„Let‘s Go Sunshine“

The Kooks: „Wir sind die Band für die Außenseiter“

Musik
07.09.2018 07:00

Nach einer längeren Findungsphase haben die britischen Indie-Helden The Kooks auf ihrem brandneuen Album „Let‘s Go Sunshine“ wieder in die Gitarrenspur zurückgefunden. Frontmann Luke Pritchard und Bassist Peter Denton erzählten uns am Rande ihres gefeierten Auftritts beim diesjährigen Frequency Festival, warum sie sich lange missverstanden fühlten, weshalb man einen Führerschein fürs Internet bräuchte und wieso ein Schritt zurück zwei nach vorne bedeuten.

(Bild: kmm)

2006 war die britische Indie-Szene noch durchzogen von erfolgreichen Gitarrenbands mit Wuschelhaaren und Blur-Referenzen. Franz Ferdinand oder die Kaiser Chiefs dominierten die Charts und jeder neuen Band, die ein „The“ vor das Hauptwort stellte und rhythmisches Drumming mit schrubbenden Sechssaitern mischte, war der Erfolg quasi sicher. In dieser Hochzeit der sogenannten „Class Of 2004“ stießen mit leichter Verspätung auch die Kooks, benannt nach dem gleichnamigen David-Bowie-Song von seinem verkannten Meisterwerk „Hunky Dory“, deren Debütalbum „Inside In/Inside Out“ im Jänner 2006 auf Platz zwei der Albumcharts kraxelte, gleich fünffach Platin einheimste und zudem nicht weniger als sechs Singles in die Top-40 brachte. Songs wie „Naive“ oder „She Moves In Her Own Way“ wurden landesweit mitgesungen, auch am Festland spürten Indie-Radiohörer den frischen Wind dieses neuartigen Hypes.

Normalisierung
Es folgen Supportshows mit den Rolling Stones, Lobpreisungen und Auszeichnungen der renommiertesten Musikmagazine und ein ebenso starker, aber nicht mehr ganz so erfolgreicher Nachfolger namens „Konk“. Nach den ersten Line-Up-Rochaden und einer gesunden Normalisierung innerhalb des Popularitätskontexts waren die Kooks auf Identitätssuche. Ermüdet von den dauerhaften Touren, TV-Aufzeichnungen und den Anforderungen des Business setzte Frontmann und Sprachrohr Luke Pritchard alles auf eine neue Karte und veränderte den Sound der Band fundamental. Auf dem 2014er Werk „Listen“ gab es vermehrt Electro-Beats und weniger Gitarren, viel mehr Gospel statt althergebrachtem Indie. Ein mutiger Spagat zwischen verschiedenen Soundwelten, den die Kooks davor zwar schon immer antäuschten, aber niemals in dieser Vehemenz durchsetzten. Das Ergebnis daraus war ein Rückfall in den Charts, sich wundernde Fans und missverstandene Musiker - auch noch heute, vier Jahre später.

„Ich bin immer noch der Meinung, dass es eine Schande ist, dass das Album kommerziell nicht erfolgreich war“, blickt Pritchard im Gespräch mit der „Krone“ zurück, „es war großartig, daran glaube ich noch heute fest. Die Öffentlichkeit hat es einfach missverstanden, damit müssen wir leben. Jede Band, die schon länger im Geschäft ist, hat zumindest ein Album gemacht, das sie selbst für herausragend hält, aber von der Masse nicht angenommen wird“, kann er heute zumindest darüber schmunzeln. Den Kooks ging es auf „Listen“ gar nicht so sehr darum, sich experimentell zu zeigen, sondern die Gitarre etwas zurückzustellen und mit dem bekannten Hip-Hop-Produzenten Inflo neue Wege zu beschreiten. „Als Musiker willst und sollst du die Grenzen aufbrechen, sonst hätte das alles keinen Sinn. Es geht natürlich um die Verkaufszahlen, aber auch darum, dass du dich nicht im Kreis bewegst. Vielleicht war das Album auch seiner Zeit voraus und wird in einigen Jahren besser verstanden.“

