Bei Flucht nach Beirut

Amerikaner sollen Ghosn in Kiste versteckt haben

Ausland
07.01.2020 12:41

Der frühere Automanager Carlos Ghosn soll in einer Kiste versteckt aus Japan in den Libanon geflohen sein. Zu der Flucht mit einem Privatjet hätten ihm zwei hierzu eingereiste Amerikaner geholfen, berichteten japanische Medien am Dienstag. Die Analyse von Aufnahmen mehrerer Sicherheitskameras habe dies ergeben.

Der ehemalige Vorstandschef des französisch-japanischen Autobündnisses Renault-Nissan-Mitsubishi war in Japan unter Anklage gestanden, war aber gegen Kaution auf freiem Fuß, als er im vergangenen Monat die Flucht ergriff.

Amerikaner als Fluchthelfer
Ghosn habe sein Haus in Tokio am 29. Dezember allein verlassen und sei rund 800 Meter zu einem Hotel gegangen, wo er zwei Amerikaner getroffen habe, berichtete der Fernsehsender NHK am Dienstag. Nach Informationen der „New York Times“ soll es sich bei einem der beiden um Michael Taylor, einen US-Sicherheitsberater und früheren Angehörigen der US-Spezialeinheit Green Berets, handeln. Die beiden Helfer seien an jenem Morgen von Dubai kommend mit einem Privatjet auf dem Internationalen Flughafen Kansai in Osaka gelandet. Sie hätten in der Nähe in einem Hotel eingecheckt und eine große Kiste dabeigehabt.

Später seien sie mit dem Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen von Osaka nach Tokio gefahren. Anschließend sei Ghosn mit ihnen per Shinkansen von Tokio zurück nach Osaka zum Hotel gefahren, hieß es in japanischen Medienberichten weiter. Zwei Stunden später hätten die Amerikaner mit zwei großen Kisten das Hotel verlassen. Ghosn sei nicht zu sehen gewesen. Die Kisten dürften als Gepäck für Musikinstrumente deklariert gewesen und am Flughafen nicht durchleuchtet worden sein. Auch am Zoll blieben sie verschlossen.

Der Privatjet war gegen 23.10 Uhr Ortszeit Richtung Türkei gestartet. Japans Behörden gehen davon aus, dass Ghosn in einer der beiden Kisten versteckt war. Transportminister Kazuyoshi Akaba kündigte am Dienstag an, dass in Zukunft große Gepäckstücke von Passagieren von Privatflugzeugen inspiziert werden müssen.

Haftbefehl gegen Ehefrau
Die japanische Staatsanwaltschaft erwirkte unterdessen auch einen Haftbefehl gegen Ghosns Frau Carole. Ihr werde vorgeworfen, im vergangenen April bei einer Befragung durch die Staatsanwaltschaft vor Gericht Falschaussagen gemacht zu haben, berichtete die japanische Nachrichtenagentur Kyodo.

Carole Ghosn hatte immer wieder die Haftbedingungen ihres Mannes in Japan scharf kritisiert und angezweifelt, dass er einen fairen Prozess bekomme. Sie hatte sogar US-Präsident Donald Trump sowie Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron um Hilfe in dem Fall gebeten. Eine Bedingung für Ghosns Entlassung aus der monatelangen Untersuchungshaft gegen Kaution war gewesen, dass er weder Japan verlässt, noch ohne Erlaubnis Kontakt zu seiner Frau aufnimmt.

Flugzeuge illegal genutzt?
Japans Justizministerin Masako Mori erklärte, Ghosn habe das Land mit „illegalen Methoden“ verlassen. Er nutzte für seine Flucht Jets der türkischen Firma MNG, wie die Charterfirma am Freitag bekannt gab. Die Maschinen - eine für die Strecken Dubai - Osaka und Osaka - Istanbul sowie eine für die Reise von Istanbul nach Beirut - seien „illegal“ benutzt worden. Das Unternehmen habe Anzeige erstattet, „um jene zu belangen, die beteiligt waren“. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu hatte berichtet, dass in der Türkei sieben mutmaßliche Helfer festgenommen worden seien, unter ihnen vier Piloten. Ghosn hat die französische, brasilianische und libanesische Staatsangehörigkeit.

Statement in Beirut geplant
Ghosn hat sich bisher nicht dazu geäußert, wie ihm die Flucht über die Türkei in den Libanon gelang. Er will sich am Mittwoch in Beirut der Presse stellen. Er sei „nicht länger eine Geisel des manipulierten japanischen Justizsystems“, hatte er in einer ersten Stellungnahme betont. „Ich bin dem Unrecht und politischer Verfolgung entkommen.“ Am 19. November 2018 war Ghosn in Tokio wegen Verstoßes gegen Börsenauflagen festgenommen und angeklagt worden. Zudem soll er private Investitionsverluste auf Nissan übertragen haben. Ghosn hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen.

Im April war er auf Kaution entlassen worden - unter strengen Auflagen, um zu verhindern, dass er flieht oder Beweismaterial vertuscht. Unter anderem wurde ihm verboten, das Land zu verlassen. Die von ihm hinterlegte Kaution in Höhe von 1,5 Milliarden Yen (12,4 Millionen Euro) behält der japanische Staat ein. Das beschloss das Bezirksgericht in Tokio am Dienstag. Der japanische Renault-Partner Nissan will trotz der Flucht weiter rechtlich gegen Ghosn vorgehen, wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte. Man werde angemessene rechtliche Schritte ergreifen, um „Ghosn für den Schaden, den sein Fehlverhalten Nissan verursacht hat, zur Verantwortung zu ziehen“.

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