"Krone"-Interview

Nächster Life Ball ohne den ORF? Gery Keszler rechnet ab

Adabei
05.08.2010 19:32
"Ich bin nicht spießiger und nicht altersmüde geworden", sagt Life-Ball-Organisator Gery Keszler im "Krone"-Interview mit Nadia Weiss, "aber die Spaßgesellschaft der Neunziger hat sich in eine Wertegesellschaft gewandelt. In diese Richtung hat sich auch der Life Ball entwickelt." Ob der ORF bei dieser Entwicklung auch weiterhin dabei sein wird, wird sich zeigen. Vor seinem vierwöchigen Urlaub übt Keszler heftige Kritik am öffentlich-rechtlichen Sender.

"Krone": Herr Keszler, der Life Ball war mit einem Gewinn von 1,5 Millionen Euro ein voller Erfolg, dennoch überlegen Sie sich Veränderungen. Welche?
Keszler: Der heurige Life Ball war von der organisatorischen Leistung sicher ein Grenzgang, da wir die enorme Verantwortung hatten, den Auftakt zur internationalen Welt-AIDS-Konferenz umzusetzen. Dazu kamen verschiedene Komplikationen – vor allem das Wetter! Wir hatten bei der Eröffnung das schönste Programm, das es je beim Life Ball gab, und nie wird es jemand sehen.

"Krone": Die Modenschau fiel ins Wasser. Könnte sie stattdessen beim nächsten Life Ball zu sehen sein?
Keszler: Eigentlich überlege ich, ob wir in Zukunft überhaupt noch eine Modenschau machen sollen. Sie passt eigentlich nicht mehr in das weiterentwickelte Konzept der Eröffnung. Aber all das werde ich mir erst nach den vier Wochen Ferien, die ich mir jetzt dringend selber verordnet habe, überlegen.

"Krone": Sie wirken gedämpft. Keine Euphorie nach einem Event, der in 108 Ländern im Fernsehen übertragen wurde?
Keszler: Ich sage Ihnen ehrlich, ich bin erst glücklich, wenn die ORF-Berichterstattung vom Life Ball ohne Quertreibereien so funktionieren würde, wie es vereinbart war. Das ist das Enttäuschende: Wenn man eine Partnerschaft mit dem Staatssender eingeht, sollte man sich zumindest Vereinbarungstreue und einen respektvollen Umgang erwarten können.

"Krone": Wie kam es zum Konflikt zwischen dem Life Ball und dem ORF?
Keszler: Es gibt keinen Konflikt mit dem ORF, sondern mit einzelnen Personen.

"Krone": Die da wären?
Keszler: Wochen und Monate vorher wurde von Seiten des ORF vereinbart, dass "Chili" den offiziellen Nachbericht des ORF vom Rathaus und Burgtheater macht und dass die "Seitenblicke" als einziges Team zur Gala ins Parlament dürfen. Normalerweise herrscht seitens "amfAR" absolutes Presseverbot. Das alles wurde per Handschlag mit dem ORF, namentlich mit Herrn Pius Strobl, vereinbart. Herrn Strobl war es ein Anliegen, dass „Chili“ den Löwenanteil bekommt und die "Seitenblicke" nur einen kleinen Teil. Aber das hat ihm nicht gereicht.

"Krone": Er wollte nachverhandeln?
Keszler: Das ist der falsche Ausdruck. Wenige Tage vor dem Life Ball kam ein Anruf von Herrn Strobl, wir stellten ihn auf Lautsprecher und lauschten fassungslos seinen harschen Anweisungen: Er verlangte, dass der "Chili"-Redakteur Dominic Heinzl den Bericht aus dem Parlament macht. Für uns war das undenkbar, da wir es gewohnt sind, getroffene Vereinbarungen einzuhalten, noch dazu war die Produktionsvergabe der hochkarätigen "amfAR"-Gala aufgrund der schlechten Englisch-Kenntnisse und des unberechenbaren Benehmens von Dominic Heinzl den "Seitenblicken" zugesagt worden. Daraufhin brüllte Pius Strobl einen einzigen Satz ins Telefon: "Dann gibt es gar keine Nachberichterstattung!"

"Krone": Was war die offizielle Begründung für die Kürzung?
Keszler: In der ORF-Aussendung wurde die Sendungskürzung mit "unabgesprochenen und täglich wechselnden Beschränkungen der Berichterstattung durch den Veranstalter" begründet. Wenn man bedenkt, dass der ORF 181 Personen akkreditiert hatte, fragt man sich, wie viel Personal man eigentlich noch braucht. Letztlich wurde ein 30-minütiger Beitrag der "Chili"-Redaktion als Nachberichterstattung gezeigt. Dass Heinzl dabei wenig Gutes berichten wird, war ja schon im Vorhinein klar. Aber dass er kein einziges Mal "HIV" oder "AIDS" im Zusammenhang mit dem Life Ball erwähnt, zeigt, worum es ihm wirklich geht.

"Krone": Hat Generaldirektor Alexander Wrabetz zu den Vorgängen Stellung genommen?
Keszler: Es gibt doch den berühmten Satz: "Wer unter mir General ist, ist mir egal". Mit Herrn Wrabetz habe ich erst kurz bei der Veranstaltung im Parlament gesprochen, er schien nicht korrekt informiert geworden zu sein. Schlagzeilen wie "Life Ball und ORF streiten" schaden beiden Seiten. Damit hat diese Aktion und das Nichtinformieren den Generaldirektor eindeutig zum Hanswurst gemacht.

"Krone": Warum durfte Dominic Heinzl nicht auf dem Roten Teppich filmen?
Keszler: Direkt auf dem roten Teppich, so ist es auf Wunsch des ORF vereinbart, darf nur ein Kamerateam vom ORF filmen, nämlich jenes, welches für die Live-Übertragung zuständig ist. Sonst hätte der ORF ja viele andere Kameras ständig im Bild, so funktioniert es bei jeder internationalen Veranstaltung. "Chili" hat sich dort mit 13 Personen akkreditiert und aufgestellt. Meiner Meinung nach wollte man mit diesem inszenierten Skandal die marode Quote von "Chili" aufbessern.

"Krone": Welchen Mehraufwand haben Sie durch die Live-Übertragung?
Keszler: Eine Person in unserem Büro ist großteils für diese Live-Sendung abgestellt. Wir haben dem ORF gratis eine Exklusiv-Übertragung zur Verfügung gestellt, die ihm heuer mehr als eine halbe Million Zuseher eingebracht hat, gleich viele wie der "Jedermann". Und dafür ernten wir jedes Jahr Hohn! Der Vertrag mit dem ORF ist jetzt jedoch ausgelaufen. Es gibt eine Einladung von Herrn Wrabetz im Herbst wegen einer künftigen Zusammenarbeit, ebenso wie es Angebote aus Deutschland und Amerika gibt, auch MTV ist sehr interessiert. Alle Bekundungen werden von uns genau sondiert werden.

von Nadia Weiss, Kronen Zeitung

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(Bild: kmm)



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