ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz will trotz der Gefahr durch ukrainische Nationalisten, die wohl hinter einer Website stecken, auf der der 57-jährige Steirer als „Agent des Kreml“ genannt wird, seine Arbeit als Korrespondent in der Ukraine fortsetzen. Wie er gegenüber krone.at versichert, wird er auch nach seiner Rückkehr aus den Weihnachtsferien keine bestimmten Orte meiden. „Dann kann ich ja gleich aufhören zu arbeiten“, so Wehrschütz am Donnerstag.
Die Website posipaka.org - das Wort bedeutet in etwa Person, die lügt und die Fakten außer Acht lässt - kannte Wehrschütz laut eigenen Angaben bisher nicht. Sein Produzent in der Ostukraine habe ihn am Stefanitag darauf aufmerksam gemacht, dass sein Kollege auf dieser Website gelandet sei. Wehrschütz zieht Vergleiche zu ähnlich diffamierenden Seiten wie jener namens „Mirotworez“ („Friedensstifter“), auf der „das gesamte Team des ORF als Volksfeinde aufgelistet war“.
Ebenfalls als „Volksfeinde“ gelten der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder, Opernsängerin Anna Netrebko, der ehemalige Staatsoperndirektor Ioan Holender, der Linzer FPÖ-Vizebürgermeister Detlef Wimmer und der sozialdemokratische Gewerkschafter Alfred Almeder.
Begründet wird die Nennung von Österreichern von den anonymen Betreibern der Internetseite „Mirotworez“ in den meisten Fällen mit unautorisierten Besuchen auf der von Russland im Jahr 2014 annektierten Halbinsel Krim sowie in den selbst ernannten Volksrepubliken im Osten der Ukraine. Deren Territorium wird nicht von der Regierung in Kiew kontrolliert.
Website als „Anreiz“ für Nationalisten, die „Volksfeinde“ suchen
Die Gefahr sei, dass „derartige Seiten zur Diffamierung dienen und ,Anreize‘ für jene bieten könnten, die mit ,Volksfeinden‘ abrechnen wollen“, erklärt Wehrschütz gegenüber krone.at das Gefährdungspotenzial für sich und die anderen Österreicher. Dass hier gezielt manipuliert wird, ist für den langjährigen ORF-Balkan- und Ukraine-Korrespondenten klar: „Die Zitate aus meinen Beiträgen für den ORF sind völlig aus dem Zusammenhang gerissen.“
Vorwurf: Einseitige, russlandfreundliche Berichterstattung
Wie berichtet, prangert die „Agenten des Kreml“-Seite eine zu einseitige und russlandfreundliche Berichterstattung im ORF über die Situation auf der Krim seit der Annexion durch Russland im Jahr 2014 an. So werden als Beispiele drei Beiträge für den ORF aufgelistet. In einem Bericht spricht der 57-Jährige über die „Erfolge der Russischen Föderation beim Bau des Flughafens in Simferopol und den Bau der Krimbrücke“. In einem anderen Beitrag geht es um die „Verbesserung des Lebens der Krimtataren auf der Halbinsel“. Zu guter Letzt wird ihm auch das Thematisieren eines „gefälschten“ Berichts von der russischen Nachrichtenseite RT (ehemals Russia Today) auf seiner Facebook-Seite vorgeworfen.
Ermordete Journalisten: Wehrschütz will nicht „der nächste“ sein
Wie eine „Abrechnung“ mit „Volksfeinden“ aussehen kann? Der ORF-Reporter schildert das in einer E-Mail, die er am Mittwoch sowohl an ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz als auch an die Bundesregierung in Wien geschickt hat, auf dramatische Weise: „Es sind bereits zwei Journalisten ermordet worden und ich habe sicher nicht die Absicht, der nächste zu sein!“
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