Der Staatsanwaltschaft Wien erschien schließlich die Beweislage ausreichend, um die Verdächtigen wegen der vermuteten Bildung einer kriminellen Organisation im Sinne das Mafia-Paragrafen 278a Strafgesetzbuch (StGB) aus dem Verkehr zu ziehen. Mindestens zwölf Personen sitzen mittlerweile in U-Haft. Haftgründe sind Tatbegehungs-und Verdunkelungsgefahr.
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Zumindest seit 2008 waren Richard St. und sein Umfeld Gegenstand von Ermittlungen, wobei sich diese zunächst auf Schutzgeld-Erpressungen und absichtliche schwere Körperverletzungen beschränkten. Als sich der Verdacht verdichtete, dass man es mit einer mafiaähnlichen Verbindung zu tun haben könnte, legte die Anklagebehörde einen Geheim-Akt an und ließ sich den "Großen Lauschangriff" richterlich genehmigen, was zwingend zur Folge hatte, dass die weiteren Erhebungen unter Verschluss geführt wurden.
Staatsanwaltschaft durch Vorpreschen der Polizei unter Druck
Die zuständige Staatsanwältin Susanne Kerbl-Cortella hätte nach den Festnahmen gern ausreichend Zeit gehabt, um die Ergebnisse des Lauschangriffs in Ruhe auszuwerten und die Inhaftierten in separaten Einvernahmen damit zu konfrontieren. Dem Vernehmen nach preschte allerdings in der Vorwoche die Polizei vor, indem sie für den Dienstag nach Ostern eine Pressekonferenz zu der Causa avisierte und sich erkundigte, ob die Staatsanwältin nicht daran teilnehmen wolle.
Für die Anklagebehörde war es viel zu früh, um mit dem aktuellen Ermittlungsstand an die Öffentlichkeit zu gehen, zumal nach Ostern noch Hausdurchsuchungen stattfinden sollten und die ins Auge gefassten Festnahmen nicht abgeschlossen waren. Behördenleiterin Maria-Luise Nittel soll daher am vergangenen Freitag beim Bundeskriminalamts-Direktor Franz Lang interveniert und so die Pressekonferenz verhindert haben.
"Das gefährdet unser Ermittlungsverfahren"
Dessen ungeachtet gelangten Informationen über den Schlag gegen die Gürtel-Szene frühzeitig in die Medien, und es wurde auch öffentlich dargetan, welche Etablissements konkret vom Lauschangriff umfasst waren. Für die Staatsanwaltschaft eine mittlere Katastrophe, wie Mediensprecherin Michaela Schnell am Mittwoch betonte: "Aus ermittlungstaktischen Erwägungen ist das verheerend. Das gefährdet unser Ermittlungsverfahren."
Richard St. wird nach Wien überstellt
Richard St., der am vergangenen Sonntag nach seiner Einreise aus der Dominikanischen Republik festgenommen worden ist, soll am kommenden Dienstag von München nach Wien überstellt werden. Sein angeblicher Stellvertreter Dusan R. alias "Rocky" sitzt derzeit in der Justizanstalt Eisenstadt in U-Haft, eine weitere, als "langer Peter" bekannte Szene-Größe in Korneuburg. Auch die beiden werden demnächst in die Justizanstalt Josefstadt verlegt.
Verteidiger Christian Werner, der in der gegenständlichen Causa die mutmaßlichen Gürtel-Chefs sowie deren Helfer vertritt, hat sich am Mittwoch in der Justizanstalt Josefstadt erstmals mit zwei seiner festgenommenen Mandanten unterhalten können. Dabei handelte es sich allerdings nicht um die angeblichen Capos, sondern um Handlanger. "Die Besprechung hat unter Gesprächsüberwachung stattgefunden", berichtete Werner.
Laut dem Anwalt liegen gegen seine Mandanten "umfangreiche Ergebnisse langwieriger Ermittlungen" vor. Zum Inhalt und der Schwere der Beweislast konnte Werner vorerst nichts sagen, "da ich noch keine Einsicht in den Verschlussakt bekommen habe und kein einziges Protokoll der Telefonüberwachung kenne".
Symbolbild
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