Eine Aufhebung der umstrittenen Dekrete, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Grundlage für die Enteignung und Vertreibung von Sudetendeutschen aus der damaligen Tschechoslowakei bildeten, erachtet Schwarzenberg allerdings als "einfach nicht realistisch". Eine rückwirkende Aufhebung würde einen "Rechtsfolgeprozess auslösen, der unabsehbar ist".
Sowohl Schwarzenberg als auch Spindelegger verwiesen in diesem Zusammenhang auf die bilaterale Historikerkommission, die 2009 ihre Arbeit aufgenommen hat. Spindelegger erwartet sich von ihr ein gemeinsames wissenschaftlich basiertes Fundament, das zur Aufarbeitung der Geschichte dienen soll. Dieses Fundament sei wichtig, "sonst bleibt es eine Oberflächendiskussion".
"Keine Geheimniskrämerei" in Causa Temelin
Die beiden Außenminister sprachen außerdem über die zweite bilaterale Streitfrage: Temelin. Da die geplante Erweiterung des tschechischen Atomkraftwerks österreichische "Sicherheitsinteressen berührt", wie Spindelegger sagte, will Österreich fortgesetzte Informationen. Bei der grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung können "wir unsere Interessen auf den Tisch legen", so der Außenminister.
"Transparenz ist gegeben. Es gibt hier keine Geheimniskrämerei", sagte Schwarzenberg. Und sicherte zu: "Österreich wird ein Wort haben." Gleichzeitig betonte er, dass die Entscheidung hinsichtlich des Ausbaus aber letztlich in Tschechien falle. Die Tschechische Republik "sieht keine Möglichkeit, dass auf Kernkraftwerke verzichtet wird". Bedauerlicherweise liege sein Land nicht in der Sahara oder der Nordsee, um Sonnen- oder Windenergie in ausreichendem Maße gewinnen zu können. Und auch die Kohlereserven gingen irgendwann zu Ende. Schwarzenberg sprach sich für eine gemeinsame europäische Energiepolitik aus.
Gemeinsames Vorgehen in der EU vereinbart
In der EU wollen Tschechien und Österreich gemeinsam ihre Interessen vertreten. Österreich wolle mit den Nachbarn "stärker an einem Strang ziehen", sagte Spindelegger und nannte mögliche Bereiche: Westbalkan, Erweiterung, personelle Fragen des Europäischen Auswärtigen Diensts (EAD). Schwarzenberg erklärte, dass man nach Implementierung des Lissabon-Vertrags "nur gemeinsam etwas erreichen" könne: "Enge Kooperation ist das Gebot der Stunde, dem soll dieser Besuch hier dienen."
Die beiden Außenminister vereinbarten darüber hinaus, sich alle sechs Monate in Grenznähe zu treffen, um bilaterale Themen zu erörtern und eine Zukunftsdiskussion zu führen, so Spindelegger. Schwarzenberg sagte, es liege ihm "am Herzen, die nachbarschaftlichen Beziehungen enger und enger zu gestalten. Familienbeziehungen und Nachbarschaftsbeziehungen sind nur dann gut, wenn man sie ständig pflegt."
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