Katias Kolumne

Alle Politiker-Kinder in öffentliche Schulen!

Österreich
12.09.2018 11:55

Pünktlich zum Schulstart lässt ein Buch mit brisantem Inhalt aufhorchen. Im gerade erschienen Text „Kulturkampf im Klassenzimmer“ berichtet die Autorin, Mittelschullehrerin Susanne Wiesinger, von ihrem Alltag an einer sogenannten Brennpunktschule. Die darin beschriebenen Situationen sind beklemmend wie alarmierend zugleich und zeigen einmal mehr, wie sehr eine Politik des Wegschauens den nachkommenden Generationen schadet.

Um nur einige wenige Auszüge wiederzugeben: Wiesinger erzählt unter anderem, dass ihre Schüler nach dem Terroranschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ mehr Verständnis für die Täter als Mitgefühl für die Opfer hatten. Sie erzählt auch von jungen Mädchen, die gemobbt werden, weil sie Kleider statt Kopftuch tragen, von Vätern, die Lehrerinnen nicht die Hand geben wollen, und von Kindern, die den Ehrenmord verteidigen. „Sie gehorchten ihrem Glauben. Alles andere musste sich unterordnen. Die Religion hatte unsere Schule im Griff“, heißt es in dem Buch.

Nicht weniger verstörend ist die Reaktion des Wiener Stadtschulrats auf ihre Erlebnisberichte. So sagt die Autorin, dass es „einen Druck“ seitens des Stadtschulrates und der Gewerkschaft gegeben habe, „nicht über Migrationsprobleme, schon gar nicht von Flüchtlingen, zu sprechen“. Ein in einer starken Demokratie, die vom Austausch und Diskurs lebt, bedenkliches Schweigegebot.

Von Sprechverboten und falsch verstandener Toleranz
Denn in einer Gesellschaft, in der von Schulkindern Zwangsehen gutgeheißen und Ehrenmorde verteidigt werden, besteht tatsächlich erheblicher Diskussions- und Handlungsbedarf. Wenn mitten in unserer Gesellschaft Menschen leben, die reaktionär-fundamentalistisches Denken an die heranwachsende Generation weitergeben, darf nicht aus falsch verstandener Toleranz oder aus politischen Erwägungen weggesehen oder geschwiegen werden.

Ganz im Gegenteil. Eine erst zu nehmende Demokratie muss es sich leisten können, das Druckkochtopf-Thema des radikalen Islam in Schulen und die Versäumnisse der Vergangenheit in einer breiten Öffentlichkeit zu diskutieren und entsprechende Konsequenzen und Lösungen - fernab von wohlgemeinten Arbeitskreisen und bunten Informationsfoldern - anzudenken und zu formulieren.

Mut, von dem Politiker noch etwas lernen können
Die Autorin Wiesinger hat Mut bewiesen und trotz möglicher Konsequenzen öffentlichkeitswirksam den Finger auf eine der vielen Wunden in Wiens Schulen gelegt. Mut, den es auch dann braucht, wenn man in der von Parteihickhack verkrusteten Schulpolitik tatsächlich etwas ändern möchte. Mut, von dem so mancher politischer Verantwortungsträger noch etwas lernen kann.

Der Bildungsexperte Andreas Salcher sagte in einem Interview im „Kurier“ auf die Frage, was denn passieren muss, dass es in der Schulpolitik zu einer echten Reform kommt: „Jeder Politiker muss sein Kind in die nächstgelegene öffentliche Schule geben. Dann würde sich plötzlich ganz schnell an den Volksschulen und Neuen Mittelschulen alles ändern.“ Das wäre vielleicht einen Versuch wert.

Katia Wagner

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