Handypeilung & Co.

Österreichs Juristen warnen vor Sicherheitswahn

Österreich
04.11.2009 16:25
Handypeilung, Fingerabdruck-Datenbank und Vorratsspeicherung – und alles ohne richterliche Kontrolle. Die österreichischen Rechtsanwälte warnen in einem Aufschrei vor dem "gläsernen Menschen" und fordern die Rücknahme überschießender Überwachungsmaßnahmen. Dem Sicherheitswahn steht ihrer Meinung nach auch eine "Verpolitisierung" der Justiz gegenüber sowie eine Reihe neuer Bürokratie-Hindernisse, die die Bürger davon abhalten, Gerichte einzuschalten.

Gerhard Benn-Ibler, Präsident des Rechtsanwaltskammertages, warnt insbesondere vor der geplanten Handy-Peilung ohne juristische Kontrolle. "Da kann ich jederzeit feststellen, wo sich jeder Österreicher befindet - und das ohne richterlichen Befehl und ohne Tatverdacht", kritisierte Benn-Ibler. Auch für die Internet-Überwachung (Stichwort: Bundestrojaner) fordert er richterliche Kontrolle.

Die Vizepräsidentin der Wiener Rechtsanwaltskammer, Elisabeth Rech, leitet beim Österreichischen Anwaltstag am Freitag eine Diskussion über "Überwachung versus Freiheit". Für sie verläuft die Entwicklung derzeit "rasant hin zum gläsernen Menschen": Während ein zentrales Regierungsdepot, in dem alle Briefe zur späteren behördlichen Öffnung aufbewahrt werden, früher undenkbar gewesen wäre, gebe es gegen die nun geplante Internet-Vorratsdatenspeicherung kaum Proteste, kritisierte Rech. Außerdem warnte sie vor einer EU-weiten Datenbank mit den Fingerabdrücken, die mittlerweile jeder Bürger für seinen Reisepass abgeben muss.

"Gehe ja nicht zu Gericht"
Eine Gefährdung der Freiheit sehen die Rechtsanwälte auch durch die Sparpolitik der Regierung. Der Wiener Kammerpräsident Michael Auer kritisierte vor allem die heuer stark erhöhten Gerichtsgebühren. So seien auch unstrittige Scheidungsverfahren um 21 Prozent teurer geworden, erstinstanzliche Gerichtsverfahren um 160 Prozent und selbst für Akten-Kopien müsse man bei Gericht nun einen Euro pro Seite zahlen. Das Motto laute offenbar "liebe Bürger, mache alles, aber gehe ja nicht zu Gericht", kritisierte Auer. Er fordert die Einführung eines günstigen, aber rechtlich durchsetzbaren außergerichtlichen "Anwaltsvergleichs".

Festhalten am Weisungsrecht
Festhalten wollen die Rechtsanwälte aber am von Richtern und Staatsanwälten immer wieder kritisierten Weisungsrecht des Justizministers über die Staatsanwaltschaft. Die Übertragung an einen vom Parlament kontrollierten Generalstaatsanwalt würde zu einer "Verpolitisierung" der Justiz führen, warnt Benn-Ibler und sieht sich darin auch durch die Befragung der Staatsanwälte im derzeit laufenden Untersuchungsausschuss bestärkt. 

Die im U-Ausschuss zutage getretenen Mängel bei der Staatsanwaltschaft (etwa die "vergessene" Anzeige gegen Ex-Innenminister Ernst Strasser oder die Umgehung der Abgeordneten-Immunität) will Benn-Ibler nicht überbewerten: Die österreichische Justiz sei im EU-Vergleich "einsame Spitze". Wenn in Einzelfällen Mängel auftreten, müsse das Justizministerium Abhilfe schaffen - auch dafür sei das Weisungsrecht der Justizministerin notwendig.

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