Gitarre und Notizblock
Der Warnschuss war unüberhörbar und für das neue Werk „Let’s Go Sunshine“ gingen die Kooks einen Schritt zurück, um wieder zwei nach vorne gehen zu können. „Es war der Weg zurück zu Gitarre und Notizblock. Früher haben wir im Studio experimentiert und den Groove gesucht, dieses Mal war der Song vorgeformt und wir haben im Studio detailliert dran gearbeitet. Beim Texten hatte ich so viel Spaß wie seit dem Debüt nicht mehr“, lacht Pritchard, „ich habe mich wohl acht Jahre selbst zu ernst genommen. Ich habe hier das Spielerische wiederentdeckt, erzähle mehr Geschichten, als dass ich superpersönlich bin. Für mich war das Album eine Befreiung.“ Mit den beiden anglophilen Produzenten Brandon Friesen und Chris Seefried arbeiteten die Kooks hauptsächlich im sonnigen Los Angeles, was man der Platte zu jeder Sekunde anhört. Nicht zuletzt auf der Single „No Pressure“, die klanglich das Surfer-Feeling der Beach Boys mit der Früh-60er-Popphase der Beatles vermengt. „Möglicherweise hört man den Lifestyle Kaliforniens heraus. Das ist durchaus möglich.“

In Zeiten wie diesen haben die Kooks nicht bloß zufällig einen positiven Albumtitel gewählt. „Wir wollen eine Kraft für die Hoffnungsvollen sein, auch wenn das gegen jeden Trend der Gegenwart geht. Natürlich haben auch wir stimmige und düstere Momente, aber gesamt gesehen ist das Album sehr positiv, romantisch und lebensbejahend ausgefallen. Wenn ihr das Album in der Früh hört und der Tag damit gut beginnt, sind wir absolut zufrieden.“ Pritchard hat sich textlich weniger um die Tagespolitik und mehr um alltägliche Probleme wie Unsicherheiten in Jobs oder finanzielle Schieflagen gekümmert. Dinge, die er und seine Freunde aus der Realität kennen. „Für viele Menschen ist die Angst vor der Zukunft lebensdominant - bei uns auch deshalb, weil ein paar Vollidioten den Brexit durchboxten. Außerdem kann man nicht die Augen davor verschließen, dass der Rassismus wieder zurückkehrt.“

Angst aus dem Schatten
Pritchard macht sich viele Gedanken um Fluch und Segen der Social-Media-Welt. Um die Verrohung der Menschheit in den (a)sozialen Netzwerken und weshalb auch Prominente nicht davor gefeit sind, in die Falle der „Fake News“ zu tappen. So etwa Englands Popstar Olly Murs, der unlängst ohne Überprüfung twitterte, dass jemand in der Londoner Oxford Street herumschießen würde und alle Läden daraufhin sofort dichtmachten. Die Meldung stellte sich als falsch heraus. „Wir bräuchten eine Lizenz zum Tweeten“, fügt Bassist Peter Denton schmunzelnd an, „das klingt doch auch wie ein guter, neuer Bond-Film.“ Pritchard findet bei diesem Thema wenig Amüsement. „Wenn Leute wie Donald Trump jeden Gedanken einfach so rausrülpsen, dann wird all das für die Menschen verwirrend und gefährlich. Dann wächst die Angst und anonyme Monster aus dem Schatten kommen in den Vordergrund. Wem sollst du noch vertrauen? Welches Medium überprüft die Fakten und welches nicht? Ich kann absolut nachvollziehen, dass die Menschen einfach unsicher sind.“

Das Internet ist auch eine Plattform des Mobbings und der Diskreditierung - das beschreibt die Band im Song „Four Leaf Clover“. Gerade eine „Außenseiter-Band“ wie die Kooks wissen das nur zu gut. „Als Mitte-30-Jähriger ist mir scheißegal, was du über mich im Netz ablässt, aber als Teenager kann jeder gemeine Kommentar über dein Gewicht, dein Aussehen oder deinen Haarschnitt prägend sein. Meiner Meinung nach sollte man für die Netznutzung geprüft werden und ein offenes Buch sein. Man sollte einen Führerschein machen, wie beim Autofahren.“ „Let’s Go Sunshine“ soll den Fans und Missverstandenen einen Schutzraum bieten. „Wir waren schon immer die Band für die Außenseiter und nicht für die coolen Kids. Wir sind sehr inklusiv und bei uns findet jeder seinen Platz, wenn er möchte.“ Am Ende scheint eben doch immer die Sonne - bei den Kooks nun auch wieder auf musikalisch althergebrachten Wegen.

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