Spektakuläre Flucht

Ex-Anwalt als Co-Fluchthelfer verurteilt

Wien
02.12.2008 17:11
Auf spektakuläre Art und Weise ist im April 2005 der Kopf einer internationalen Geldfälscherbande aus der Justizanstalt Josefstadt entwischt: Dass es so weit kommen konnte, soll laut Staatsanwalt Michael Schön erst ein 48-jähriger Wiener Rechtsanwalt, der dem eigentlichen Fluchthelfer seinen Anwaltsausweis überlassen haben soll, ermöglicht haben. Der mittlerweile berufsunfähige Anwalt wurde als Beitragstäter zur Begünstigung und Fälschung einer besonders geschützten Urkunde vom Gericht für schuldig erkannt.

Richterin Bettina Neubauer sprach von einer "extremlich verwerflichen" Vorgangsweise und verhängte bei einem Strafrahmen von bis zu zwei Jahren acht Monate Haft. Diese wurden dem bisher unbescholtenen 48-Jährigen bedingt nachgesehen. Der ehemalige Jurist meldete umgehend volle Berufung an.

Der nunmehr noch nicht rechtskräftig Verurteilte hatte sich dreieinhalb Jahre nach der geglückten Flucht am Dienstagnachmittag im Straflandesgericht zu verantworten. Der Jurist, der inzwischen von einer Berufsunfähigkeitspension lebt, soll demnach dem eigentlichen Fluchthelfer seinen Anwaltsausweis überlassen haben, den dieser unter Verwendung eines erfundenen Namens und eines Fotos verfälschte.

Ein als Anwalt verkleideter Mann spazierte damals ins Gefängnis, ließ sich Dimitr K. alias Ivan Ivanov zu einer angeblichen Besprechung vorführen, übergab diesem dann in einem Pilotenkoffer mitgebrachte Kleidung und verließ mit dem Kriminellen seelenruhig und unbehelligt die Justizanstalt. Dimitr K. ward seither nicht mehr gesehen.

Angeklagter bekannte sich "nicht schuldig"
Der Anwalt behauptete, er habe damals geglaubt, seinen Anwaltsausweis im Fitness-Studio verloren zu haben. In Wahrheit hätte ihn seine Frau Jahre später in der Innentasche eines Sakkos entdeckt. Er habe das Dokument jedenfalls "nicht gehabt", folglich auch nicht weitergegeben. Auch seine Legitimationsurkunde habe er nicht weitergereicht. "Meinen Originalausweis hat er nie gehabt. Das schließe ich tausendprozentig aus." Er bekenne sich daher "nicht schuldig".

Falsches Geständnis wegen schwerer Krankheit?
Der 48-Jährige hatte allerdings vor der Polizei ein Geständnis abgelegt und darin im Detail erzählt, wie ihn der Fluchthelfer von Dimitr K. aufgesucht und er ihm den Ausweis überlassen habe. Er habe Angst gehabt, von der Polizei festgenommen zu werden, und daher ein falsches Geständnis abgelegt, meinte dazu nun der Ex-Anwalt. "Die Polizei hat mir das eingesagt", tat er seine seinerzeitigen Angaben ab. Er habe eine "schwere Chemotherapie" bewältigen müssen und mit allen Mitteln verhindern wollen, in U-Haft genommen zu werden.

Über Fluchtpläne "ein bisserl amüsiert"
Immerhin gab der 48-Jährige im Verlauf des Verfahrens zu, den längst abgeurteilten Fluchthelfer getroffen zu haben, der ihm dargelegt habe, wie er Dimitr K. befreien wolle. "Ich hab' gewusst, dass irgendwer ins Gefängnis reingeht. Ich hab' nicht gewusst, dass er reingeht. Ich hab' nicht gewusst, dass die Tat so passiert", gab er zu Protokoll. Der Mann habe ihn an einem Freitagabend, als er ganz allein in seiner Kanzlei über den Akten saß, aufgesucht und ihm "ein fertiges Konzept geschildert und mich gefragt, ob das möglich ist". Er habe sich darüber "ein bisserl amüsiert", sagte der Angeklagte.

Österreich wartet auf Auslieferung
Dimitr K. (48), der als Kopf einer international tätigen, 200 Personen umfassenden Fälscherbande gilt, die sich auf die Herstellung von Euro-Blüten spezialisiert hatte, hatte sich nach seiner Flucht in den Osten abgesetzt. Der Ukrainer wurde schließlich in Bulgarien verhaftet, die österreichische Justiz wartet allerdings bis auf den heutigen Tag vergeblich auf seine Auslieferung, um ihm den Prozess machen zu können.

Fluchthelfer bereits verurteilt
Der eigentliche Fluchthelfer, ein 30-jähriger Kroate, ist bereits im Mai 2006 wegen Begünstigung zu 18 Monaten Haft - davon sechs Monate - unbedingt verurteilt worden. "Ich hab' es aus freundschaftlichen Gründen getan. Ich hab' es nicht mitansehen können, wie er hier vor die Hunde geht", so seine damalige Erklärung, weshalb er als falscher Anwalt Dimitr K. ins Freie gelotst hatte.

Der Prozess gegen den echten Anwalt fand deshalb erst mit jahrelanger Verspätung statt, weil dieser infolge einer Krebserkrankung verhandlungsunfähig war. Sein Befinden hat sich mittlerweile gebessert.

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