre gewartet", sagte Jean dem US-Nachrichtenmagazin "Time". "Aber das Beben hat mir gezeigt, dass Haiti nicht noch zehn Jahre warten kann, um ins 21. Jahrhundert gebracht zu werden." Die Lage nach dem Erdbeben mit 220.000 Toten beschrieb der dreifache Grammy-Gewinner als "apokalyptisch". Er hatte selbst bei den Aufräumarbeiten in der Hauptstadt Port-au-Prince mitangepackt. "Wir haben den ganzen Tag damit verbracht, Leichen einzusammeln", sagte er dem US-Sender Fox News.

Mit seiner Hilfsorganisation "Yele Haiti" ist Wyclef seit fünf Jahren in der früheren französischen Kolonie tätig, im Jahr 2007 ernannte ihn Preval zum "Botschafter des guten Willens" für Haiti. Den Anfang machten 3.600 Stipendien für Schulkinder nach dem Hurrikan Jeanne in der Stadt Gonaives, ein Projekt, das mittlerweile auf fünf Regionen Haitis ausgeweitet wurde. Während der Nahrungsmittelkrise im Jahr 2008 verteilte Wyclef Lebensmittel in einem Slum von Port-au-Prince und startete ein Projekt zum Wiederanbau von Feldern. Als er nach dem Erdbeben im Jänner über seinen Twitter-Account zu Spenden von je fünf Dollar (3,43 Euro) für "Yele Haiti" aufrief, brach ihre Internetseite innerhalb weniger Minuten zusammen. Allerdings sind auch Vorwürfe über Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung der Spendengelder laut geworden. So soll sich Wyclef von seiner Stiftung für Auftritte bei Benefizveranstaltungen bezahlen haben lassen.

Im Alter von neun Jahren nach New York ausgewandert
In Port-au-Prince als Sohn eines evangelikalen Priesters geboren, wanderte Wyclef im Alter von neun Jahren mit seinen Eltern nach New York aus. Seit seinem 15. Lebensjahr als Musiker tätig, schaffte er 1996 den Durchbruch als Mitglied der Hip-Hop-Band The Fugees (Die Flüchtlinge). Trotz des Riesenerfolges des Debütalbums "The Score" zerfiel die Formation schon nach der zweiten Platte, gerüchteweise wegen eines Konflikts um die Schwangerschaft von Sängerin Lauryn Hill.

Wyclef startete eine erfolgreiche Solokarriere mit mittlerweile neun Alben, und stellte dabei seine musikalische Vielseitigkeit unter Beweis. Seine Bandbreite reicht von Rap über Pop und Reggae bis zum Blues. "Ich bin eben nicht vorhersehbar. Ich könnte morgen auch ein Country-Album aufnehmen", sagte er beim Erscheinen des Albums "Masquerade" im Jahr 2002.

Bald zeigte sich, dass dem mit der US-Modedesignerin Marie Claudinette verheirateten Vater einer Adoptivtochter die Musik allein nicht genug ist. Im Jahr 2003 stieg er ins Filmgeschäft ein und spielte im Gangsterfilm "Shottus" die Hauptrolle. Dann begann er, sich stärker seiner Heimat zuzuwenden und nahm mit "Welcome to Haiti: Creole 101" (2004) ein Album in seiner Muttersprache Kreolisch auf. Ob er seine Sammlung von 37 Auto-Raritäten - darunter ein pinkfarbener Cadillac Eldorado 1957, ein McLaren-Formel-1-Auto und ein Ferrari 360 Spider F1 - mittlerweile zugunsten seines humanitären Engagements aufgeben hat, ist nicht überliefert.

300.000 Menschen starben bei dem verheerenden Beben
Haiti war am 12. Jänner von einem Erdbeben der Stärke 7,0 erschüttert worden, mehr als 300.000 Menschen kamen ums Leben. Große Teile von Port-au-Prince wurden zerstört. Zahlreiche Einwohner leben noch immer in Notunterkünften. Der Staat gehört zu ärmsten Ländern weltweit.

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